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Frauenstreik: Wir brauchen einen Feminismus der 99%!

Der internationale Frauenstreik ist ein Netzwerk von Frauen in mehr als 50 Ländern. Es entstand im Zuge der Vorbereitung des 8. März 2017 in den USA, Italien, Argentinien und vielen anderen Ländern. Auch in diesem Jahr soll in den USA ein Frauenstreik stattfinden. In diesem Streikaufruf fordern die Unterzeichnerinnen einen kämpferischen Feminismus der 99%. (Red.)

von Angela Davis, Cinzia Arruzza, Nancy Fraser u.a.; aus sozonline.de

Feminismus für die 99 Prozent: Das ist der Grund, warum die Frauen in diesem Jahr streiken werden.
Im letzten Jahr haben Frauen aus allen Bereichen demonstriert, aufgehört zu arbeiten und sich die Straßen in fünfzig Ländern in aller Welt zurückerobert. In den USA haben wir in großen und kleine Städten im ganzen Land Komitees veranstaltet, demonstriert und den Männern den Abwasch überlassen. Wir haben drei Schulbezirke vollständig blockiert, um der Welt wieder einmal zu zeigen, dass wir, wenn es stimmt, dass wir die Gesellschaft zusammenhalten, sie dann auch zum Stillstand bringen können.
Der 8. März steht vor der Tür und die Lage für die Frauen in unserem Land hat sich verschlechtert. In einem Jahr Trump-Regierung wurden wir nicht nur Zielscheibe verbaler Attacken und frauenfeindlicher Drohungen im Gewand hochoffizieller Erklärungen. Das Regime Trump hat politische Maßnahmen umgesetzt, die grundlegende Angriffe auf unsere Rechte darstellen.
Maßnahmen wie das Gesetz über die Steuersenkungen und das Arbeitsgesetz schaffen Regelungen ab, die Niedriglöhnern zugute kamen, die in der Mehrzahl Frauen sind. Medicaid und Medicare, die einzigen zwei gesundheitspolitischen Programme in diesem grausamen neoliberalen Umfeld, die den Alten, Ärmsten, Kranken und Behinderten zugute kommen, aber auch Familienplanung und Kinderprogramme sollen abgeschafft werden – zulasten der Frauen, die den Großteil der Pflegeleistungen stemmen. Und während das Gesetz Kindern von Einwanderern eine Gesundheitsversorgung verwehrt, werden Sparpläne eingeführt, damit ungeborene Kinder studieren können, was auf gesetzlichem Weg «Rechte» für «ungeborene Kinder» schafft und damit unser grundlegendes Recht bedroht, über unsere Körper selbst zu entscheiden.
Das ist aber nicht alles.
In Anbetracht dieser vielen offenen Angriffe gegen uns haben wir uns nicht zurückgezogen. Wir haben zurückgeschlagen.
Als im letzten Herbst einige prominente Frauen mit Zugang zu den internationalen Medien entschieden, das Schweigen über sexuelle Belästigung und Gewalt zu brechen, hatte das zur Folge, dass Dämme brachen und ein Meer von öffentlichen Anzeigen sich im Internet ergoss. Die #Metoo-, #UsToo- und #Timesup-Kampagnen haben sichtbar gemacht, was viele Frauen bereits wussten: Ob auf der Arbeit oder zu Hause, im Gefängnis oder in Aufnahmelagern, auf der Straße oder auf dem Feld: sexuelle Gewalt mit ihren rassistischen Untertönen belastet das Alltagsleben der Frauen.
Klar geworden ist auch, dass unser öffentliche Schweigen über etwas, das wir immer gewusst und ertragen und gegen das wir gekämpft haben, nicht nur deshalb existiert, weil wir Angst haben oder uns schämen: Das Schweigen ist erzwungen. Erzwungen durch Gesetze des US-Kongresses, die von Frauen verlangen, dass sie ein fast einjähriges Verfahren von Beratung und Vermittlung durchlaufen, bevor sie eine offizielle Anklage erheben können. Es wird unterstützt von einem Rechtssystem, das routinemäßig die Berichte von Frauen abwimmelt und sie zusätzlich einschüchtert und bedroht. An den Universitäten findet eine willige Verwaltung schlaue Mittel, um die Institution und die Täter zu schützen, so werden die Frauen den Wölfen zum Fraß vorgeworfen. Die rassistischen Grundlagen dieser Rechtswege schreien zusätzlich nach deren Abschaffung.
#Metoo, #Ustoo und #Timesup haben nicht nur einzelne Vergewaltiger und Frauenfeinde bloßgestellt, sie haben auch die versteckten Mechanismen und Institutionen enthüllt, die solche Taten möglich machten.
Rassistisch unterlegte, sexuelle Gewalt ist international verbreitet und muss international bekämpft werden. Der amerikanische Imperialismus, Militarismus und Siedlerkolonialismus befördert Frauenfeindlichkeit auf der ganzen Welt. Es ist kein Zufall, dass Harvey Weinstein in den Jahren, in denen er Frauen zum Schweigen brachte und terrorisierte, das Sicherheitsunternehmen Black Cube anheuerte, das von ehemaligen Mossad-Agenten und anderen israelischen Geheimdiensten aufgebaut wurde. Wir wissen, dass derselbe Staat, der Geld an Israel schickt, um die Palästinenserin Ahed Tamimi und ihre Familie zu terrorisieren, auch die Gefängnisse finanziert, in denen afroamerikanische Frauen wie Sandra Bland und andere gestorben sind.
Am 8. März streiken wir deshalb gegen sexuelle Gewalt – gegen die Männer, die sie anwenden, und gegen das System, das diese schützt.
Wir glauben, dass es kein Zufall ist, dass unsere Schwestern mit einem Zugang zur Öffentlichkeit diejenigen  waren, die offenlegten, was alle wussten. Sie hatten eher die Möglichkeit dazu, anders als ihre Schwestern mit geringem Einkommen, die in eleganten Hotels in Chicago putzen oder auf den Feldern Kaliforniens Gemüse ernten.
Die meisten von uns gehen nicht an die Öffentlichkeit, weil wir auf unseren Arbeitsstellen keine kollektive Durchsetzungskraft haben und weil wir außerhalb davon nicht den nötigen sozialen Rückhalt haben – etwa ein kostenloses Gesundheitssystem. Trotz niedrigen Lohns, langer Arbeitszeiten, tyrannischer Vorgesetzte und belästigender Bosse fürchten wir den Verlust der Arbeit, weil wir sonst nicht den Unterhalt für unsere Familien und die Pflege für unsere Kranken und Gebrechlichen aufbringen können.
Es ist nicht so, dass wir den Mund halten. Wir werden vom Kapitalismus gezwungen, den Mund zu halten.
Am 8. März gehen wir deshalb an die Öffentlichkeit, individuell, gegen die Peiniger, die unser Leben zerstören wollten, und kollektiv, gegen die wirtschaftliche Unsicherheit, die uns am Reden hindert.
Wir streiken, weil wir die bloßstellen wollen, die uns missbrauchen. Und wir streiken, weil wir Sozialstaatsregeln und eine existenzsichernde Arbeit brauchen, damit wir unsere Familien ernähren können, und wir streiken für das Recht, uns gewerkschaftlich zu organisieren, für den Fall, dass wir entlassen werden, weil wir uns gegen die Missbräuche auflehnen.
Am 8. März streiken wir also gegen Massenverhaftungen, gegen die Gewalt der Polizei und die Grenzkontrollen, gegen die weiße Vorherrschaft und die imperialistischen Kriege der USA, gegen Armut und die versteckte strukturelle Gewalt, die bewirkt, dass unsere Schulen und Krankenhäuser schließen, unser Wasser und unsere Nahrung vergiftet wird und uns die Entscheidung über unsere Reproduktion verwehrt ist.
Wir streiken für ein Arbeitsrecht, für gleiche Rechte für alle Migrantinnen und Migranten, gleichen Lohn und einen existenzsichernden Lohn – denn sexuelle Gewalt am Arbeitsplatz wird schlimmer, wenn diese kollektiven Mittel der Verteidigung fehlen.
Der 8. März wird ein Tag des Feminismus für die 99 Prozent sein: ein Tag der Mobilisierung von schwarzen und braunen Frauen, Frauen jeglichen Geschlechts, armen Frauen und solchen mit geringem Einkommen, von Arbeiterinnen in unbezahlten Pflegediensten, Sexarbeiterinnen und Migrantinnen.
Am 8. März streiken wir.
Weitere Erstunterzeichnerinnen des Aufrufes sind: Linda Alcoff, Tithi Bhattacharya, Rosa Clemente, Zillah Eisenstein, Liza Featherstone, Barbara Smith, Keeanga-Yamahtta Taylor

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