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Identitäre an der Universität Zürich?

Seit einigen Wochen tauchen vereinzelt Kleber der „Identitären Bewe­gung“ an der Universität Zürich auf. Teilweise werden damit linke Pla­kate (zum Beispiel zur Lohngleichheitsdemo am 22. September 2018) und Kleber überklebt, teilweise tauchen sie auch unabhängig davon auf. Die häufigsten Kleber sind sogenannte „Anti-AntiFa“-Kleber mit „Pepe the Frog“, ein Meme, welches aus den Tiefen des Internets über die amerikanische Alt-Right- und Neonazi-Szene auch seinen Weg in die europäische Rechte gefunden hat.

von BFS Zürich

Die Identitäre Bewegung ist eine Strömung innerhalb der Neuen Rechten. In den 60er Jahren entstanden, hat die Neue Rechte die Absicht, rechten Ideologien einen neuen Anstrich zu geben, um sie so gesellschaftsfähiger zu machen. So distanzierten sich neurechte Gruppierungen vom Nationalsozialismus, später auch von den alten Rassentheorien. Die Identitäre Bewegung (IB) entwickelte sich in dieser Tradition. Durch viele popkulturelle Bezüge, trendig-jugendlichem Internetauftritt und von der Linken abgekupferte Aktionsformen wie Besetzungen, Blockaden und Strassentheater, versucht die Identitäre Bewegung ihre Inhalte ansprechend zu vermitteln und ein breites, junges Publikum zu erreichen.

Aufmarsch der Identitären Bewegung.

Was wollen die Identitären? 

Bei der IB ist der Begriff der „Rasse“ praktisch verschwunden. Er wird ersetzt durch einen ethnisierten Kulturbegriff, welcher an die Stelle des „Rasse“-Kon­zepts tritt. Laut der IB sei es die spezi­elle kulturelle und ethnische Substanz, welche die „Europäische Identität“ aus­mache. Das „Europa der Völker“ gilt es gegen die Bedrohung durch einen von ihnen gefürchteten „Grossen Austausch“ und die drohenden „Kanakisierung“ zu verteidigen. Denn die Welt ist in ihren Augen nicht aufgeteilt in soziale Klas­sen, sondern in homogene Völker und Kulturen, die grundsätzlich andersartig und deshalb unvereinbar seien. Diese kulturelle Vielfalt lasse sich nur durch eine strenge Trennung der Kulturen er­halten, durch Grenzschliessung und „Re-migration“, was so viel heisst wie Rückschaffung all derer, die „nicht von hier“ sind. Verpackt werden diese Forde­rungen mit Slogans wie „Defend Europe“ oder „Reconquista“, beides Kampagnen der Identitären in den vergangenen Jah­ren. In diesen Forderungen zeigt sich auch das hässliche Gesicht der Iden­titären. Sie schrecken nicht davor zu­rück, Geflüchtete direkt zu attackieren. Sei dies durch ihre gescheiterte C-Star Boots-Mission, bei der sie versuchten flüchtende Menschen an der Überque­rung des Mittelmeer zu hindern, oder indem sie in den Alpen Geflüchteten und solidarischen Aktivist*innen nachjagten. Denn hinter dem Begriff „Re-migration“ steht nichts anderes als die Absicht, mas­senhaft Menschen zu deportieren, im Meer zu ertränken und Gesellschaften ethnisch zu säubern.

Im Zentrum der Aktionen der IB steht die Medienwirksamkeit, sowie die Verbrei­tung auf eigenen Kanälen in den sozialen Medien, um die öffentliche Meinung und Wahrnehmung zu verändern. Dabei liegt auch ein Fokus auf einer scheinbaren Hegemonie der politischen Korrektheit, welche sie als Einschnitt in die persön­liche Freiheit betrachten und mit einer Verschiebung der Grenzen des „Sag­baren“ bekämpfen wollen. Dabei ähneln sie den Demagog*innen des Rechtspo­pulismus, die sich dabei vergleichbar be­tätigen (siehe Köppel, Trump, Bolsonaro etc.).

Die Identitären und die Unis

In diesem Kontext lässt sich auch das Interesse der IB an den Universitäten erklären. In Deutschland und Österreich sind Vertreter der IB immer wieder im Rahmen von Universitäten aufgetreten. Zum einen sehen sie die Universitäten als linke „Wohlfühlzonen“ und wollen diese auflösen. Zum anderen sehen sich die IB (zumindest teilweise) als rechte intellek­tuelle Avantgarde, welche das scheinbar linke „Establishment“ bekämpft.

Eintritt fanden die Identitären über ihre Verknüpfungen zu den zumeist konser­vativen bis rechtsradikalen Burschen­schaften. So haben sie beispielsweise in Halle in Deutschland ein „rechtes Kul­turzentrum“ direkt neben der Universi­tät gegründet, in dem Veranstaltungen und Diskussionen durchgeführt werden sollen. Zudem führten sie bereits zahl­reiche Veranstaltungen und Aktionen an verschiedenen Universitäten durch, von Ballon-Aktionen bis Veranstaltungsstö­rungen.

Kleber der Identitären an der Universität Zürich.

Woher kommt die Identitäre Bewegung?

Die Identitären mögen sich auf rheto­rischer Ebene noch so stark vom Faschis­mus und der „alten“ Rechten abgrenzen. Ein Blick auf ihre Geschichte und ihre Ver­strickung mit anderen Teilen der Rechts­radikalen zeigt, um was es bei diesen neurechten ideologischen Verrenkungen geht: Ein oberflächliches make-over der­selben rassistischen und völkischen Ideo­logie. Dies wird mehr als deutlich, wenn man sich die Geschichte der Organisa­tionen, aus deren Umfeld die Identitäre Bewegung hervorgegangen ist, anschaut.

Entstanden ist die „Identitäre Bewegung“ in Frankreich 2012 aus Nachfolgestruk­turen einer verbotenen offen faschisti­schen Organisation. Sie breitete sich von Frankreich in den deutschsprachigen Raum aus. Die IB ist in Österreich in den vergangenen Jahren stark gewachsen und organisierte mehrere medienwirksame Aktionen. Sie hat aber auch in Deutsch­land mehrere hundert mehr oder weni­ger aktive Beteiligte. In der Schweiz ist die IB bisher vor allem in der Westschweiz präsent. In der Deutschschweiz trat sie bisher nur vereinzelt auf. Die Identitären sind dabei international stark vernetzt, beispielsweise mit der amerikanischen „Alt-Right“-Bewegung oder der italie­nischen Neonazigruppe „Casa Pound“. Sie sind dabei fähig auf internationaler Ebene gemeinsame Kampagnen zu fahren.

Al Jazeera hat mit versteckter Kamera im Umfeld der “Génération Identitaire” in Frankreich gefilmt und ihr faschistisches Gedankengut entlarvt.

Die Verwicklungen mit der (neo)faschis­tischen Rechten beschränken sich aber nicht auf die französischen Vorgänger­organisationen. Im Gegenteil, trotz der (mal mehr, mal weniger) dezidierten Abgrenzung gegenüber der Neonazis­zene bestehen sowohl in Frankreich als auch im deutschsprachigen Raum viel­fältige Kontakte zwischen Neonazis und den Identitären.

So gehörten einige der wichtigsten Kader der Identitären Bewe­gung in Österreich (z.B. Martin Sellner) zum Alpen-Donau Kreis, welcher die in­zwischen verbotene Neonazi-Website alpen-donau.info, das wichtigste Sprach­rohr der österreichischen Neonaziszene, betrieb. Personelle Überschneidungen und Nähe zur Neonaziszene lassen sich aber auch bei vielen Ablegern der Iden­titären in Deutschland oder der Schweiz feststellen. In Deutschland werden die Identitären sogar offen von Neonazis als „alternative Aktionsform“ bezeichnet, welche eine niederschwellige Verbrei­tung völkischer Politik und Ideologie er­möglichen.

Neuer Auftritt – Alte Grütze

Doch die Identitären verstehen sich nicht nur mit Neonazis bestens, sie pflegen vielerorts enge Beziehungen zu allen möglichen Strömungen der radikalen Rechten. Innerhalb der europäischen Rechten nimmt die Identitäre Bewe­gung also potentiell eine Funktion als Schnittstelle und Verbindungspunkt zwi­schen verschiedenen Strömungen der radikalen Rechten ein. Diese potentielle Scharnierfunktion lässt sich am besten anhand der „Identitären Bewegung Ös­terreich“ veranschaulichen. Dort beste­hen personelle Überschneidungen und enge Kontakte sowohl zu der Konserva­tiven Rechten (z.B. Burschenschaften), den Rechtspopulisten (FPÖ, PEGIDA), den Neurechten Intellektuellen (Institut für Staatspolitik) als auch zu der Neona­ziszene (z.B. Alpen-Donau Ring).

Während die Identitäre Bewegung in der Schweiz nicht annähernd so gross oder so gut organisiert ist wie etwa in Österreich, zeichnet sich doch ab, dass sie auch in der Schweiz als Scharnier zwischen den Rechtspopulisten der SVP, anderer Rechtsextremer Gruppierungen wie z.B. PEGIDA Schweiz und der Neona­ziszene fungieren könnte. 

Doch im Endeffekt ist ihre „neue“ Rheto­rik Schall und Rauch. Denn sie wärmen kalten Kaffee neu auf, um ihn dann in hippe Macciato-Gläser zu füllen. Der In­halt bleibt jedoch der gleiche völkische, rassistische Mist.

Bekämpfen wir ihre Versuche, rechte Ideologien zu verbreiten! Organisieren wir uns auch hier an der Uni gegen rech­te Hetze! 

Meldet euch bei uns, falls ihr weitere Kleber der Identitären findet und nehmt sie am besten gleich selbst ab.


Aus der Hochschulzeitung „Im Übrigen“ der BFS Zürich und der BFS Jugend Zürich. Der Artikel ist eine angepasste Version eines älteren Artikels zur Identitären Bewegung von 2016. „Schweiz: Die Identitären“.

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