Der Kapitalismus baut auf der Ausbeutung von Natur und Arbeitskraft auf. Wenn ökologische Kämpfe gewonnen werden sollen, müssen sie deshalb die ökologische und die soziale Frage immer gemeinsam stellen. Exemplarisch schlossen sich im Sommer 2021 ein Bündnis aus antikapitalistischen Klimaaktivist:innen aus München im Rahmen der Kampagne Klimaschutz und Klassenkampf mit den Arbeiter:innen eines Münchner Bosch-Werks zusammen. In Reaktion auf dessen angekündigte Schliessung verfassten sie mit dem Betriebsrat einen offenen Brief. Bosch versuchte seine Kündigungsabsicht mit dem Vorwand des Klimaschutzes zu begründen, dabei ging es schlicht um eine Auslagerung der Produktion. Dagegen organisierten sich die Aktivist:innen zusammen mit dem Betriebsrat und engagierten Arbeiter:innen für die Erhaltung des Werks und die Umstellung der Produktion auf ökologisch nachhaltige und gesellschaftlich sinnvolle Produkte. Ihre arbeitskämpferische Kampagne zeigt deutlich die seltenen, aber durchaus möglichen Verbindung von Klimagerechtigkeits- und Klassenkämpfen auf.1 Nach den Diskussionen rund um die Kampagne, die wir am Anderen Davos sowie am Jugendweekend der BFS geführt haben, wollten wir von einer Aktivistin wissen, was der aktuelle Stand im Boschwerk ist und welche Lehren das antikapitalistische Klimatreffen aus der Kampagne gezogen hat.
Interview mit L. vom Antikapitalistischen Klimatreffen München, von Victoria K. und Ben Huber (BfS Basel); aus antikap
Victoria: Im Winter haben wir im Rahmen des Anderen Davos über eure Kampagne «Klimaschutz und Klassenkampf» geredet. Was ist seitdem passiert, was sind die aktuellen Entwicklungen rund um das Bosch-Werk in München?
L.: Seit unserem letzten Treffen schiebt das Management des Boschwerks die Verkündung der Schliessung des Werks immer weiter vor sich her. Die Gewerkschaft bleibt jedoch aktiv, es gibt viel Solidarität. Die IG Metall hat am 19.11.2021 einen bundesweiten Aktionstag zum Thema Bosch gemacht, weil auch verschiedene andere Werke von der Schliessung bedroht sind. Es ist dann deutschlandweit in drei verschiedenen Boschwerken mobilisiert worden und Kolleg:innen von anderen Betrieben sind angereist, unter anderem zu unserem in München. Sie haben dort einen Aktionstag gemacht und gesagt, wir werden gemeinsam dagegen vorgehen, wenn dieses Werk geschlossen werden soll.
Unsere Gruppe durfte dann auch sprechen und wir haben eine Klimademo zum Boschwerk gemacht, um die Unterstützung der Klimabewegung dafür zu zeigen. Es gab viele Rückmeldungen von Leuten, die die Klimaaspekte wichtig finden. Sie fänden es auch wichtig die Eigentumsfrage zu stellen, die wir in unserer Rede aufgeworfen hatten.
«Es ist ein gespanntes Warten. […] Konkret lautet der Vorschlag des Managements aktuell, dass sie Teile des Werks noch ein paar Jahre erhalten würden und sukzessive die Belegschaft entlassen. […] Das dient auch dazu, die Leute zu vereinzeln, um dem Kampf die Sprengkraft zu nehmen.»
Seither ist es ein gespanntes Warten. Es sind darüber hinaus auch nicht mehr so viele Aktionen passiert. Wir haben auch das Gefühl, dass es keinen Sinn hätte, jede Woche eine Demo zu machen. Das hätte keine ökonomischen Auswirkungen. Die IG Metall und der Betriebsrat sind immer noch in Verhandlung mit dem Management. Konkret lautet der Vorschlag des Managements aktuell, dass sie Teile des Werks noch ein paar Jahre erhalten würden und sukzessive die Belegschaft entlassen. Sie könnten dann versuchen, die Leute in anderen Bosch Werken unterzubringen. Für uns ist klar: Das dient auch dazu, die Leute zu vereinzeln, um dem Kampf die Sprengkraft zu nehmen. Letzten Endes warten wir jetzt alle darauf, dass demnächst mal die Verkündung kommt, was Bosch genau vorhat. Dann wollen wir schauen, dass wir gemeinsam wieder in die Offensive kommen können. Dass wir dann auch wieder Proteste machen können, wenn es konkretere Infos gibt.
Du hast gerade beschrieben, dass das Management eine Salamitaktik probiert. Als Strategie, um konkrete Mobilisierungen zu verhindern. Wie sieht es in der Belegschaft aus, sind die Vereinzelungsversuche fruchtbar?
Insgesamt muss man sagen, dass nicht alle Leute so wahnsinnig kämpferisch sind. Es gibt auch viele Leute, die nicht so in Bewegung geraten sind. Die sagen halt, besser nehmen, was wir kriegen, besser drei Jahre noch einen Arbeitsplatz als gar nichts. Das heisst so bisschen funktioniert die Taktik leider schon. Gleichzeitig gibt es allerdings einen kämpferischen Kern. Also der Betriebsrat ist kämpferisch, auch der Kern der Belegschaft. Eine Kollegin hat zum Beispiel im Rahmen der Kampagne auch angefangen innerhalb der linken Bewegung in München für die Position des Boschwerks zu werben und hat zum Beispiel beim Frauenkampftag eine Rede gehalten. Sie tritt jetzt immer wieder auf linken Demos auf, um das Thema präsent zu machen. Aber ja, es gibt durchaus auch Leute in dem Werk, bei denen das ganz gut funktioniert.
Wie ist die Resonanz ausserhalb der Klimabewegung, hat euer Beispiel Schule gemacht?
Also es gab auf vielen verschiedenen Ebenen viel Unterstützung. In der Linken Bewegung in München gab es zum Beispiel ein Bündnis, das sich rund um den ersten Mai gebildet hat, mit verschiedenen linken Gruppen, die stark zu Bosch gearbeitet haben. Es gab aber auch super viel Unterstützung aus anderen Städten. Zum Beispiel haben wir einen Soligruss bekommen von einer Basisgruppe der Leipziger Verkehrsbetriebe. Über den Betriebsrat haben wir zudem mitbekommen, dass sich viele Betriebsräte aus anderen Metallkonzernen gemeldet haben und ihre Solidarität ausgedrückt haben. Die haben dem Betriebsrat geschrieben, sie fänden das ein wichtiges Bündnis und würden gerne davon lernen. Das zeigt uns, dass diese Zusammenarbeit gerade in Metallbetrieben viel bewegt hat. Das war wichtig für uns. Bei uns haben sich auch Leute direkt gemeldet, zum Beispiel ein Betriebsrat von Daimler. Der hat uns kontaktiert und gemeint, er findet diesen Zusammenschluss sehr wichtig. Jetzt machen wir dann demnächst eine Veranstaltung gemeinsam. Insgesamt haben wir gespürt, dass es in vielen Metallbetrieben in Deutschland den Wunsch gibt, dass ein Bündnis zwischen der Klimabewegung und Arbeiter:innen verstärkt vorkommen würde. Es gibt dieses Bedürfnis also auch in den Betrieben.

Welche Lehren habt ihr für euch aus dieser Kampagne gezogen?
Es gibt zum einen inhaltliche und zum anderen praktische Lehren. Die praktische Lehre ist für linke Aktivist:innen wichtig. Was wir gelernt haben, ist, nicht Flyer zu verteilen, sondern mit den Leuten zu reden. Das hat sich für uns sehr eingebrannt, denn wir haben früher schon versucht, Kontakte herzustellen und standen dann immer mit Flyern vor dem Werk. Das ist sicher keine schlechte Sache und schadet auch nicht, aber es hat eine ganz andere Auswirkung mit den Leuten direkt zu sprechen und zu versuchen, gemeinsam Dinge zu beschliessen.
«Es geht den Leuten in den Automobilbetrieben in Wirklichkeit überhaupt nicht darum, nur Autos herzustellen. Sie wollen ganz einfach einen Job und würden durchaus auch andere Dinge herstellen.»
Die theoretische Lehre und was wir mit der Kampagne auch vermitteln wollten, ist, dass diese Spaltung, die zwischen der Klima- und der Arbeiter:innenbewegung immer beschworen wird, auch überwunden werden kann – und muss. In unserer Kampagne war klar zu erkennen, dass es den Leuten in den Automobilbetrieben in Wirklichkeit überhaupt nicht darum geht, nur Autos herzustellen. Sie wollen ganz einfach einen Job und würden durchaus auch andere Dinge herstellen. Daher sehen wir die Möglichkeit und streben an, diese Spaltung zu überwinden. Auch deshalb, weil die politische Rechte bei einer Aufrechterhaltung dieser Spaltung davon profitiert. Man hat das sehr stark gesehen in den Kohlegebieten, wo die Klimabewegung und die Arbeiter:innenbewegung nicht zusammengefunden haben. Das ist von den Rechten direkt ausgenutzt worden, im Stil «Schaut, die Linken wollen euch die Arbeitsplätze klauen». Auch dafür sind diese Zusammenschlüsse zwischen Klimabewegung und Beschäftigten wichtig, um aufzuzeigen, dass wir die gleichen Interessen haben – und um die Rechte zurückzudrängen.
«Wenn man so einen Zusammenschluss machen will, ist es sehr sinnvoll da hinzugehen, wo es de facto gerade Kämpfe gibt. […] Das sind die Orte, wo diese Zusammenschlüsse stattfinden können, weil wir den Leuten auch etwas anbieten können. Nämlich unsere Unterstützung und Hilfe gemeinsam einen Kampf zu führen.»
Ein praktischer Punkt noch, den wir gesehen haben: Wenn man so einen Zusammenschluss machen will, ist es sehr sinnvoll da hinzugehen, wo es de facto gerade Kämpfe gibt. Unserer Erfahrung nach funktioniert wenig bei Werken, bei denen gerade überhaupt nichts ansteht, weil es schon ein sehr weiter Schritt für die Leute ist, aktiv zu werden. Stattdessen muss man dorthin gehen, wo konkrete Kämpfe geführt werden, eben weil zum Beispiel eine Schliessung bevorsteht oder weil für Arbeitszeitverkürzungen oder höhere Löhne gekämpft wird. Das ist bei Konversionskämpfen in der Vergangenheit oft der Ausgangspunkt gewesen. Das sind die Orte, wo diese Zusammenschlüsse stattfinden können, weil wir den Leuten auch etwas anbieten können. Nämlich unsere Unterstützung und Hilfe gemeinsam einen Kampf zu führen, der historisch immer das gewesen ist. Das ist etwas, was wir als linke Kommunist:innen zu bieten haben.
Ihr habt bei der Kampagne vor allem mit dem Betriebsrat zusammengearbeitet. In der Schweiz finden die meisten Kontakte der Klimabewegung im Rahmen der Strike for Future Kampagne mit den Gewerkschaften direkt statt. Wie sah euer Verhältnis zu den Gewerkschaften aus und welche Schlüsse zieht ihr daraus?
Also der Betrieb, in dem wir waren, ist ein IG Metall Betrieb, wo die Betriebsräte auch innerhalb der IG Metall sehr aktiv sind. Die hatten auch innerhalb des Werkes die Mitgliedschaft sehr nach oben getrieben. Unser Verhältnis zu den Gewerkschaften war meistens ein mittelbares. Wir sind jetzt nicht an die Gewerkschaften selbst herangetreten, sondern direkt an die Belegschaft, an die Betriebsräte. Wir haben mit ihnen die Kampagnen beschlossen. Mit der IG Metall haben wir uns dann jeweils über die Betriebsräte rückgesprochen, die das zurückgegeben haben. Oder dann haben wir uns mal gemeinsam mit dem Gewerkschaftssekretär zusammengesetzt. Ich hatte den Eindruck, dass in der IG Metall eine gewisse Verunsicherung herrscht in der Frage, wie man jetzt umgeht mit der Tatsache, dass einfach klar ist, dass es einen massiven Arbeitsplatzabbau geben wird in den nächsten Jahren. Und Klimaschutz wird ein sehr wichtiges Thema sein und bleiben. Wir hatten den Eindruck, dass noch keine ganz klare Linie gefunden ist, was auch eine gewisse Offenheit bedeutet für beispielsweise unsere doch sehr weitreichende Kampagne. Ich glaube, unser Verhältnis war da dementsprechend eigentlich ein sehr gutes, dass wir jetzt über die untere Ebene gegangen sind, aber der IG Metall natürlich immer solidarisch gegenüberstanden und auch versucht haben, die mit ins Boot zu holen. Wir fanden es auch toll, dass sie uns beim Aktionstag haben reden lassen. Ich glaube dieser Weg ist auf jeden Fall einer, in dem wir Potential sehen.
Vielleicht könntest du uns kurz noch einen Ausblick geben, was eure kommenden Kampagnen sein werden. Du hast mit dem Beispiel des Daimler-Werks bereits angesprochen, dass eure Kampagne eine gewisse Strahlkraft hatte. Wie wird es bei euch weitergehen?
Also insgesamt muss man sagen, dass wir wir eine Klimagruppe sind. Klimaschutz und Klassenkampf ist eine Kampagne von uns als antikapitalistisches Klimatreffen und wir machen auch ganz viel klassische Klimabewegungspolitik. Wir machen jetzt nicht nur Organizing an Werken. Wir werden diese Kampagne weiter laufen lassen. Wenn jetzt wieder solche Kämpfe aufkommen sollten, dann werden wir auf jeden Fall versuchen, da auch wieder eine Unterstützung zu leisten und Bündnisse zu schliessen.
Was wir jetzt gerade konkret machen, sind aber ganz viel Kämpfe, die sich vor allem innerhalb der Klimabewegung abspielen. Wir haben jetzt zu Lützerath viel gearbeitet. Das ist ein Dorf in Nordrhein-Westfalen, was für den Braunkohleabbau enteignet und abgebaggert werden soll. . Wir arbeiten jetzt gerade auch in München zu einem Projekt, wo durch ein armes, prekäres Viertel eine Autobahn gebaut werden soll. Wir versuchen uns dort in dem Viertel etwas zu verankern und mit den Leuten zu arbeiten. Uns ist schon auch wichtig, nicht nur an Werken zu arbeiten, auch wenn wir das gleichzeitig als wichtigen Teilbereich sehen. Das entspricht auch unserem weiten Begriff dessen, was wir als Klasse verstehen. Ganz klar sind die Beschäftigten bei Bosch Teil unserer Klasse. Aber ganz klar sind auch die Leute, die bei uns im Viertel Hasenberge beispielsweise wohnen, Teil der arbeitenden Klasse, sogar der am meisten prekarisierte Teil davon. Auch wenn sie jetzt nicht alle Werksarbeiter:innen sind. Und an all diesen Punkten wollen wir arbeiten. Abgesehen davon entwickeln sich gerade viele andere Klimatreffen in 10 verschiedenen Städten deutschlandweit. Das mit aufzubauen und die Vernetzung zu stärken, ist uns auch wichtig. Damit auch unsere Message stärker in die Klimabewegung reingetragen wird, dass letzten Endes Klimakämpfe immer auch Klassenkämpfe sind.
(1) Mehr zur Kampagne Klimaschutz und Klassenkampf findet sich unter https://sozialismus.ch/oekologie/2021/konversion-von-unten-allianz-zwischen-arbeiterinnen-und-klimaschuetzerinnen-in-muenchen/