Inspiriert durch den Women’s March in Washington DC und anderen US-amerikanischen Städten am 21. Januar 2017 organisiert ein Komitee von jungen Frauen am Samstag, 18. März 2017 einen Women’s March in Zürich, um für Solidarität, Freiheit und Gleichheit zu demonstrieren. Verschiedene Organisationen und Einzelpersonen, die der Meinung sind, dass der Women’s March auch in der Schweiz die Inhalte eines klar intersektionalen, antirassistischen und antikapitalistischen Feminismus haben muss, verfassten ein Manifest, welches wir im Folgenden veröffentlichen. (Red.)
aus whywe18march.ch
Der Women’s March ist eine feministische Demonstration. Zusammen mit Menschen aller Gender, Ethnien, sexuellen Orientierungen, Kulturen, Alter und Hintergründe wollen wir am 18. März in Zürich für eine gerechte und solidarische Gesellschaft von freien, emanzipierten und selbstbestimmten Menschen demonstrieren. Wir wollen damit unseren Widerstand sichtbar machen gegen die erstarkenden konservativen Kräfte hier und überall auf der Welt, die immer wieder unsere erkämpften Rechte und unsere Würde angreifen.
Der Frauen*marsch in Zürich trägt die Bewegung des Women’s March on Washington in die Schweiz. Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten hat zu Recht grosse Empörung ausgelöst und viele Menschen mobilisiert. Auch wir sind schockiert. Marine Le Pen, die AfD, die Angriffe der polnischen Regierung auf die Abtreibungsrechte, die Flüchtlingspolitik von Victor Orban und anderen, aber auch die zahlreichen SVP Initiativen zeigen immer wieder, dass rassistische und sexistische Positionen wie Trump sie vertritt auch bei uns immer populärer werden.
Am 18. März wollten in Bern zahlreiche Menschen für eben diese rechte Ideologie demonstrieren. Glücklicherweise wurde diese Demonstration nun abgesagt. Der Women’s March soll von unserer Seite ein klares Zeichen sein, dass wir ihnen und ihrer Ideologie nicht die Öffentlichkeit überlassen.
Das kapitalistische System stützt sich auf die (Selbst)-Ausbeutung und Individualisierung der Menschen. Sexismus, Rassismus, Armut und Unterdrückung von minorisierten Gruppen passiert nicht einfach, sondern sind Konsequenzen einer Politik, die nicht das Interessen der Menschen selber ins Zentrum stellt sondern die des Kapitals. Wir erkennen, dass die Identitäten von Frauen* vielschichtig sind und sie darum unter verschiedenen Formen von Unterdrückung leiden. Für uns ist Feminismus intersektional und deshalb auch immer antirassistisch, antiklassistisch, antikapitalistisch und queer [Mehr dazu hier]. Wir haben in den folgenden Punkten unsere Gründe dargelegt, weshalb wir am 18. März auf die Strasse gehen. Nur gemeinsam werden unsere Anliegen gehört. Zusammen tragen wir unsere Vision einer progressiven Gesellschaft frei von Unterdrückungen und geschührtem Hass mit geeinter Stimme an den Women’s March.
Gründe für die Teilnahme am Women’s March Zurich
2. Wir wollen eine Gesellschaft, in der keine Diskriminierung aufgrund des biologischen Geschlechts, des Genders, der sexuellen Orientierung, der Hautfarbe, der nationalen Zugehörigkeit, der wirtschaftlichen Möglichkeiten oder aufgrund einer Behinderung stattfindet. Diese Diskriminierungsformen müssen gemeinsam gedacht werden und ein Widerstand kann nur gegen alle diese zusammen erfolgen. Wir sehen die bestehenden Strukturen und das System als Ganzes und stehen für einen breiten Widerstand.
3. Seit 1996 sind Frauen* in der Schweiz gesetzlich gleichgestellt. Diese Gleichstellung ist aber nur auf dem Papier erreicht. Noch immer stirbt hier alle zwei Wochen eine Frau* an den Folgen häuslicher Gewalt, noch immer werden Frauen* aufgrund ihres Geschlechts im privaten und öffentlichen Raum täglich Opfer sexualisierter Gewalt.
4. Die staatlichen Institutionen müssen frei von Sexismus und Rassismus für alle Menschen einstehen, insbesondere die Polizei. Racial Profiling verurteilen wir aufs Schärfste. Wir solidarisieren uns mit allen, die Opfer von rassistischer und sexistischer Polizeigewalt werden.
5. Die rassistische Politik von rechten Parteien wie der SVP und der Diskurs über Geflüchtete hat direkte Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen. Unternehmungen wie die ORS schlagen Profit aus der Migration und der Überforderung der lokalen Institutionen. Gerade Frauen* sind es, die noch unsichtbarer sind und in Notunterkünften und in der Öffentlichkeit Opfer von sexistischer, rassistischer Gewalt werden. Wir solidarisieren uns mit den geflüchteten Frauen* und queeren Menschen, die doppelter und dreifacher Diskriminierung ausgesetzt sind.
6. Wir stehen ein für die Rechte von Flüchtenden und Migrierenden, unabhängig von Aufenthaltsstatus und Herkunftsland. Bewegungsfreiheit muss weltweit für alle gewährleistet sein, ohne Hindernisse wie Grenzen, finanzielle Möglichkeiten oder Aufenthaltsstatus. Wir verurteilen Ausschaffungen und Deportationen, sowie Eingrenzungen und Präsenzpflicht. Kein Mensch ist illegal!
7. My body my choice; Frauen* entscheiden selbst darüber, wie sie leben wollen. Dazu gehört, selber über den eigenen Körper bestimmen zu können. Das heisst wir fordern freien Zugang zu sicheren, legalen und kostenlosen Abtreibungen und Verhütungsmitteln für alle Frauen*.
8. Wir sind der Überzeugung, dass LGBTQIA*-Rechte den Zugang zu wertungsfreier und umfassender Gesundheitsversorgung ohne Ausnahmen und Einschränkungen beinhalten. Alle Massnahmen, die für das rechtliche und tatsächliche Ausleben der eigenen Identität notwendig sind, müssen gewährleistet sein.
9. Wir glauben an Gendergerechtigkeit. Wir wollen frei von Geschlechternormen, Erwartungen und Stereotypen leben können. Geschlechterrollen müssen in der Schule und allen Medien hinterfragt werden. Wir müssen die Macht und die Ressourcen in der Gesellschaft gerecht verteilen.
10. Wir stehen ein für einen barrierefreien öffentlichen Raum, in dem sich alle Menschen frei bewegen können. Dies beinhaltet die Abkehr von Leistungsansprüchen und Rollenkonformität jeglicher Art.
11. Wir verlangen gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit und gleiche Möglichkeiten für alle. Jegliche Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, Alter, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität und physischen Fähigkeiten sowie Sexismus am Arbeitsplatz sind zu beenden.
12. Die meiste unbezahlte Arbeit wird von Frauen* erledigt. Ohne speziell dafür entschädigt oder anerkannt zu werden, erwartet die Gesellschaft von Frauen* die Kinder aufzuziehen, die Alten zu pflegen, zu putzen und zu kochen. Ausserdem sind viele „typische Frauen*berufe“ schlecht bezahlt und wenig angesehen. Diese Doppelbelastung macht krank. Besonders betroffen sind auch hier migrantische und arme Frauen*.
13. Lohndiskriminierung und prekäre Anstellungsbedingungen sind für viele Frauen* Realität. Dies verursacht Rentenausfälle und Altersarmut. Nur durch radikale Gleichstellung und ein Umdenken der jetzigen wirtschaftlichen Verhältnisse kann eine Veränderung stattfinden.
14. Wir glauben an einen internationalen Feminismus. Solidarität zwischen Frauen* darf sich nicht von Grenzen der Ethnie, Religions- oder Staatsangehörigkeit beschränken lassen, sondern muss global und allumfassend sein. Nur so kann gewährleistet sein, dass die Selbstverwirklichung von Frauen* nicht die Ausbeutung und Prekarisierung vieler anderer bedeutet.
15. Wir finden, dass alle Menschen Anrecht haben auf eine intakte Umwelt. Ökologie ist kein Luxus, unsere Lebensgrundlage darf nicht dem Profit weniger Personen und Konzerne zum Opfer fallen. Wir stehen ein für das Recht aller Menschen, sich selbst und ihrer Gesundheit Sorge zu tragen. Dies hängt direkt zusammen mit der Erhaltung unserer Lebensgrundlage und der Sicherung eines intakten Klimas.
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