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Zürich: Warum wir uns freuen können, dass die AfD nicht in der Gessnerallee auftreten kann

Am 10. März 2017 hätte im Theater Gessnerallee in Zürich eine vorgängige Diskussion über das Podium mit AfD-Chefideologe Marc Jongen vom 17. März am gleichen Ort stattfinden sollen. Nun wurden beide Veranstaltungen abgesagt. Das ist ein gutes Zeichen und das Resultat eines konsequenten und breiten Widerstands.

von BFS Zürich

Nein, Theater und ähnliche Kulturinstitutionen stehen normalerweise nicht im Ruf, besonders gut mit der Alternative für Deutschland (AfD) auszukommen. In verschiedenen Initiativen organisieren sich Kulturschaffende gemeinsam, um der aktuellen Rechtsentwicklung etwas entgegenzusetzen. Dabei ist dieser Widerstand dringend notwendig. Denn gerade in Deutschland kam es in den letzten Monaten zu schwerwiegenden Attacken des rechten Mobs gegen Theateraufführungen, Regisseure und Kunstinstallationen.

Die AfD und die Kunst

Gewisse bürgerliche Liberale mögen nun an dieser Stelle vielleicht einwenden, dass es sich bei der AfD um eine nicht verbotene und ergo den Verfassungsgrundsätzen verpflichtete Partei handle, die keinesfalls mit dem braunen Mob auf den Strassen Deutschlands, in seinen Erscheinungsformen wie Pegida, Hogesa oder der identitären Bewegung verwechselt werden darf. Dies aber verharmlost den Charakter der AfD und ihre enge Verbindung zu den Bewegungen auf der Strasse und offen rassistischen, gewalttätigen und holocaust-verharmlosenden Kreisen. Niemand war daher erstaunt, als im aktuellen Klima der Angriffe auf Kulturinstitutionen der AfD-Sprecher Hans-Thomas Tillschneider eine „Renaissance der deutschen Kultur“ statt einer „linksliberalen Vielfaltsideologie“ forderte.

Auseinandersetzungen um Marc Jongen in der Gessnerallee

Diese AfD hätte nun also in der Gestalt ihres Chefideologen Marc Jongen im Theater Gessnerallee in Zürich auftreten sollen. Über 500 Kulturschaffende aus der Schweiz, Österreich und Deutschland haben demgegenüber eine Absage des Podiums gefordert, an dem neben Marc Jongen mit Olivier Kessler ein weiterer rechter Politiker mit Verbindung ins rechtsextreme Millieu hätte auftreten sollen (wir berichteten hier).
Gross war hingegen auch das Geschrei auf „links“-liberaler Seite, die den Auftritt vehement verteidigte. Von Angriffen auf die Demokratie und die Rede- und Versammlungsfreiheit war zu lesen. Bis in die JUSO hinein war zu vernehmen, dass man mit der AfD sprechen müsse, und dass die eigenen Argumente die besseren seien und so einen Marc Jongen entlarven könnten. Dabei gingen in dieser Argumentation einige entscheidende Punkte vergessen:

1. Die Podiumsgegner*innen sind kein „Gegenpol“ zur AfD

Als Gegner*innen zum rechtsnationalen Block von Jongen und Kessler hätten am 17. März der Kunstwissenschaftler Jörg Scheller sowie die Operation Libero auf dem Podium Platz nehmen sollen.
Jörg Scheller zeichnet in einer Kolumne in der NZZ nach der Absage ein düsteres Bild der Veranstaltungsgegner*innen. Er wirft ihnen „autoritäre Tendenzen“ vor und empfiehlt ihnen für ein nächstes Mal, doch am selben Tag zur selben Zeit an einem anderen Ort eine alternative Veranstaltung durchzuführen. Scheller entlarvt sich damit einmal mehr als bürgerlich Liberaler, als einer, der die Einteilung in Freund und Feind, wenn es um die AfD geht, nicht nachvollziehen kann. Eine solche Person vertritt keine sinnvolle Alternative zu den politischen Ideen einer AfD, genauso wie auch die AfD keine Alternative zum Neoliberalismus darstellt, sondern höchstens eine verzerrte, verschärfte Form dessen.
Noch viel mehr gilt dies für Laura Zimmermann von der Operation Libero, die auch auf dem Podium hätte auftreten sollen. Dass diese immer wieder als links-liberal bezeichnet wird, kann höchstens noch damit erklärt werden, dass durch den anhaltenden Rechtsrutsch auch in der Schweizer Politik mittlerweile schon klassisch liberale Forderungen als „irgendwie links“ gelten. Die Operation Libero ist aber nicht links, nicht ein bisschen, auch nicht sozial. Sie tritt ein für offene Grenzen, um den Zustrom von billigen Arbeitskräften aufrecht zu erhalten („Den Bedarf nach relativ niedrig-qualifizierten Zuwanderern eingestehen“) und ist für eine Abschaffung von Unterstützungsleistungen zugunsten von Steuergutschriften für wenig verdienende Menschen („Dasselbe Niveau an staatlicher Unterstützung kann so günstiger und effizienter gewährt werden“). Weitere Beispiele finden sich im Programm der Operation Libero zuhauf.
Zimmermann und Scheller verteten also, genau wie die AfD, nicht die Interessen eines grossen Teils der Bevölkerung. Beide Seiten des Podiums stehen für ein ökonomisch neoliberales Programm, einzig dessen Umsetzung und den Grad an internationaler Verflechtung hätte für Diskussionsstoff gesorgt. Eine solche Diskussion bietet keine Perspektive und ist somit hinfällig.

2. Nicht alle haben das Glück, mit der AfD reden zu können

Die Aufforderung mit der AfD ins Gespräch zu treten und sie von den „besseren Argumenten“ zu überzeugen, ist zynisch und verhöhnt die Opfer rechter und rechtsextremer Gewalt.
In Deutschland kam es im Jahr 2016 zu über 3’500 Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte. Tausende weitere Übergriffe auf Personen, Veranstaltungen und Installationen wurden gezählt. Die AfD ist Teil dieser Entwicklung, unterstützt sie aktiv und verteidigt sie in der Öffentlichkeit. Wenn Asylheime brennen und auf deutschen Strassen Migrant*innen krankenhausreif geprügelt werden, dann mag es sein, dass einige Liberale weiterhin das Privileg besitzen, mit der AfD sprechen zu können. Sie gelten noch nicht als die zentralen Gegner*innen einer AfD. Noch nicht. Vielen anderen Menschen bleibt hingegen nicht anderes als die Angst, und möglicherweise das Bewusstsein, dass der nächste Übergriff noch schlimmere Folgen haben kann.

3. Wer entscheidet, ob Jongen auftritt?

Die Gessnerallee reagierte auf die Kritik an der Veranstaltung, indem sie auf den 10. März 2017 eine Diskussion ankündigte, bei der „gemeinsam“ entschieden werden sollte, ob und in welchem Rahmen Jongen auftreten soll.
Dabei ging es der Gessnerallee mit diesem „Eingeständnis“ nur vordergründig um Transparenz oder Demokratie. Viel gewichtiger erscheint, dass mit der Vorveranstaltung die Verantwortung von der Theaterleitung zum „Publikum“ hätte übergehen sollen und man sich nicht mehr länger für einen allfälligen Auftritt hätte rechtfertigen müssen.
Nun wurde der Druck auf die Veranstalter*innen scheinbar zu gross. Auch das ist das Ergebnis eines Prozesses, der nicht weniger demokratisch ist, als eine gemeinsame Diskussion: Tausende Menschen haben sich zusammen und mit unterschiedlichen Hintergründen und Motivationen gewehrt und damit den Auftritt von Jongen und Kessler verhindert.
Wir sagen Danke an alle, die dies möglich gemacht haben. Jongen ist enttäuscht und wütend, genau so sollte er sich fühlen. Bis zum nächsten Mal.

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