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Am Rande vermerkt: Achtung Instrumentalisierung! Oder: Können Klima-Streikende nicht selbst entscheiden?!

Seit dem vergangenen Wochenende werden vor allem von bürgerlicher Seite Stimmen laut, welche die Klimabewegung vor der Instrumentalisierung durch Linksradikale warnen. Dies ist als Reaktion auf die antikapitalistische Sichtbarkeit und provokante Aktionen zu werten, die an der letzten Klimademo stattgefunden haben. Es verwundert nicht, dass gerade jetzt von Instrumentalisierung gesprochen wird, wenn Positionen eine Öffentlichkeit bekommen, die dem bürgerlichen Konsens widersprechen. Dass sie den Begriff Instrumentalisierung verwenden, sagt viel darüber aus, wie sie über die Klimastreik Bewegung denken – und wie sie die Streikenden gewaltig unterschätzen. 

Der Vorwurf des Instrumentalisierungsversuchs wird gerade der radikalen Linken gemacht. Es wird so getan, als wären wir erst jetzt, dank den Klimastreiks darauf gekommen, dass die Erde den Bach runter geht. Als würden wir uns nur mit dem Thema beschäftigen, um die Bewegung unterwandern zu können. Damit wird verschwiegen, dass es in den letzten Jahren Öko-Aktivismus gegeben hat, der von links-aussen mitgetragen wurde, bevor Greta Thunberg sich entschlossen hat, zu streiken. Um wenige Beispiele zu nennen: die Massenproteste in Frankreich um den KlimagipfelBraunkohle-Blockaden in Deutschland wie Ende Gelände und Hambacher Forst oder letzten Sommer die Ölhafenblockade in Basel im Rahmen der Climate Games. Häufig gehörte Parolen wie „Climate Justice“ oder „System Change not Climate Change“ sind diesen Bewegungen entnommen. 

Zurück zu den Bürgerlichen. Marianne Binder, die Präsidentin der CVP Aarau, ermahnte die Klimastreikbewegung gutmütterlich: „Die Klimabewegung der Schüler will den Planeten retten und hat damit die Politik aufgemischt. Jetzt muss sie aber aufpassen, dass sie nicht für ganz andere Interessen instrumentalisiert wird. Das wäre schade.» Darin stecken mehrere Fehleinschätzungen der Teilnehmenden des Protestes. Zum einen setzt der Begriff Instrumentalisierung voraus, dass die Klimastreiks politisch wie sozial homogen zusammengesetzt sind. Wie sonst könnte man von den „normalen“ Inhalten und Aktionsformen der Bewegung reden und diese der vermeintlichen Instrumentalisierung „von aussen“ entgegensetzen? Wer sich länger als 5 Minuten an einer Klimademo befindet, merkt schnell, dass dem nicht so ist. Auch wenn zurecht die streikenden Schüler*innen die grösste Sichtbarkeit bekommen, sind sie nicht die einzigen, die die Proteste tragen und natürlicherweise gibt es auch innerhalb der streikenden Schüler*innen grosse politische Differenzen.

Das grösste Problem sehe ich jedoch darin, dass beim Verwenden des Begriffs Instrumentalisierung den Streikenden die Fähigkeit abgesprochen wird, sich kritisch mit politischen Ideologien und Forderungen auseinander zusetzen. Es verwundert nicht, dass Frau Binder, die Greta Thunberg auch nicht glauben mag, dass sie ihre Texte selbst schreibt, den Klimastreikenden nicht zugesteht, ihre Gedanken selbst machen zu können. Diese Art über die Bewegung zu denken, ist herablassend und klingt sehr stark nach erwachsenen Poltiker*innen, die glauben uns Schüler*innen und Studierenden erklären zu müssen, wie Politik geht, wem sie glauben dürfen und vor wem sie sich hüten müssten. Doch die Teilnehmenden zeichnen sich gerade durch kritische Meinungsbildung aus, sonst würden sie nicht streiken, Diskussionsrunden organisieren, Inhalte erarbeiten etc. Ansonsten würden sie schön brav und unkritisch die Schulbank drücken -wie es die bürgerlichen Politiker*innen auch am liebsten von ihnen hätten. Es mag an dieser Stelle auch angemerkt werden, dass es kaum Zufall ist, dass keine der bürgerlichen Parteien eine ernstzunehmende Jungpartei hat, welche diesen Namen auch verdient.

Zum Schluss: Natürlich wollen Anhänger*innen verschiedener politischer Strömungen, dass ihre Inhalte und Forderungen im Rahmen der Bewegung diskutiert werden. Ja, auch linksradikale. Das ist schlichtweg ein Kernteil politischer Arbeit. Zusammenarbeit und Diskussion bedeutet noch lange nicht Instrumentalisierung, schon gar nicht wenn die Menschen als selbst denkend angesehen werden.

Und nun kommen wie zum Clou der Geschichte: Wenn bürgerliche Poltiker*innen verlangen, dass sich die Organisator*innen der Klimademos von antikapitalistischen Anliegen distanzieren, trifft sie der eigene Schlag. Denn: Was bleibt Parteien, welche keine eigenen Mobilisierungen zu Stande bringen übrig, als zu versuchen, andere zu vereinnahmen?

Inwiefern nicht die bürgerliche Politik an sich ein grosses Theater der Instrumentalisierung ist, bei der es ums Erhalten statt ums Verändern geht, bei der Inhalte nur die nächste Wahl garantieren sollen und die Ansprüche einiger Weniger um ein Vielfaches zu stark repräsentiert sind, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Aber das interessiert Frau Binder wohl eher weniger.

von Marco Fischer

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