In diesem Jahr wird es am 8. März wieder massive Mobilisierungen zahlreicher feministischer Kollektive auf der ganzen Welt geben – von Haiti über Sri Lanka, der Schweiz, Argentinien, Spanien, Großbritannien, Belgien, Polen ist die Liste der beteiligten Länder lang und wird immer länger.
von Marijke Colle; aus sozonline.de
Die wichtigsten Themen des diesjährigen Internationalen Frauentags sind dieselben wie in den Vorjahren: Gewalt gegen Frauen und Frauenmorde; Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper; freie Verhütung und Schwangerschaftsabbruch; gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz; Recht auf Scheidung, gegen Zwangsverheiratung; gegen Frauenhandel und Kriegsgewalt an Frauen; gegen Armut und Prekarität, unter der vor allem Frauen zu leiden haben; gegen den Abbau der öffentlichen Dienste und die neoliberale Privatisierungspolitik, vor allem im Bereich der Gesundheitsversorgung, der Bildung und der personennahen Dienstleistungen.
Die massive Beteiligung von Frauen in den vergangenen Jahren an den Straßenprotesten ist beeindruckend: 2019 nahm eine halbe Million Frauen an einem Aktionstag in der Schweiz teil – sein Umfang und seine gesellschaftliche Breite hat alle überrascht. Tausende Frauen gingen in Indien auf die Straße gegen ihre Terrorisierung durch Vergewaltigung und sexuelle Übergriffe. Über 5 Millionen Frauen und Männer streikten am vergangenen 8. März in Spanien.
Frauen sind nicht länger schwache Opfer. Im Gegenteil, sie spüren immer mehr, wie dringend es ist, gemeinsam auf die Straße zu gehen und sich gegen Unrecht und Ungleichheit zu organisieren. In den letzten fünf Jahren haben wir ein Wiederaufleben der internationalen feministischen Bewegung erlebt, die beeindruckt durch ihre neuen Aktionsformen und ihre vertiefte Analyse der produktiven und reproduktiven Arbeit.
Ein Feminismus der 99 Prozent
Der bürgerliche Feminismus der kapitalistischen Eliten wird überall angeprangert. Der berühmte «gläserne Deckel» und die Karriere von Vorstandsfrauen geht uns nichts an.
Stattdessen arbeiten Frauen an einer starken, internationalen Allianz der 99 Prozent: Frauen aus dem Volk, prekär Beschäftigte im informellen Sektor, die «unsichtbaren Hände» im Reinigungsgewerbe, die Sexarbeiterinnen und Haushaltshilfen, die weder Arbeitsverträge noch eine Absicherung haben, aber auch die Frauen im Gesundheitssektor, die Erzieherinnen, Lehrerinnen, Bäuerinnen…
Frauenstreik
Eine neue Frauengeneration hat die Idee des Streiks aufgegriffen und gibt ihm einen neuen Sinn. Frauenstreiks werden sowohl am Arbeitsplatz als auch in der Pflege, an der Uni oder im Bereich der Hausarbeit organisiert. Sie demonstrieren eindrücklich, dass ohne die Arbeit der Frauen die Welt stillsteht.
Im vergangenen Jahr war der Frauenstreik vor allem in Spanien erfolgreich, weil dort die wichtigsten linken Gewerkschaften den Streik unterstützt haben. In mehreren Ländern werden gerade engere Bande zu den Organisationen der Arbeiterbewegung geknüpft. Es sind die aktiven Gewerkschaftsfrauen die häufig, mit Unterstützung feministischer Kollektive, erreichen, dass ihre Gewerkschaft den Frauenstreik unterstützt. Gewerkschaftsmitglieder bekommen damit die Möglichkeit, am 8. März ebenfalls zu streiken und ihre besonderen Forderungen vorzutragen. So stärkt die Frauenbewegung sowohl die gewerkschaftlichen wie auch die feministischen Kämpfe.
Die Idee vom Frauenstreik stellt ausdrücklich eine Verbindung zwischen den ökonomischen Kämpfen aus den für die Eigentümer oder den Staat «produktiven» Sektoren und den Kämpfen im Reproduktionssektor her, wo Frauenarbeit häufig «gratis» und unsichtbar geleistet wird, da die Frauen sie mehrheitlich im Rahmen der Familie vollbringen.
Es entwickelt sich eine feministische Vision von einer anderen Wirtschaftsweise. Diese rückt die Reproduktionsarbeit ins Zentrum der gesellschaftlichen Bedürfnisse und Tätigkeit. Arbeit soll nicht länger der Generierung von Profit dienen, sondern der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Es geht darum, die bestehende geschlechtsspezifische Arbeitsteilung mit ihrem machistischen und diskriminierenden Verständnis von Arbeit in Frage zu stellen.
Eine andere Wirtschaftsweise
Menschliche Bedürfnisse und soziale Beziehungen: Geht man nicht vom Profit, sondern von den Bedürfnissen aus, kommt man zu einer ganz anderen Sicht auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, auf die Beziehungen zwischen Frau und Mann und zwischen Mensch und Natur. Sie erlaubt uns, die vorherrschende Logik der kapitalistischen Wirtschaftsweise, aber auch alle anderen Formen der Ausbeutung und Unterdrückung anzuprangern: der Frauen, der ethnischen Minderheiten, der Migrantinnen, sexuellen Minderheiten, der indigenen Völker…
Dieser Feminismus bezieht bewusst alle diese Realitäten von Ausbeutung und Unterdrückung mit ein, er versteht sich eben als «für die 99 Prozent». Er baut mit Hilfe der Mobilisierungen Brücken der Solidarität und schärft das Bewusstsein dafür, dass eine andere Welt möglich sein muss mit und für jene, die keine Macht haben.
Die Kämpfe der Frauen sind auch ein Beispiel für andere soziale Bewegungen, allen voran der Bewegung gegen die Klimaerwärmung. Hier wie dort sind es die jungen Frauen, die die Initiative zu den großen Mobilisierungen für den Erhalt der Ökosysteme und einem wirklich lebenswerten Leben auf der Erde ergreifen.
In der Schweiz kommt es am Wochenende vom 7. und 8. März zu diversen Aktionen und Demonstrationen. Einige davon findest du in unserer Agenda. Weitere Infos finden sich bei den jeweiligen Frauen*streik-Kollektiven in den Städten und Regionen.