Die Anstellungsverhältnisse in der Kinderbetreuung sind miserabel. Die neoliberale Sparpolitik der letzten Jahrzehnte hat die Qualität der gesellschaftlich notwendigen und wertvollen Arbeit der Kinderbetreuung permanent verschlechtert, die sozialen Bindungen zerstört und ökonomische Verwertbarkeit als höchste Priorität gesetzt. Wir haben mit Betreuer*innen über die Zustände gesprochen. Dabei wurde klar: Für eine umfassende und verantwortungsvolle Betreuung braucht es mehr Qualität in den Kitas und Horten – gerade in Krisensituationen wie während des Corona-Virus.
von Sarah Friedli (BFS Jugend Zürich) im Gespräch mit Betreuer*innen der Trotzphase; aus antikap
„- Was arbeitest du?
– Ich bin Kinderbetreuerin.
– Ach schön, den ganzen Tag ein wenig mit Kindern spielen, das stelle ich mir toll vor.“
So laufen viele Gespräche ab, die FaBes (Fachpersonen Betreuung) über ihre Arbeit führen. Oft haben Menschen das Gefühl, Kinderbetreuung sei, die Kinder einfach ein wenig zu beschäftigen, mit ihnen zu spielen. Es wird davon ausgegangen, dass dies jede Person tun könnte. Und es wird gerne kleingeredet, dass der Beruf der Kinderbetreuung weit darüber hinausgeht und eigentlich einen wertvollen pädagogischen Auftrag hat.
Der Beruf der FaBes stellt dabei aber keinen Einzelfall dar – viele sogenannte feminisierte Berufe werden konstant abgewertet und schlecht bezahlt. Es sind Berufe in den Bereichen Pflege, Betreuung, Reinigung etc. Es sind Berufe, die in erster Linie dringend notwendig für die Gesellschaft sind, jedoch für die Marktwirtschaft keine Profite abwerfen.
So wird der Beruf der Kinderbetreuung nicht nur viel zu wenig geschätzt und respektiert. Die Bedingungen der Horte und Kindertagesstätten (Kitas) werden im Zuge einer marktwirtschaftlichen Logik auch noch ständig verschlechtert – mit dem Ziel, sie einem profitorientierten Wettbewerb zu unterwerfen und möglichst gewinnorientiert zu gestalten.
In den letzten Jahrzehnten des neoliberalen Kapitalismus wurden unzählige Errungenschaften vergangener Arbeiter*innenkämpfe zunichte gemacht. Der Service Public wurde ständig privatisiert und abgebaut, darunter fallen auch die öffentliche Bildung und Betreuung von Kindern. Der Spardruck und die Privatisierung führten zur immer stärkeren Kommodifizierung von Betreuungsaufgaben, weil sich die Krippen und Horte der marktwirtschaftlichen Profitlogik ausgesetzt sehen. Was das für Auswirkungen auf die Kinder und die Angestellten in diesem Bereich hat, ist fatal.
Ein dystopisches Beispiel zeigte die Globegarden-Recherche[1] der Republik auf: Darin berichten verzweifelte Betreuer*innen von zu wenig Essen für die Kinder, von Unfällen aufgrund des Personalmangels, von einem enormen Spardruck, von verloren gegangenen Kindern und miserablen Löhnen. Es handelt sich bei Globegarden um eine von vornherein profitorientierte Kette von Kinderkrippen. Doch diese Zustände in den Globegarden-Kitas sind leider keine Ausnahme. Im Gegenteil: In allen Kitas, ob privat oder staatlich, treten – mal schlimmer, mal weniger schlimm – ähnliche Probleme auf.
Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf Berichte der Gruppe «Trotzphase». Aus diesem Grund sind die Probleme und die Art und Weise, wie die Kitas politisch-rechtlich eingegliedert sind, auf den Kanton Zürich bezogen. Die Probleme, mit welchen die FaBes zu kämpfen haben, gibt es jedoch in allen Kantonen in ähnlichen Formen. Um diese Probleme sichtbar zu machen und konkrete politische Antworten darauf zu finden, hat sich die Gruppe Trotzphase gegründet.
Wer ist die «Trotzphase»
Die Trotzphase ist eine Gruppe von ausgebildeten und angehenden Fachpersonen Betreuung (FaBe), Erzieher*innen und Sozialpädagog*innen, welche sich im Kontext der Proteste gegen die Sparmassnahmen 2016 gebildet hat. Denn wie bei allen Sparprogrammen war auch 2016 der Bereich der Betreuung und Bildung stark betroffen. Dagegen organisierten sich die FaBes. Mittlerweile sind viele von ihnen Mitglied der Gewerkschaft VPOD geworden und so kann die Gruppe teilweise deren Ressourcen nutzen. Die Gewerkschaft unterstützt die Anliegen der Trotzphase punktuell.
Die Trotzphase besteht aus einer Kerngruppe und drei daran angegliederten Arbeitsgruppen zu den Bereichen Politik, Soziale Medien und Veranstaltungen. Während die AGs Soziale Medien und Veranstaltungen vor allem dazu da sind, mit Menschen im Alltagsleben ins Gespräch zu kommen, beschäftigt sich die AG Politik mit Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation auf institutioneller Ebene. Diese AGs sind offen für Mitarbeit von Interessierten. Daneben gibt es noch eine Hort-Gruppe vom VPOD, die sich mit der Situation in Horten und Tagesschulen auseinandersetzt. Die Betreuer*innen thematisieren allfällige Probleme auch in der Kita mit den Kindern. Das ist wichtig, denn nur so können die Unbehagen und Bedürfnisse der Kinder erkannt werden, um die es in der Betreuung ja primär gehen soll. Die Gruppe hat es sich darum auch zum Ziel gemacht, mit den Eltern ins Gespräch zu kommen und ein solidarisches Verhältnis aufzubauen. Denn von der Spar- und Profitlogik sind Kinder, Eltern und Betreuer*innen betroffen. Eines der grössten Probleme ist der strukturelle Personalmangel.
Zu wenig Personal + zu viele Kinder = Stress für alle
Die Tage in der Kinderkrippe bedeuten für Betreuer*innen und auch für die Kinder oftmals übermässige Belastung und Stress. Ein zentrales Problem ist der Betreuungsschlüssel: Überall herrscht Personalmangel und die Kinderkrippen funktionieren nur durch starken Einsatz von Lernenden und Praktikant*innen. Der Sinn einer Lehre oder eines Praktikums – nämlich, dass die unerfahrene Person etwas lernen kann – bleibt dabei komplett aussen vor. Denn meistens gibt es pro Kindergruppe nur eine ausgebildete Person und die kann sich neben den Kindern nicht auch noch um Lernende kümmern.
Die GAIMH (Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der Frühen Kindheit) empfiehlt einen Betreuungsschlüssel von 1:2,5 bei Säuglingen und Kindern von 0-2 Jahren, 1:4 bei 3-Jährigen und 1:5 bei 4-6-Jährigen. Wichtig seien aber auch der Umfang, die Zusammensetzung und die Kontinuität der Kindergruppe, die es dem Kind ermöglichen, mit anderen Kindern und den Erziehenden vertraut zu werden und persönliche Beziehungen einzugehen. Heutzutage sind auf eine ausgebildete Betreuungsperson jedoch sieben Kinder erlaubt, sind es mehr Kinder, so braucht es eine zweite betreuende Person in dieser Gruppe, diese muss jedoch keine Ausbildung im Bereich der Betreuung haben. Deswegen werden so viele Lernende oder Praktikant*innen angestellt. So kommt es, dass Personen, welche noch keinen einzigen Tag pädagogische Ausbildung genossen haben, die Verantwortung über eine Gruppe von 10-14 Kindern mittragen. Diese Lernenden werden dann aber meistens für Aufgaben wie Kochen oder Putzen eingeteilt und die ausgebildete Person ist mit den Kindern wieder alleine.
Bleiben wir mal kurz bei der Ausbildung: Zum einen ist diese für die Betreuung von allen Altersstufen von Kindern zwischen 4 Monaten und 16 Jahren die gleiche, obwohl die Aufgaben sich massgeblich unterscheiden. Des weiteren ist die Ausbildung auch wegen der oben beschriebenen Situation derart stressig, dass ein grosser Teil der Auszubildenden schon während oder kurze Zeit nach Beendigung der Ausbildung den Bereich wieder verlassen. Deswegen ist es ein weitverbreitetes Phänomen, dass zwar viele junge Menschen die Ausbildung zu Kinderbetreuer*innen anfangen, langfristig jedoch kaum jemand in dem Beruf bleibt: So sind zum Teil diejenigen, die ein Jahr Praktikum und drei Jahre Lehre machen mit vier Jahren am längsten in der Kita und tragen mit jungen Jahren Verantwortung für das ganze Team. Es herrscht also trotz hoher Ausbildungszahlen ständig Personalmangel und enorme Fluktuation in den Betreuungsteams. Diese vielen Wechsel sind gerade für kleinere Kinder unheimlich anstrengend und nicht entwicklungsfördernd.
Alltag Dauerbelastung
Für die Betreuenden bedeutet der strukturelle Personalmangel, dass sie ständig verschiedenen Aufgaben gleichzeitig nachgehen müssen: auf die Kinder schauen, Listen kontrollieren, das Essen vorbereiten, WC oder Küche putzen, Spielzeuge aufräumen, die Kinder pflegen, wenn sie krank sind oder sich verletzt haben, mit den Eltern telefonieren, und, und, und. Gerade wenn beispielsweise eine Grippe umgeht, erzählen die FaBes der Trotzphase, dass sie ständig den Fiebermesser in der einen und das Telefon mit den Eltern dran in der anderen Hand halten. Viele Eltern arbeiten in prekären Beschäftigungsverhältnissen oder haben Karriere und können deshalb auch nicht jederzeit vorbeikommen, um das Kind abzuholen.
Der Druck ist sogar so gross, dass Betreuer*innen häufig zur Arbeit gehen, auch wenn sie krank sind, weil sie das schlechte Gewissen gegenüber den Mitarbeitenden plagt. Denn wenn eine Betreuungsperson ausfällt, ist es für die anderen kaum noch möglich den Betrieb aufrecht zu erhaltten. Und im Gegensatz zu den städtischen Horten und Kitas gibt es in den meist privatwirtschaftlich organisierten Kitas kaum Pools an Stellvertreter*innen. Diese Stresssituationen führen dazu, dass sich Betreuer*innen und Eltern gegenseitig misstrauen, obwohl das Grundproblem System hat. Denn so wie Kinderbetreuung heute organisiert ist, ist sie eben nur auf das Stillen der Grundbedürfnisse anstelle des Erfüllens eines Betreuungsauftrags ausgerichtet – alles andere ist nicht rentabel.
Diese Situation ist nicht nur für die Betreuer*innen in der Tagesstätte eine grosse Stressbelastung, sondern ebenso oder fast noch mehr für die Kinder: Wenn ein Kind etwas von einer Betreuer*in will, – ob es nun eine Geschichte erzählen oder etwas fragen will, Begleitung für aufs WC braucht oder Hunger hat – muss es ständig warten, denn die Betreuer*in ist ja gerade mit anderen Dingen beschäftigt – mit Dingen, die eigentlich nichts mit ihrer pädagogischen Kompetenz zu tun haben. Dazu würde es eigentlich gehören, den Kindern zuzuhören, ihnen Verhaltensregeln und sozialen Umgang beizubringen, sie bei ihrer Entwicklung zu fördern und vieles mehr. Und nicht, zu putzen, aufzuräumen, zu kochen oder Listen auszufüllen. Wenn sie aber alle diese Dinge auch noch erledigen müssen, dann wird gezwungenermassen Zeit und Energie bei der Betreuung eingespart. Weniger Zeit und Energie für die Kinder führen auch oft dazu, dass eine stressige Stimmung entsteht, der sich die Kinder auch nicht entziehen können.
Und hiermit sprechen wir ein weiteres Thema an: der Platz. Wenn wenige Betreuer*innen auf grosse Kindergruppen aufpassen müssen, sind auch oftmals viele Kinder im selben Raum. Oftmals haben Kitas sowieso nicht so viele Räumlichkeiten, denn Räume kosten und in der Logik des Profits und im Kontext des Sparzwangs wollen Betreiber*innen möglichst viele Kosten einsparen. So kommt es, dass beispielsweise eine Betreuerin der Trotzphase in einem Hort arbeitete, in der es gerade mal zwei Räume gibt. Dabei wird der eine Raum für die Essenszubereitung genutzt. Es sind also tagtäglich bis zu 30 Kinder in einem einzigen Raum. Der Lärm wird dabei unaushaltbar – für Kinder und Betreuungspersonen. Eine andere Betreuerin hat eines Tages den Lärm gemessen, das Ergebnis war erschreckend: Der Lärmpegel hat die Vorschriften von Baustellen überschritten. Dieser Vergleich wurde gemacht, weil es für die Kinder- krippen nicht einmal gesetzliche Richtlinien gibt, was den Lärm betrifft. Es müsste – im Falle einer Baustelle – also mit Kopfhörern gearbeitet werden. Das geht natürlich für eine Kinderkrippe nicht. Doch nicht nur der Lärm ist ein auf Platzmangel zurückzuführendes Problem, sondern auch der Fakt, dass es mit nur einem Raum keine Rückzugsmöglichkeit für die Kinder gibt. Das ist fatal. So können die Kinder keinen Moment zur Ruhe kommen und sind dauernd und hilflos der Lärmbelastung ausgesetzt.
Es zeigt sich immer wieder: die gesellschaftlich wertvolle und notwendige Betreuungsarbeit wird im Kapitalismus nicht wertgeschätzt, herabgesetzt und vernachlässigt. Denn sie wirft kein Geld ab. Kinder können nicht verwertet werden und darum haben diejenigen, die sich um unsere Kinder kümmern, miserable Arbeitsbedingungen, schlechte Löhne oder arbeiten gar gratis (Stichwort unbezahlte Care-Arbeit), während diejenigen, die sich um unser Geld kümmern, grosse Boni und hohes Ansehen geniessen. Ein*e Betreuer*in, welche*r drei Jahre Ausbildung hinter sich hat, verdient als Vertretung in einer Kita 4200.- CHF, wovon ihm*r dann in vielen Fällen noch das Geld für Essen abgezogen wird. Wo nicht genau hingeschaut wird, wird versucht, einzusparen, wegzurationalisieren und möglichst wenig Geld für die Arbeiter*innen auszugeben. Dies ist die Logik eines Gesellschafts- und Wirtschaftssystems, in dem primär die Verwertbarkeit von Dingen zählt.
Rechtlich-politische Situation
Grundsätzlich ist die Betreuung von Kindern und Jugendlichen in zwei Bereiche unterteilt. Die Kinderbetreuung und die Betreuung in Horten und Tagesschulen, die parallel zum Schulunterricht verlaufen. Logischerweise gehören die Horte und Tagesschulen somit auch dem Schul- und Sportdepartement an und sind vorwiegend städtisch organisiert. Dem gegenüber gehören die meist privat[2] geführten Kitas dem Sozial- und Sicherheitsdepartement an. Somit laufen ein paar Dinge in den Horten- und Tagesschulen anders (mehr dazu im Kasten).
Bei den Kitas gibt es auf rechtlicher Ebene einige Probleme: Beispielsweise haben Betreuer*innen keinen Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Die Anstellungs- und Arbeitsbedingungen sind also den Unternehmen überlassen und diese sind nach kapitalistischer Logik immer daran interessiert, möglichst wenig Geld für die Arbeiter*innen auszugeben. Die als Unternehmen organisierten Kitas schalten und walten wie sie wollen und obwohl es eine Kontrollstelle gäbe, müssen sich die Unternehmer*innen davor nicht wirklich fürchten. Die Krippenaufsicht der Stadt Zürich ist keine grosse Hilfe. Es gibt viel zu wenig Aufsichtspersonal und so kommt es, dass durchschnittlich alle 2 Jahre eine Kontrolle durchgeführt wird, die überdies noch angemeldet ist. Das führt zum Szenario, dass die Arbeitgeber*innen für den Kontrolltag das ganze Personal aufbieten und zum Teil sogar einige Betreuer*innen mit ihren Kindergruppen auf einen Ausflug schicken, damit es so aussieht, als ob die Kinder viel Platz und genug Betreuungspersonal hätten.
Weil seit einigen Jahren das Thema Kinderbetreuung auch im Zuge der feministischen Bewegung vermehrt diskutiert wird, gab es in letzter Zeit auch einige Vorstösse und Anpassungen auf politisch-parlamentarischer Ebene, jedoch eher zu Ungunsten der Betreuer*innen und Kinder. Der Regierungsrat hat anfangs 2019 die Bildungsdirektion ermächtigt, eine Vernehmlassung von drei neuen Verordnungen durchzuführen. Laut diesen Verordnungen soll der Betreuungsschlüssel ein weiteres Mal erhöht werden. Und zwar von 2 zu 11 auf 2 zu 12, wobei weiterhin nur eine Person ausgebildet sein muss. Die kibesuisse, der VPOD und auch die Betreuer*innen sind sich einig: Es kommt bei der Durchsetzung dieser Verordnungen zu massiven Verschlechterungen der Qualität aufgrund der Erhöhung der Gruppengrösse. Diese drei Verordnungen hätten gleichzeitig mit dem neuen Kinder- und Jugendhilfegesetz am 1. Januar 2020 in Kraft treten sollen, da die Umsetzung jedoch noch nicht ausgearbeitet wurde, sind sie noch pendent. Auch hat die SVP gemeinsam mit der CVP einen Vorstoss gemacht, welcher weniger Richtlinien und mehr unternehmerische Freiheiten für die Kitas fordert. Der Vorstoss wurde angenommen, doch auch hier ist die Umsetzung noch nicht ausgearbeitet. Das heisst, es ist noch nicht ganz klar, was in nächster Zeit noch kommen wird.
«Weil Kinder mehr Zeit brauchen»
Diesen Vorstössen und Verordnungen stellt die Trotzphase auf institutioneller Ebene Alternativen entgegen, die eine Verbesserung der Betreuungssituation einfordern. Dazu gehören die im Juli 2019 an die Bildungsdirektion übergebene Petition «Weil Kinder mehr Zeit brauchen» sowie das im Februar 2020 stattgefundene Gespräch mit dem Stadtrat und Vorsteher des Departements für das Sozialwesen, Raphael Golta. Die Petition «Weil Kinder mehr Zeit brauchen» forderte einen GAV, jährlich vollumfängliche Qualitätskontrollen sowie bessere Arbeitsbedingungen. Der Kanton antwortete darauf in einer Stellungnahme. Darin schreibt die Regierungsrätin Silvia Steiner, sie könnten die Forderungen nicht umsetzen, weil die Anstellungsbedingungen keine Bewilligungsvoraussetzung darstellten, die Qualitätsprüfungen ja schon durchgeführt würden und sie sich zwar bewusst seien, dass die «Arbeitsbedingungen in einzelnen Betrieben tatsächlich nicht eingehalten werden, aber keine generellen Missstände herrschen». Sie sähen zwar ein, dass ein GAV sinnvoll wäre, aber sie seien dafür nicht verantwortlich. Diese Antwort ist ein Affront gegenüber den dauererschöpften Betreuer*innen in diesem Bereich – insbesondere, da diese Absage von derselben Regierungsrätin kommt, die 2016 für die Kürzungen im Bereich Bildung und Betreuung massgeblich verantwortlich war.[3] Des weiteren organisiert die Trotzphase auch immer wieder Demos, Veranstaltungen und Vernetzungstreffen Mehr Infos: www.trotzphase.ch
Erste Erfolge und nächste Schritte
Mit dem Frauen*streik und der Thematisierung der Care-Arbeit rund um den 8. März konnte die Trotzphase auch immer wieder neuen Mut schöpfen. So hat die Trotzphase auch zum Frauen*/feministischen Streik aufgerufen und im Vorfeld stark mobilisiert. Durch die Gespräche mit Eltern und Betreuer*innen und Flyer-Aktionen in Kitas konnte erreicht werden, dass in verschiedenen Kitas die Betreuer*innen ab 14.00 Uhr gestreikt haben und die Kitas am Nachmittag geschlossen blieben. Stattdessen wurde ein Streik-Zvieri auf der Bäckeranlage organisiert, wo sich die Eltern auch anschliessen konnten. Viele Eltern organisierten sich, sodass die Väter oder andere männliche Familienangehörige oder Freunde die Kinderbetreuung übernahmen und die Mütter streiken konnten. Dies zeigt auch: Sogar in den Kitas kann gestreikt werden, wir müssen uns dafür aber organisieren!
So werden sie noch lange nicht aufgeben und mit der feministischen Bewegung im Rücken weiter für ihre Forderungen kämpfen. Sie fordern zum Beispiel mehr Qualität, mehr Lohn und Anerkennung sowie Lohngleichheit, einen GAV und eine öffentliche statt einer privaten Finanzierung. Es braucht mehr sinnvolle Richtlinien und nicht weniger. Ausserdem müssen wirkungsvolle jährliche Kontrollen der Kitas durchgeführt werden. Das heisst, dass die Kontrollen unangemeldet und statt nur auf die Einhaltung einiger Vorgaben auch auf pädagogische Ziele ausgerichtet sein sollten. Der Betreuungsschlüssel muss so angepasst werden, dass genug Zeit und Aufmerksamkeit für die Kinder sowie weniger Stress für die Betreuer*innen normal wird und dass die Kitas auch ohne unausgebildetes Personal funktionieren. Die Betreuer*innen der Trotzphase fordern ausserdem bessere Weiterbildungsmöglichkeiten und dass die Kitas nicht mehr dem Sozialdepartement, sondern wie die Horte dem Schul- und Sportdepartement angehören sollen.
Als Trotzphase wollen wir dafür vermehrt in Kontakt mit Eltern und mehr Betreuungspersonal in allen möglichen Kitas treten, denn nur gemeinsam ist es möglich, für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Es ist ihnen/uns ein grosses Anliegen, dass gesellschaftlich anerkannt wird, welch wichtige Arbeit hier geleistet wird. Denn dieser Job beinhaltet bei weitem mehr als nur mit Kindern zu spielen. Es ist eine Aufgabe mit viel Verantwortung und gesellschaftlichem Wert. Dafür sollte diese Arbeit endlich auch respektiert und entlohnt werden!
[1] Die Firma. https://www.republik.ch/2019/12/18/die-firma
[2] Für das Jahr 2018 veröffentlichte die Stadt Zürich fol- gende Zahlen: 287 private Kitas mit Kontrakten, 32 pri- vate Kitas ohne Kontrakte und 10 städtische Kitas.
[3] Für mehr Infos: «Die Sozialabbaupolitik im Kan- ton Zürich hat System» auf sozialismus.ch
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