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Katalonien: Neue Repressionswelle gegen Unabhängigkeitsbewegung

Der spanische Staat hat zu einem neuen Repressionsschlag gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung ausgeholt. Gestern wurden fünf PolitikerInnen festgenommen. Marta Rovira von der katalanisch-sozialdemokratischen ERC entging ihrer Verhaftung und flüchtet nun in die Schweiz. Anna Gabriel vom antikapitalistischen Wahlbündnis CUP ist bereits in Genf. Somit sitzen jetzt 9 ExponentInnen der Unabhängigkeitsbewegung in spanischen Gefängnissen, 7 weitere sind im Exil. Den meisten wird mit dem dubiosen Straftatbestand „Rebellion“ 30 Jahre Haft angedroht.
Von Theo Vanzetti, BFS Zürich

Wer der Zentralregierung nicht genehm ist, wird eingesperrt

Seit den katalanischen Parlamentswahlen im Dezember 2017 wollte das Parlament, in welchem die Unabhängigkeitsparteien nach wie vor ein absolutes Mehr haben, drei verschiedene Kandidaten zum Regionalpräsidenten wählen. Jedes mal signalisierte die spanische Regierung, dass man den Kandidaten nicht akzeptieren werde. Das zeigt einmal mehr, dass sich Mariano Rajoys Regierung einen Dreck um Demokratie schert. Nachdem am 1. Oktober eine Mehrheit der Katalan*innen für die Unabhängigkeit vom Zentralstaat stimmten, setzte Madrid die Regionalregierung ab. Katalonien wurde Neuwahlen aufgezwungen. Bei diesen kam ein für die Zentralregierung nicht genehmes Resultat heraus. Also kriminalisiert man weiterhin wichtige Exponent*innen der Unabhängigkeitsbewegung. Wenn bis in zwei Monaten keine Regionalregierung steht, gibt es erneut Wahlen. Madrid scheint eine Taktik des Aussitzens zu fahren und darauf zu hoffen, dass die Unabhängigkeitsbewegung die nächsten Wahlen verlieren wird. Diese Machenschaften der spanischen Regierung zeigen, dass Spanien nur auf dem Papier ein Rechtsstaat ist. Dabei kann die Regierung auf die Unterstützung der politisch handelnden Justiz zählen. Das hat viel damit zu tun, dass Spanien nie wirklich mit seiner faschistischen Vergangenheit – der Franco Diktatur – gebrochen hat. Auf EU-Ebene scheint die Angst vor einem Auseinanderfallen der Union so gross, dass man der spanischen Regierung sogar noch Rückendeckung gibt.

Das Recht auf Selbstbestimmung muss durchgesetzt werden

Doch auch innerhalb der Unabhängigkeitsbewegung gibt es Probleme. Der letzte Präsidentschaftskandidat Jordi Turull vom rechtsliberalen PDeCAT wurde am Donnerstag nicht gewählt, da ihm die CUP ihre vier Stimmen im Parlament verweigerte. Das war richtig, denn Turull hatte einen neoliberalen Kurs angekündigt. Es war völlig unklar, ob er das Ziel einer katalanischen Republik verfolgen würde, ob er sich mit Madrid auf eine halbherzige Autonomielösung einigen, oder gar nichts tun würde. Dabei ist eigentlich klar, dass sich die Bevölkerung am 1. Oktober 2017 für eine unabhängige Republik ausgesprochen hat. Trotzdem müssen wir es entschieden verurteilen, dass die spanische Regierung ihn gestern eingesperrt hat, um dadurch seine Teilnahme an einem zweiten Wahlgang zu verhindern. Der abgesetzte Regionalpräsident Carles Puigdemont (auch PDeCAT) hat mittlerweile gesagt, er bereue die Republik am 10. Oktober 2017 nicht ausgerufen zu haben. Er hatte die Unabhängigkeit damals aufgeschoben und die Bewegung so ausgebremst. Auch die ERC hat sich seit den Wahlen im Dezember 2017 unentschlossen gezeigt.
Was es braucht ist eine klare Haltung für die Unabhängigkeit und gegen die Repression aus Madrid. Die Unabhängigkeitsbewegung hat nur eine Chance, wenn sie zu ihrer Stärke auf der Strasse und in allen Teilen der Gesellschaft zurückfindet, welche sie letzten Herbst hatte. Es geht nicht nur um Autonomie von Madrid, sondern um Selbstbestimmung im weiteren Sinn. Es müssen Kämpfe gegen die Austerität, die Arbeitslosigkeit, die Wohnungsnot, das Patriarchat und vieles mehr geführt werden. Aus den oben genannten Gründen können wir als Sozialist*innen mit den bürgerlichen und sozialdemokratischen Teilen der Unabhängigkeitsbewegung bei vielem nicht einer Meinung sein. Doch wir müssen es auf jeden Fall verurteilen, dass der spanische Staat diese Leute einsperrt, nur weil sie ihre Meinung äussern und versuchen das Resultat des Referendums vom 1. Oktober 2017 umzusetzen. Die Verletzung der eigenen bürgerlich-demokratischen Gesetze durch den spanischen Staat muss mit der Situation in der Türkei und anderswo in Verbindung gebracht werden. In Afrin ist die Gewalt gegen das emanzipatorische Projekt Rojava momentan viel brutaler als es die Repressalien im spanischen Staat sind. Doch es ist dieselbe faschistoide Reaktion die dahintersteckt. Der Widerstand dagegen und unsere Solidarität müssen internationalistisch sein! Sollten die Schweizer Behörden Anna Gabriel oder Marta Rovira ausliefern wollen, ist es an der radikalen Linken dies zu verhindern. So wie wir schon Nekanes Auslieferung verhindert haben.

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