Der folgende Beitrag wurde als Rede von Frauen* der BFS Basel verfasst und an der Frauen*Demonstration am 8. März in Basel gehalten. Für die komplette Kollektivierung der Sorge- und Betreuungsarbeit! (Red.)
von BFS Basel
Viele Sorge- und Betreuungsarbeiten werden heute in Form bezahlter Dienstleistungen angeboten. So gibt es Kitaplätze, Altersheime oder Spitäler, in denen Kinder, ältere oder kranke Menschen versorgt werden. Dadurch wurde es möglich, dass viele Frauen* einem Beruf nachgehen können. Ein Beruf bedeutet für viele ökonomische Unabhängigkeit und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten – und damit mehr Selbstbestimmung. Die Tatsache, dass sich Frauen* das Recht zu arbeiten erkämpft haben, ist deshalb sehr wichtig!
Jedoch sind wir noch lange nicht am Ziel! Grundsätzliche Probleme bleiben im kapitalistischen und patriarchalen System bestehen:
Erstens: Es sind immer noch vorrangig Frauen, die die bezahlte und die unbezahlte Sorge- und Betreuungsarbeit verrichten. Das bedeutet, dass viele Frauen* einen doppelten Arbeitsalltag haben. Sie gehen einer Lohnarbeit nach und kümmern sich zusätzlich um die privaten Sorge- und Betreuungsarbeiten.
Zweitens: Die Sorge- und Betreuung wird im kapitalistischen und patriarchalen System immer noch als weniger wertvoll angesehen als andere Arbeiten. Diese mangelnde Wertschätzung hat konkrete Folgen. So arbeiten viele Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen: also mit befristeten Verträgen zu sehr niedrigen Löhnen. Dies führt dazu, dass vor allem Frauen von Armut betroffen sind! 80% der alleinerziehenden Frauen* leben unterhalb der Armutsgrenze.
Die ohnehin schon schlechten Arbeitsbedingungen werden durch die zunehmende Ökonomisierung und die ständigen Sparmassnahmen im Gesundheits- und Sozialwesen weiter angegriffen: Lohnsenkungen, Stellenkürzungen und ein zunehmender Zeitdruck bei der Verrichtung der Pflege- und Betreuungsarbeit sind die Folge. Beispielhaft hierfür ist die geplante Umwandlung der Spitäler Baselstadt und Baselland in eine Aktiengesellschaft und die damit einhergehende Umgestaltung der Unternehmensstruktur. Mit dieser hält die Logik des Marktes in unser Gesundheitswesen weiter Einzug. Die Folge werden die Schliessung von Abteilungen sowie ein Abbau im Gesundheitsangebot sein.
Mehr Frauen auf dem Arbeitsmarkt und die gleichzeitigen Kürzungen führen zu einer Lücke im Sorge- und Betreuungsbereich Diese wird wiederum mehrheitlich von migrierten Frauen gefüllt.
In der Schweiz arbeiten mehr als die Hälfte der Migrantinnen im Niedriglohnbereich, so etwa in der Pflege oder der Kinderbetreuung. Dabei arbeiten viele unter prekären Anstellungsbedingungen in Privathaushalten, beispielsweise als 24h-Betreuuerinnen in der Pflege. Als temporäre oder illegalisierte Arbeiterinnen haben sie dabei kaum Aussichten auf faire Löhne, eine Regularisierung des Aufenthalts, Familienzusammenführung oder arbeitsrechtlichen Schutz.
Eine feministische Perspektive darf sich deshalb nicht mit der heute erreichten Kommerzialisierung von Pflege und Betreuung zufriedengeben. Diese Tätigkeiten werden immernoch mehrheitlich von Frauen* unter prekären Arbeitsbedingungen und zusätzlich zur Lohnarbeit erledigt. Öffentliche Angebote stehen unter ständigem Spardruck.
Die Sorge- und Betreuungsarbeit ist eine gesellschaftlich notwendige Arbeit und sollte endlich als solche anerkannt werden! Es ist absolut unverständlich, dass in unserer Gesellschaft die Menschen, die auf unser Geld aufpassen, mehr Wertschätzung und Lohn erhalten, als diejenigen, die zu unseren Kindern und Mitmenschen schauen. Deswegen fordern wir, von der Bewegung für den Sozialismus, eine komplette Kollektivierung der Sorge- und Betreuungsarbeit und eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei gleichbleibendem Lohn!