Brasilien erlebt zurzeit die schlimmsten Waldbrände seit Jahren. Riesige Waldflächen stehen in Flammen und die Rauchwolken sind so immens, dass sie sogar den Himmel über São Paolo verdunkelten. Besonders tragisch: Die Brände wurden absichtlich gelegt, um neue Acker- und Landwirtschaftsflächen zu schaffen und in geschützten Gebieten vollendete Tatsachen zu schaffen. Mit insgesamt 72.843 verzeichneten Bränden seit Januar 2019 haben Feuer und Brandrodungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 83% zugenommen. Auch längerfristige Zahlen belegen, dass sich ein Desaster anbahnt: Zwischen August 2018 und Juli 2019 sind rund 6830 Quadratkilometer neu entwaldete Flächen hinzugekommen. Allein ein Drittel dieser Rodungen geschahen im Juli 2019. Grob geschätzt bedeuten die Daten, dass in Brasilien derzeit im Durchschnitt jede Minute eine Waldfläche von der Grösse dreier Fussballfelder verschwindet.
von Sarah Friedli (BFS Jugend Zürich)
Seit Mitte August kann nunmehr auch die Öffentlichkeit sehen, was die Rodungen und Brände im Amazonasgebiet Brasiliens für fatale Folgen haben. Seit fast drei Wochen fressen sich die Brände nun bereits in die Wälder hinein und zerstören Lebensgrundlagen für Mensch und Tier und zerstören ein Ökosystem von unschätzbarer globaler Bedeutung. Nicht nur das Leben im Wald selber ist bedroht, sondern auch daran angrenzende Gebiete und Metropolen. Am Montag konnte man in der 2000 Kilometer entfernten Stadt São Paulo eine apokalyptische Szene beobachten: Mitten am Tag verdunkelte sich der Himmel durch die Rauchwolken und schwarzer Regen ergoss sich über die Stadt. Untersuchungen bestätigten, dass der Regen Brandrückstände enthielt.
Wieso brennt der Amazonas?
Schuld an den Bränden sind in jedem Fall Menschen – absichtlich oder nicht. Viele Landwirt*innen benützen bewusst gelegte Feuer zur illegalen Rodung des Waldes. Sie brauchen immer neue Flächen für die Viehzucht und den Sojaanbau. Damit wird die exportorientierte brasilianische Landwirtschaft am Laufen gehalten. Die gerodeten Böden des Amazonas sind jeweils nach wenigen Jahren intensiver Nutzung so ausgelaugt und unbrauchbar, dass ständig neue, noch nicht landwirtschaftlich genutzte Flächen erschlossen werden müssen.
Der seit Januar 2019 amtierende brasilianische Präsident Jair Bolsonaro gilt als Klimawandelleugner und Förderer der Agrarindustrie. Und somit haben die Landwirt*innen auch keine Konsequenzen für ihre formal zumeist illegalen Rodungen zu befürchten. Im Gegenteil: Bolsonaro bezeichnet lieber die NGO’s, welche auf die Brände aufmerksam machen wollen, als Lügner und entliess den Chef der nationalen Behörde INPE[1], welcher Zahlen und Fakten zu den Rodungen veröffentlichte.
SOS Amazonia!
Zürich: Brasilien erlebt zur Zeit die schlimmsten Brandrodungen seit Beginn der Aufzeichnungen. Solidarisieren wir uns morgen Freitag, 23.08.19 mit den indigenen Völkern in ihrem Kampf gegen Umweltzerstörung, indem wir uns um 12:15 Uhr auf dem Zürcher Platzspitz beim Rondell treffen! Bringt Schilder, Transpis und Dinge um Lärm zu machen.
Die derzeitige anhaltende Trockenperiode begünstigt die Brände und macht die Löscharbeiten deutlich schwieriger. Der Südosten Brasiliens leidet seit einigen Jahren unter enormer Trockenheit, weil es immer weniger regnet. Für den ausbleibenden Regen machen Wissenschaftler*innen den Rückgang der Wolkenbildung über dem westlichen Amazonasbecken verantwortlich, weil es dort keine ausreichend grossen Waldflächen mehr gebe. Sie wurden für Viehweiden, Eukalyptus-Plantagen und Sojafelder abgeholzt.
Die Entwicklungen sind ausser Kontrolle
Es scheint also einen spiralförmigen Verlauf der Zerstörung zu geben: Wald wird abgeholzt, weil durch die extreme Belastung der Böden und das Wachstumsstreben mehr Landwirtschaftsfläche benötigt wird. Die Abholzungen haben Dürren und Trockenheit zur Folge, weil es über den landwirtschaftlichen Flächen zu weniger Wolkenbildung kommt und dadurch weniger Regen fällt. Die Dürre beschleunigt die Brände, welche zur Rodung gelegt werden und lässt sie komplett ausser Kontrolle geraten, womit noch mehr Fläche des Amazonas vernichtet wird (was wiederum mehr Dürre und eine grössere Belastung für die Böden bedeutet).
Da die Brände gerade in den letzten Wochen komplett ausser Kontrolle gerieten, zerstören sie auch Naturschutzgebiete und Gebiete in denen Indigen@s wohnen. Diese Indigenen-Reservate machen 13% der Landesfläche Brasiliens aus und sind enorm wichtig für den Schutz des Waldes sowie als Lebensgrundlage der indigenen Bevölkerung. Doch anstatt die Indigen@s und ihre Lebensräume und -Grundlagen zu schützen, befeuert Bolsonaro die immer gewaltsameren Auseinandersetzungen zwischen Ureinwohner*innen auf der einen und Holzfäller*innen und Goldgräber*innen auf der anderen Seite: Er ernannte den Polizisten Marcelo Xavier zum Chef der Schutzbehörde Funai[2]. Xavier hat beste Verbindungen zur Agrarindustrie. Es scheint klar, wessen Interessen dieser vertreten wird.
Die so schnell und aggressiv voranschreitende Abholzung und Vernichtung des Amazonas hat auch globale Auswirkungen. Der Amazonas gilt als «Lunge der Erde». Er verarbeitet jährlich mehr als zwei Milliarden Tonnen CO2 und produziert etwa einen Fünftel des weltweit verfügbaren Sauerstoffs. Doch die wichtigste Funktion des Amazonaswaldes ist seine gigantische Kapazität, CO2 zu speichern. Seine Milliarden von Bäumen halten Treibhausgase zurück, die 140 Jahren industrieller Aktivität entsprechen. Ihre Freisetzung würde einer «CO2-Bombe» gleichen. Angesichts der unmittelbaren Gefahr der sogenannten «tipping points» kann einem das nur Angst einjagen.
Fussnoten:
[1] Das Nationale Institut für Weltraumforschung (INPE) nutzte ab 1988 Satellitenbilder, um die Abholzungen im Amazonas zu beobachten.
[2] Die Funai ist die Behörde, die für ihre Belange und den Schutz der Reservate zuständig ist.
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