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Am Rande vermerkt: Nicht Analverkehr, sondern Trans- und Homophobie sind Schuld an Suiziden

Im Rahmen einer Budgetdebatte im Zürcher Gemeinderat hat letzte Woche eine Wortmeldung des SVPlers Daniel Regli für Aufruhr gesorgt. Gerne möchte er anstatt einer Million eher 4 oder 5 Millionen bei den schulischen Gesundheitsdiensten sparen. Besonders ins Visiert nimmt er die Fachstelle für Sexualpädagogik und Beratung „Lust-und-Frust“, welche er Zitat: „am besten heute schon auflösen“ will.
Er entrüstet sich darüber, dass auf der Internetseite von Lust-und-Frust Informationen zu Sexspielzeugen, Analverkehr, Verhütung oder gar Abtreibung zu finden sind. Wenig überraschend aus dem Mund des Präsidenten des christlich konservativen Anti-Abtreibungs-Vereins „Marsch für’s Läbe“. Der Verein versucht unter anderem ein Weltbild zu verteidigen, in dem Sex nur in einer heterosexuellen Ehe stattfindet und die Zeugung von Kindern als einzigen Zweck hat. Über jegliche andere Form sollten Jugendliche nicht aufgeklärt werden. Ganz nach dem Motto „Was nicht erwähnt wird, wird auch nicht stattfinden“. Unterstützung bekommt er später vom SVP-Kollegen Stefan Urech, nach welchem solche Themen nicht in der Schule, sondern Zuhause besprochen werden sollen.
Zuwenig weit gehen Herrn Rengli dann aber die Informationen im Bereich Suizidalität bei Homosexuellen: Zitat: „Jetzt können sie sich bereit machen zum hypen, Sie finden nichts darüber, warum sich promiscue Homosexuelle zwischen 30-40 das Leben nehmen, weil der Analmuskel nicht mehr hält was er verspricht“. Daraufhin ist der Saal in schallendes Lachen ausgebrochen. Er ergänzt noch, dass laut Bundesamt für Gesundheit jeder fünfte Homosexuelle einen Suizidversuch hinter sich hat (er schien nur Männer damit gemeint zu haben). Dieses Votum war auch der Grund für das hohe Medienecho.
Für weit weniger Furore haben dann seine weiteren Worte gesorgt, wohl weil er nicht mehr nur Schwule, sondern andere Teile des LGBTIQ+ Sprektrums ansprach. So betonte er, dass es ihm nicht um die „wirklich unter Ihrer Sexualität leidenden und handicapierten Intersexuellen1 geht.“ Sondern er es anstössig findet, dass die Fachstelle für Gleichstellung den Menschen zugesteht ihre Geschlechtsidentität frei zu wählen, unabhängig vom bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht. Zum einen bezeichnet er damit Menschen als krank und leidend, nur weil ihre Körper von dem abweichen, was in seinem Weltbild ein weiblicher oder männlicher Körper zu sein hat. Zum anderen spricht er Trans*2-Menschen ihr ein „wirkliches“ Leiden ab. Anscheinend ist ihm nicht bewusst, dass die Rate der Suizidversuche bei Trans*Personen bei etwa 50%, oder er ignoriert es.
Lieber Herr Regli, eigentlich müssten wir ihnen dankbar sein, dass sie ein oft verschwiegenes Thema ansprechen: Die Suizidalität bei LGBTIQ+ Menschen. Nur machen sie da alles Erdenkliche falsch. Sie verwenden ihren konservativen Rundumschlag gegen Frauen*- und LGBTIQ-Rechte um ihre neoliberalen Sparversuche durchzudrücken. Sie thematisieren Suizidalität in lächerlicher Art und Weise, als wären die Verstorbenen ein Witz. Sie wollen Bildung über Varianten der Sexualität und Geschlechtsidentität verhindern und LGBTIQ+ somit unsichtbar zu machen, oder besser gesagt zu halten. Das schlimmste ist aber, dass sie so tun, als läge die Schuld an der Suizidalität von LGBTIQ+ bei ihnen selbst. Nein Herr Regli, die Ursache für Depressionen oder Suizid ist nicht irgendein sexuelles Verhalten oder Geschlechtsidentität, sondern gesellschaftliche Diskriminierung. Schuld daran ist gesellschaftliche Unsichtbarkeit, Mobbing, physische Gewalt, erniedrigende medizinische Verfahren und und und. Schuld daran sind Leute wie sie, die alle Menschen als krank und falsch bezeichnen, die nicht cis3– und heterosexuell sind.

1 Intersexualität, auch DSD Disorder of sexual development genannt, ist ein Sammelbegriff für Menschen bei denen das Geschlecht biologisch nicht klar zugeordnet werden kann. Dies beinhaltet unter anderem Varianten der Chromosomenzusammensetzung wie zum Beispiel XXY oder verschiedene hormonelle Variationen.
2 Trans*-Personen sind Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren können oder wollen, dass ihnen bei der Geburt vom Arzt oder der Ärztin zugewiesen wurde.
3 Cis*Personen identifizieren sich mit dem Geschlecht, dass ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.

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