Wir alle kennen die Diskussionen über Fleisch, Vegetarismus und Veganismus. Ich habe diese Diskussionen schon sehr oft gehört und bin erstaunt darüber, wie selten – auch in der Linken – diese Diskussionen mit der kapitalistischen Produktionsweise in Verbindung gebracht werden.
Gemeinsames Essen, und es geht nicht lange, bis Diskussionen über Ernährungsweisen entstehen: Ist es ok, Fleisch zu essen? Zumindest die Bio-Variante? Oder doch lieber vegetarisch? Wäre aber die konsequenteste Ernährungsweise nicht die vegane? Genauso verhält es sich mit anderen Lebensmitteln: Sollte ich Bio-Gemüse kaufen? Nur regionale und saisonale Produkte?
Über diese Fragen könnte hier ausführlich diskutiert werden, jedoch blenden sie ein ganz grundsätzliches Problem aus: Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Dieser Satz trifft den Kern dessen, worum es in den Debatten eigentlich geht: Die kapitalistische Produktionsweise gibt den Menschen gar nicht die Möglichkeit, sich wirklich ethisch, das heisst nachhaltig, sozial verträglich und tierrechtskonform zu ernähren.
Was meine ich damit? Im Kapitalismus wird diejenige Produktionsweise angewandt, welche kurzfristig am meisten Profit generiert. Daher gibt es Massentierhaltung und Monokultur. Sie ermöglichen eine kostengünstige Produktion von Lebensmitteln als billige Massenprodukte. Dies führt dazu, dass Alternativen automatisch an den Rand gedrängt werden. Biologische, saisonale und regionale Produkte sind nicht in dem Masse verfügbar, dass sich alle davon ernähren könnten. Die unökologischen Billigprodukte sind aber immer verfügbar. Zwar gibt es einige Läden, die seit ein paar Jahren explizit saisonale, regionale und biologische Produkte anbieten. Diese haben aber ihren Preis und sind darum nur für Vermögende zugänglich. Eine nachhaltige Ernährung ist also für viele Menschen gar nicht möglich.
Auswirkungen der kapitalistischen Lebensmittelproduktion
Auch in der Lebensmittelproduktion zeigt sich die Klassenfrage: Für den kurzfristigen Profit werden, wie überall, die Löhne gedrückt und die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich zunehmend. Dazu eine Anekdote: Ein Bekannter von mir ist ausgebildeter Metzger. Die Arbeit ist körperlich sehr streng und psychisch belastend. Linksliberale urbane Öko-Hipster könnten jetzt einwenden, dass ja niemand gezwungen sei, in dieser Industrie zu arbeiten. Jedoch sind diejenigen ohne Privateigentum an Produktionsmitteln gezwungen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen und wer einen Bildungsabschluss hat, der in dieser Gesellschaft als gering qualifiziert gilt, hat weniger Auswahlmöglichkeiten als beispielsweise Akademiker*innen. Anyway. In dieser Branche über Jahre tätig zu sein, führt zu psychischer Verrohung. Er hat mir einst ein Video gezeigt, in dem er mit einem Arbeitskollegen einen Hasen auf unnötig grausame Weise abschlachtet. Das kann passieren, wenn jemand jahrelang tagein, tagaus, mit Morden beschäftigt ist oder zumindest die ganze Zeit mit dem Töten von Tieren konfrontiert ist.
Was sind die Perspektiven?
Diese Zustände sind für Mensch, Tier und Umwelt schädlich. Wie können sie überwunden werden? Der Kampf um Tierrechte und um gute und selbstbestimmte Arbeits- und Produktionsbedingungen müssen miteinander verbunden werden. Wie könnte dieser Kampf in der politischen Praxis konkret aussehen? Wünschenswert wäre, wenn die Tierrechtsbewegung sich mit den Beschäftigten in der Fleisch- und Milchindustrie zusammenschliesst, um gemeinsam Druck auf die Industriellen auszuüben, anstatt sich als Gegner*innen zu begreifen. Die Tierrechtsbewegung könnte Blockaden und Sabotageakte durchführen (z.B. Tiertransporte blockieren oder den Betrieb im Schlachthaus stören), während die Arbeiter*innen durch Streiks auf die unmenschlichen Arbeitsbedingungen aufmerksam machen.
von Leandro Cosimetti (BFS Basel)