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Gegen die Instrumentalisierung von feministischen Kämpfen! Wir Frauen* kämpfen selbstbestimmt weiter.

Neuerdings geben konservative und rechte Parteien den Anschein, als würden sie sich um die Anliegen von Frauen* kümmern. Dabei ist diese pseudofeministische Rhetorik hauptsächlich rassistisch motiviert, und verschleiert permanente Angriffe auf emanzipatorische Errungenschaften.

von BFS Frauen

Die widerwärtige Propaganda der deutschen „Identitären“, einer faschistoiden Gruppierung, ist ein aktuelles Beispiel dafür. Unter dem Slogan „Love Blowjobs – hate Antifa“ verbreiten sie rassistische Hetze, indem sie vorgeben, deutsche Frauen* vor Geflüchteten schützen zu müssen. Wie antifeministisch gesinnt diese Rassist*innen sind, wird bei der Betrachtung der begleitenden Abbildung offensichtlich: Eine weisse Frau mit blondem Zopf blickt unterwürfig vom Hosenschlitz aus an einem nackten Männerkörper hinauf. Sexistische und rassistische Elemente sind kombiniert und entsprechen dem Kern dieser rechtsradikalen Ideologie. Mit Gleichberechtigung und Emanzipation, geschweige denn der Überwindung des Patriarchats hat dieser Pseudofeminismus am Allerwenigsten zu tun!
Auch in der Schweiz tarnt sich die Fremdenfeindlichkeit mit der Sorge um die als fortschrittlich postulierten „westlichen“ Werte, speziell die Stellung der Frau.
Antimuslimischer Rassismus und die Rechte in der Schweiz
Mit antimuslimischem Rassismus mobilisiert die Rechte in der Schweiz ihre Wählerbasis. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) ist unter anderem in Islamfeindlichkeit schon seit Jahren ein Vorbild für die vielen Rechtsaussenparteien in Europa, wie den Front National in Frankreich, die AfD in Deutschland oder die FPÖ in Österreich. Der zentrale Unterschied liegt allerdings darin, dass die SVP im Gegensatz zu diesen Parteien mit Abstand die stärkste Partei des Landes ist, seit Jahrzehnten mitregiert und dabei neoliberale Angriffe auf soziale Errungenschaften einleitet und vorantreibt. Trotzdem besteht die Strategie der SVP weiterhin darin, sich selber als Oppositionspartei darzustellen, die gegen eine „politische Kaste“ die Interessen des „Volkes“ vertritt. Der antimuslimische Rassismus und die allgemeine Ausländer*innenfeindlichkeit sind Teil dieser Strategie. Die SVP schürt dabei gezielt existierende Ängste und rassistische Ressentiments in der Bevölkerung, um sich dann als jene Partei zu präsentieren, die diese Ängste als einzige ernst nimmt. So wird die herbeifantasierte drohende „Überfremdung der Heimat“ zu einem Hauptschwerpunkt politischer Debatten, welche dadurch nach rechts(-aussen) verschoben werden.
In ihrer Propaganda bezieht sich die SVP sehr unterschiedlich auf muslimische Frauen und muslimische Männer, deren Religion in der verdrehten Logik der SVP alle Geflüchtete repräsentiert. So werden Frauen als Opfer von ultrapatriarchalen Verhältnissen beschrieben, die als zentraler Teil einer homogen inszenierten, muslimischen Kultur dargestellt werden. Männliche Migranten hingegen werden mit Terrorismus, Kriminalität und insbesondere sexueller Gewalt gleichgesetzt.
Die muslimische Frau als Bedrohung und Opfer
Die Repräsentation von muslimischen Frauen verläuft in der SVP-Propaganda zweischneidig. Zum einen funktioniert die verhüllte Frau als Symbol für die beschworene Gefahr, die vom islamistischen Terrorismus ausgeht. Ein jüngeres Beispiel ist die Propaganda des SVP-nahen Egerkinger-Komitees, welches ein Verhüllungsverbot fordert. Darauf ist die verhüllte Frau von den Plakaten der Minarett-Initiative zu sehen, neben ihr ein vermummter Demonstrant, der einen Molotowcocktail wirft. Die verhüllte muslimische Frau wird auch hier zur direkten Bedrohung, zum Sinnbild der gefährdeten inneren Sicherheit der Schweiz. Die SVP macht den verhüllten Körper zur reinen Projektionsfläche von fremdenfeindlicher und rassistischer Paranoia.
Zum anderen wird die muslimische Frau von rechten Exponent*innen zum Opfer stilisiert. Sie behaupten, dass verhüllte Frauen nicht gleichberechtigt oder frei seien, wobei Gleichheit und Freiheit als „westliche Werte“ heroisiert werden. Dass Frauen das Stimm- und Wahlrecht in der ganzen Schweiz erst 1971 (in Appenzell Innerrhoden gar erst 1990) – nach einem mehr als hundertjährigen, feministischen Kampf – erlangt haben, blendet die SVP in der Inszenierung der Schweiz als fortschrittliche Demokratie komplett aus. Ebenso, dass SVP-Politiker dasselbe am vehementesten zu verhindern versuchten.
Die SVP illustriert also, wie konservative und rechts(-radikale) Parteien die Frage der Frauenrechte in den westlichen Gesellschaften für erledigt sowie Sexismus und patriarchale Unterdrückung zum exklusiven Problem des Islams erklären.
Der Antifeminismus der SVP
Dieses scheinbare Engagement der SVP sowohl für die Rechte migrantischer Frauen als auch für die Gleichstellung lässt sich jedoch leicht als ein heuchlerisches Element entlarven. Die SVP ist eine zutiefst sexistische, reaktionäre Partei, die sich einen Dreck um Frauenrechte oder auch nur schon um das Wohlergehen von Frauen schert.
Augenscheinlich wird das durch ihre politischen Vorstösse: 2003 versuchten 38 von 44 SVP-Nationalräten zu verhindern, dass Vergewaltigung in der Ehe zum Offizialdelikt wird. Zudem lassen Exponent*innen der SVP oder auch der rechtskonservativen Parteien immer wieder verlauten, dass Vergewaltigungsopfer durch ihr Verhalten an der Tat mitschuldig seien. Im Übrigen hat die SVP vielfältige Verbindungen zum christlich-fundamentalistischen Milieu und organisierten Abtreibungsgegnern – ein SVP-Politiker ist Präsident des „Marsch für’s Läbe“. Dies zeigt sich auch in ständig wiederholenden Angriffen auf die Fristenregelung und die krankenkassengestützte Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen.
Daneben lehnt die SVP den Mutterschaftsurlaub ab und kämpft gegen die staatliche Unterstützung von Kinderbetreuung. Die SVP-Politiker*innen wissen also genau, wo sie die Frauen haben wollen: In der Familie, hinter dem Herd, alleine. Wenn die Jung-SVP-Präsidentin Michelle Singer sagt, sie kämpfe nicht für die Rechte der Frauen, zitiert sie sozusagen das Parteiprogramm. Sie führt aus: „Wenn man hart arbeitet und sich Mühe gibt, dann kann man heutzutage alles erreichen, egal, ob Mann oder Frau.“ Dieses Statement ist eine totale Verkennung der Lebensrealitäten. Der Lebensrealitäten, die durch die permanenten Angriffe ihrer Partei und den vorauseilenden Gehorsam der Sozialdemokratie, zunehmend prekarisiert werden.
Die Rechtsverschiebung des feministischen Diskurses
Wenn sich die SVP zu Frauenrechten äussert, ist dies also leicht als propagandistisches Element zu durchschauen. Die SVP und der Rest der radikalen Rechten sind allerdings nicht die einzigen, die im Namen der Frauenrechte rassistische Sichtweisen auf den Islam und andere nichtwestliche Kulturen als rückständig und frauenfeindlich befeuern, während das Bild einer überlegenen, aufgeklärten, westlichen Gesellschaft gezeichnet wird, an der sich alle anderen zu orientieren hätten.
Bis weit in bürgerlich-feministische Kreise hinein sind solche Vorstellungen zu finden: Dabei schrecken die selbsternannten Feministinnen auch vor Bündnissen mit den reaktionären Kräften der Rechten nicht zurück. Saïda Keller-Messahli zum Beispiel, eine Schweizer Autorin mit Tunesischen Wurzeln, die für sich beansprucht für die grosse schweigende Mehrheit der Muslim*innen in der Schweiz zu sprechen, meint, dass im Kampf gegen den politischen Islam eine lose Kooperation zwischen säkularen Muslim*innen und Parteien wie der SVP oder der AfD in Deutschland nötig sei. Auch einige prominente Feministinnen engagieren sich in rassistischen Kampagnen wie dem Egerkinger-Komitee für ein Verhüllungsverbot. Dabei sollte mittlerweile zu Genüge klar sein, dass ein Verhüllungsverbot in keiner Weise mehr Frauenrechte bringt, im Gegenteil. Es führt dazu, dass diese Frauen aus dem Alltag ausgegrenzt und in ihrer Selbstbestimmung eingeschränkt werden.
Andere liberale Feministinnen versuchen krampfhaft die Idee zu legitimieren, dass Sexismus und sexuelle Gewalt in erster Linie ein migrantisches Problem sei, das durch eine Anpassung an die angeblich so „zivilisierten“ westlichen Gesellschaften aus dem Weg zu schaffen sei. Dass aber die grosse Mehrheit der sexuellen Übergriffe in Beziehungen mit Schweizer Pässen stattfindet, wird ausgeblendet.
Deshalb:
Für einen Feminismus, der sexualisierte Gewalt, strukturellen Sexismus und die rassistische Hetze der Rechten wirksam bekämpft, ist es essentiell, den heuchlerischen Charakter dieser Scheindiskussionen zu entlarven und als solchen anzuprangern. Wir müssen verhindern, dass Feminismus vereinnahmt, verdreht und im gesellschaftlichen Diskurs nach rechts gerückt wird. Sexistische Gewalt, patriarchale Unterdrückung und struktureller Sexismus sind kein exklusives Problem des Islams oder nichtwestlicher Strukturen, sondern nach wie vor tief gesellschaftlich verankert. Die Spaltung in „wir“ und „sie“ muss aufgebrochen und Sexismus in all seinen Formen bekämpft werden.
Ausserdem müssen Frauen* nicht gerettet werden – wir stehen für uns selbst ein! Das zeigen die Kämpfe, die wir geführt haben, die Zwischenstationen, die wir erkämpft haben, und die Kämpfe, die wir noch führen werden. Das zeigen uns die emanzipatorischen Projekte von Frauen, die sich für die Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen organisieren. Wie Trotzphase (https://trotzphase.ch/campa/trotzphase/), Stammtisch Santé oder das Netzwerk Respekt. Und so viele mehr.
Deshalb demonstrieren wir auch am 10. März an der Frauen*demo zum 8. März, dem internationalen Frauenkampftag unter der Parole „Frauen gegen rechte Hetze – Frauen erkämpfen Freiheit“. Frauen* kommt am 10. März um 13.30 Uhr auf den Hechtplatz und bringt eure Freundinnen mit!
Die Demo findet unter solidarischem Fernbleiben von Männer statt. 

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