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Schweiz: In der Kinderbetreuung war schon vor Corona Notstand!

Nun ist es hochoffiziell: Kitas sind systemrelevant. Was Eltern und Fachkräfte längst wissen, wird anhand der aktuellen Krise endlich anerkannt. Leider und im Gegensatz zur Bankenkrise, in welcher auch diese als systemrelevant eingestuft wurden („too big to fail“), wird die Kinderbetreuung jedoch nicht mit Paketen in Milliardenhöhe gerettet.

von Trotzphase und BFS Zürich

In Bezug auf die Kitas heisst es: Sie sind privat und müssen halt selbst schauen, wie sie über die Runden kommen. Darunter leiden im Fall der Kitas hauptsächlich die Eltern und die Mitarbeitenden. Während viele Eltern ihre Kinder momentan Zuhause neben Homeoffice (!) betreuen müssen, bezahlen sie ihre hohen Beiträge weiter, andernfalls fallen diese bei den Kitas aus – eine höchst prekäre Situation für alle.Deshalb fordern wir per sofort die Überführung aller Kitas ins öffentliche Bildungswesen, unter Einbezug der Kinderbetreuer*innen und Eltern. Nur so kann die Frühe Bildung pädagogische Qualität erlangen und die Eltern sinnvoll entlastet und unterstützt werden – auch über diese Krise hinaus.

Zu wenig Personal + zu viele Kinder = Stress für alle

Die Tage in den Kindertagesstätten (Kitas) bedeuten für Betreuer*innen und auch für die Kinder oftmals übermässige Belastung und Stress. Ein zentrales Problem ist der Betreuungsschlüssel: überall herrscht Personalmangel und die Kitas funktionieren nur durch starken Einsatz von Lernenden und Praktikant*innen. Der Sinn einer Lehre oder eines Praktikums – nämlich, dass die unerfahrene Person etwas lernen kann – bleibt dabei komplett aussen vor. Denn meistens gibt es pro Kindergruppe nur eine ausgebildete Person und die kann sich neben den Kindern nicht auch noch um Lernende kümmern.

Die GAIMH (Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der Frühen Kindheit) empfiehlt einen Betreuungsschlüssel von 1:2,5 bei Säuglingen und Kindern von 0-2 Jahren, 1:4 bei 3-Jährigen und 1:5 bei 4-6-Jährigen. Diesen dringlichen Empfehlungen zuwider sind auf 1 ausgebildete Betreuungsperson jedoch 7 Kinder erlaubt. Sind es mehr Kinder, so braucht es eine zweite betreuende Person in dieser Gruppe. Diese muss jedoch keine Ausbildung im Bereich der Betreuung haben. So kommt es, dass unerfahrene Personen die Verantwortung über eine Gruppe von 10-14 Kindern mittragen.

Neben der pädagogisch höchst anspruchsvollen Arbeit, müssen zusätzlich etliche organisatorische & haushälterische Arbeiten von den Angestellten erledigt werden, was zu enormen Mehrfachbelastungen führt.

Das Ganze gipfelt in miserablen Löhnen, von welchen häufig noch die täglichen Mahlzeiten, die während der Arbeitszeit eingenommen werden, abgezogen. Daher ist unschwer zu erahnen: Trotz hoher Ausbildungszahlen herrscht ständig Personalmangel und enorme Personalfluktuation.

Rechtlich-politische Situation

Bei den Kitas gibt es auf rechtlicher Ebene einige Probleme: Die als Unternehmen organisierten Kitas schalten und walten weitgehend wie sie wollen – obwohl es eine Kontrollstelle gäbe. Es gibt etwa bei der städtischen Kontrollbehörde viel zu wenig Aufsichtspersonal und so kommt es, dass durchschnittlich alle 2 Jahre eine Kontrolle durchgeführt wird, die überdies noch angemeldet ist. Das führt zum Szenario, dass die Arbeitgeber*innen für den Kontrolltag das ganze Personal aufbieten, Anwesenheitslisten der Kinder werden angepasst, wenn die Kitas überbelegt sind und zum Teil werden sogar einige Betreuer*innen mit ihren Kindergruppen auf einen Ausflug schicken, damit es so aussieht, als ob die Kinder viel Platz und genug Betreuungspersonal hätten.

Die Bildungsdirektion Zürich ist dabei, Verordnungen durchzubringen, nach welchen der Betreuungsschlüssel ein weiteres Mal erhöht werden soll. Und zwar von 2 zu 11 auf 2 zu 12. Der Dachverband kibesuisse, der VPOD und auch die Betreuer*innen sind sich einig: Es kommt bei der Durchsetzung dieser Verordnungen ein Mal mehr zur Verschlechterung der Betreuungsqualität.

«Weil Kinder mehr Zeit brauchen»

Diesen Entwicklungen stellte die Trotzphase auf institutioneller Ebene Alternativen entgegen. Dies etwa anhand der 2019 bei der kantonalen Bildungsdirektion eingereichten Petition „Weil Kinder mehr Zeit brauchen“. Die darauf folgende Stellungnahme der Regierungsrätin Silvia Steiner (CVP) fiel ernüchternd aus. Gewisse Forderungen seien zwar nachvollziehbar, jedoch wies sie jegliche Zuständigkeit von sich und dem Kanton. Doch das wird nicht untätig hingenommen von den Betreuer*innen.

Die Trotzphase ruft am 26. September 2020 zur lautstarken Demonstration für mehr Wertschätzung gegenüber der Kinderbetreuung auf! Gemeinsam mit Eltern, Grosseltern, FaBe’s, Sozialpädagog*innen, Tagesmüttern und Babysitter*innen kämpfen wir für längst hinfällige Veränderungen und machen unsere Forderungen laut!

Trotzphase

Die TrΩtzphase ist eine Gruppe ausgebildeter und angehender Fachpersonen aus der familienergänzenden Kinderbetreuung, die gegen die prekären Arbeitsbedingungen in den Kitas und Horten ankämpft. Wir haben genug von mangelnder Wertschätzung für unsere Arbeit, tiefen Löhnen, zu wenig Personal, chronischer Unterfinanzierung und Sozialabbau! Wir wollen gehört werden und gesellschaftlich sichtbar werden. Wir wollen uns organisieren um gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, sodass auch eine professionelle Betreuung der Kinder garantiert werden kann. Mehr Informationen unter trotzphase.ch.

Bewegung für den Sozialismus

Die Bewegung für den Sozialismus (BFS/MPS) ist eine schweizweit aktive antikapitalistische Organisation. Die aktuelle gesellschaftliche Krise hat ihre Ursache nicht nur im Corona-Virus, sondern in der Funktionsweise der kapitalistischen Gesellschaft, in der Profit mehr zählt als unsere Gesundheit. Deshalb kämpfen wir für die Überwindung des Kapitalismus und für eine ökosozialistische, feministische Alternative. Mehr Informationen unter sozialismus.ch.

Dieser Text wurde am 1. Mai 2020 in Zürich als Flyer verteilt. Die Transparente wurden ebenfalls am Tag der Arbeit in Zürich aufgehängt.

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1 Kommentar

  1. Pingback:Zürich: Das war der 1. Mai 2020 ‹ BFS: Sozialismus neu denken – Kapitalismus überwinden!

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