Manchmal macht es Sinn, die Zeitschriften zu lesen, die man so im Postfach vorfindet und die sich an das Unternehmertum richten. In der „Unternehmer Zeitung“ hat sich kürzlich ein Experte mit dem Thema „Emotionserkennung“ dank Erfassung biometrischer Daten auseinandergesetzt.
Der Experte meint, es könnte in Zukunft zum Alltag gehören, dass unter Verwendung „künstlicher Intelligenz“ Gedanken und Stimmungen von Menschen von Kameras erfasst und mittels Software (wie „FaceReader“, „Affectiva“ oder „Realeyes“) ausgewertet werden können. Vorgeschlagen wird, solche Programme dazu zu nutzen, Werbefilme ansprechender zu gestalten. Durch die Berücksichtigung von Gesichtsausdrücken, also der nonverbalen Ebene der Kommunikation, soll so der emotionale Sympathie-Appeal der werbenden Person erhöht werden können. Dies in der Absicht, die Kauflust bei der Kundschaft zu fördern. Softwarebasierte Schulungsprogramme, mit denen solche Werbemethoden geübt werden sollen, nennen sich beispielsweise iMotions. Die Anwendung der Technologie könnte auch dazu dienen, so der Autor, einem dank aufmerksamer Beobachtung seiner Gesichtsregungen als lernunlustig eingestuften Studenten rechtzeitig motivationsfördernde Unterstützung zukommen zu lassen.
Gemäss dem Experten sind die Erkennungssysteme zwar bereits heute in der Lage, die menschliche Fähigkeit nachzuvollziehen oder innert Millisekunden die Stimmung eines Gegenübers zu erfassen. Jedoch sei die Wissenschaft vor allem bei automatisierten Gesichtserkennungen noch ungenügend in der Lage, auch sein zu erwartendes Verhalten zu bestimmen. Mit anderen Worten: Die Wissenschaft ist daran, auch diese Hürde zu überspringen, die künftig mit Sicherheit mehr noch als für Werbezwecke der Bevölkerungsüberwachung dienen wird. Eine für Polizeiaufgaben weiter entwickelte Software nennt sich übrigens AnyVision.
Was sollen wir aus solchen neuen Möglichkeiten der Überwachung schliessen?
Seit Jahrzehnten kann beobachtet werden, wie das herrschende Bürgertum der Schweiz und anderen Ländern seinen Polizei- und Überwachungsapparat Scheibchen für Scheibchen aufrüstet und seine Justiz nach und nach immer härtere Strafen ausspricht. Dies geschieht für viele fast unmerklich. Waren Volksbewegungen in den 1970er Jahren noch mit Overall-tragenden und Schilder aus Korbgeflecht einsetzenden Polizist*innen konfrontiert, stehen heute gepanzerte, gesichtslose Robocops vor uns. War es damals für den Staat noch recht aufwendig, Telefone abzuhören oder Briefe unbemerkt zu öffnen, steht der Polizei und dem Nachrichtendienst heute unsere gesamte Kommunikation in gespeicherter Form zur Verfügung. Die Speicherung von persönlichen Daten politisch auffälliger Menschen wurden früher von Hand auf Karteikarten getippt. Heute sind sie digital gespeichert und vernetzt. Wurden „Rädelsführer*innen“ damals nach Demos in aller Regel freigesprochen, gibt es mittlerweile Gefängnisstrafen, nur schon weil man an der Demo dabei war. Dass dies alles ohne wohlüberlegte Absicht geschieht, ist kaum vorstellbar. Nun kommt die Gesichts- und Gedankenerkennung dazu.
Nennen wir Beispiele: Das Erfassen von Gesichtserkennung in Pass und Identitätspapieren wurde in der Schweiz vor einigen Jahren – natürlich unter dem Vorwand der Terrorismus-Bekämpfung – von Regierung und Parlament eingeführt. Aktuell sind wir mit einem neuen Vorstoss konfrontiert, dem sogenannten Anti-Terrorismus-Gesetz. Dieses reiht sich in den seit Jahren anhaltenden Trend zur Verschärfung der Einwohner*innenkontrolle ein. Gegen dieses Gesetz wurde das Referendum ergriffen. Wir empfehlen die Unterstützung!
Hanspeter Gysin, BfS Basel
[Am Rande vermerkt] ist eine Serie von Kurzartikeln. Wir wollen damit tagesaktuelles Geschehen kommentieren, einordnen, auf Veränderungen aufmerksam machen. Eine konsequente linke, antikapitalistische Politik zeichnet sich unseres Erachtens nicht nur dadurch aus, die grossen Analysen abzuliefern. Vielmehr gehört es für uns dazu, auch kleinere, unscheinbare Entwicklungen, skandalöse Aussagen und Auffälliges einordnen zu können.
Die kurze Form, der eher flüchtige Charakter und die zeitliche Nähe, die allesamt diese Artikelserie ausmachen, führen dazu, dass die hier geäusserten Einschätzungen vorübergehend sein können und nicht zwangsläufig mit den Ansichten unserer Organisation übereinstimmen müssen. Die Autor:innen und die verwendeten Quellen sind deshalb jeweils gekennzeichnet. Textvorschläge sind jederzeit herzlich willkommen.