Bild: Kundgebung Ende November 2024 gegen den Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts den Volksentscheid für einen Mindestlohn zu kippen.
Dass der Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes Roland Müller meinte, dass Löhne nicht zum Leben reichen müssten, sorgte für Empörung. Dabei sprach er nur aus, was eh schon Realität ist.
von August Bremel (BFS Zürich)
Das clickgeile Hetzblatt Blick hat für einmal etwas Spannendes veröffentlicht. Der Blick hat Zugang zu Dokumenten erhalten, in denen der Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverband Roland Müller für einmal ehrlich ist. Im Umfeld von Parlamentsabgeordneten, die zumeist selbst eng verwoben mit der kapitalistischen Klasse sind, hat er gesagt: «Ein rein existenzsichernder Lohn [zu zahlen] ist nicht die Aufgabe der Arbeitgeber.». Von der Goldküste aus, als Mann, der nie als normaler Lohnabhängiger gearbeitet hat, lässt sich das leicht sagen. Professor Doktor Müller hat absolut keine Ahnung von unserer Realität als Lohnabhängige – und erst recht nicht von der Realität als prekär Beschäftigte.
Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in? Wir lehnen die Begriffe Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in ab, weil sie falsch sind und die Realität verschleiern. Denn in Wahrheit «geben» wir als Lohnabhängige Arbeit an die Unternehmen, indem wir ihnen unsere Arbeitskraft verkaufen. Wir sind es, die die Arbeit verrichten. Die Kapitalist:innen verwalten die Betriebe und bereichern sich an der von uns verrichteten Arbeit. Wir sprechen deshalb von Unternehmer:innen/Kapitalist:innen und Lohnabhäng:innen/Arbeiter:innen. |
Es ist tatsächlich nicht ihre Aufgabe
Dass er so fern von der Realität lebt, ist keine Überraschung, zeigt aber noch nicht den Kern der Sache auf. Das Hauptproblem ist nämlich, dass seine Aussage stimmt:
Die «Aufgabe» von Kapitalist:innen ist es nicht, gute Löhne zu zahlen. Ihre «Aufgabe» ist es, möglichst hohe Profite zu erzielen, um auf dem Markt überleben zu können. Das Märchen der sozialen Partnerschaft zwischen Unternehmen und Lohnabhängigen verschleiert, dass die Interessen von Kapitalist:innen und Lohnabhängigen nicht vereinbar sind. Sie stehen sich fundamental entgegen. Mehr Lohn für Lohnabhängige, heisst weniger Proft für Kapitalist:innen. Genauso gilt: Weniger Lohnkosten für Kapitalist:innen, bedeuten mehr Profit.
Roland Müller hat also nur ein wenig offener ausgesprochen, was die Interessen der Kapitalist:innen sind. Er hat sich unter den Politiker:innen, die zumeist seine Interessen durchsetzen, wohl gefühlt zu sagen, was er wirklich denkt: Anstatt dass Kapitalist:innen einen existenzsichernden Lohn auszahlen, meint er, dass «dann die Sozialhilfe einspringen» muss.
Kantonale Mindestlöhne als Stein des Anstosses
Ebenfalls spannend ist der Grund für die Debatte, in der sich Roland Müller geäussert hat: Es ging darum, ob der Bund demokratisch beschlossene kantonale Mindestlöhne kippen darf, weil sie die Freiheit der Unternehmer:innen staatlich einschränken und deshalb gegen die Grundsätze der liberalen Marktwirtschaft verstossen würden. Die Unternehmer:innen fordern, dass die Volksabstimmungen über Mindestlöhne rückgängig gemacht werden. Einige Kantone (Zürich u.a.) haben den Klagen der Unternehmen in erster Instanz bereits stattgegeben. Hier zeigt sich wieder einmal, dass der bürgerliche Staat nicht neutraler Schiedrichter ist, sondern die Aufgabe hat, die Interessen des Kapitals zu vertreten.

Klassenkampf von oben
Von der Hassfigur der französischen Lohnabhängigen Emmanuel Macron, über den deutschen Bundeskanzler und BlackRock-Bonzen Friedrich Merz, bis zu Roland Müller in der Schweiz: Kapitalist:innen und ihre Interessensvertreter:innen verschlechtern unsere Arbeits- und Lebensbedingungen, um ihre Profite zu erhöhen. Das ist Klassenkampf von oben in seiner reinsten Form. Wir sollten entsprechend antworten.