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Frauenstreik: Streiken! Aber wie?

Der Frauen*streik am 14. Juni 2019 findet am Arbeitsplatz, im Haushalt, in der Freizeit und an allen weiteren Orten des gesellschaftlichen Lebens statt. Entsprechend vielfältig und unterschiedlich sind die Organisierung und Aktionen, um den Anliegen und Forderungen kämpferisch Gehör zu verschaffen. Geneviève de Rham vom waadtländischen Frauen*streikkollektiv diskutiert in ihrer Erklärung einige grundlegende Fragen zur Organisierung, den Streikmöglichkeiten und dem Auftreten gegenüber den Vorgesetzten, um den Frauen*streik möglichst gross, laut, bunt und kämpferisch zu gestalten.

von Geneviève de Rahm

Der Sinn eines Streiks ist, die Arbeiten niederzulegen, die man üblicherweise verrichtet, um den eigenen Anliegen und Forderungen Gehör zu verschaffen.

An Frauen* werden unzählige Anforderungen gestellt, da alle Aspekte des Lebens geschlechtsspezifisch strukturiert sind. Das gilt sowohl für junge wie auch für erwachsene oder ältere Frauen*.

Ein Streik kann am Arbeitsplatz durchgeführt werden. Dazu bieten sich insbesondere Orte an wie Krankenhäuser, medizinische und soziale Einrichtungen, Krippen und Kindertagesstätten, Verkauf, Dienstleistungssektor (Coiffeusen, Kosmetikerinnen) und weitere, an denen viele Frauen* arbeiten.

Aber auch in der Nachbarschaft, in einer Schule, in einem Freizeitzentrum oder an der Universität können wir einen Streik organisieren.

Der wichtigste Bestandteil eines erfolgreichen Streiks ist eine hohe Anzahl an Teilnehmer*innen.

Erst eine grosse Masse an Streikenden ermöglicht es, das Kräfteverhältnis zu verändern und einen Streik ohne die Gefahr von Vergeltungsmassnahmen durchzuführen.

Streiken am Arbeitsplatz

Schauen wir uns die Möglichkeiten des Streiks am Arbeitsplatz am Beispiel des Gesundheitssektors an. Während der Streiks in den 1990er Jahren erbrachten die streikenden Arbeiter*innen der Alters- und Pflegeheime nur eine minimale Versorgung für die Bewohner*innen oder Patient*innen. Um eine solche aber zu organisieren ist es sehr wichtig, sich bereits vor dem Streiktag zu organisieren. Um einen erfolgreichen Streik durchzuführen…

  • … müssen die spürbarsten Probleme identifiziert werden, um hier die entsprechenden Forderungen stellen zu können. Die verschiedenen Vorschläge, was während des Streiks zu tun ist, sollen in der Gruppe besprochen, abgewogen und dann entschieden werden.
  • … muss man sich darüber einigen, was man tun und was man nicht tun möchte. Im Gesundheitswesen bietet sich beispielsweise die Idee an, wie an den Sonntagen oder den Feiertagen zu arbeiten, um so die notwendige Versorgung gewährleisten zu können. Diese Fragen der Organisierung sind essentiell für einen Streik. Es ist sehr wichtig, dass sich die Teilnehmerinnen darüber einig sind, um in den Diskussionen mit den Vorgesetzten eine einheitliche und klare Meinung zu vertreten.
  • … sollten die Kolleg*innen über den Streik informiert und die Vorgesetzten darüber benachrichtigt werden, was passieren wird. Der beste Weg stellt die Schaffung eines Kollektivs von streikenden Frauen* am Arbeitsplatz dar, welches sich an eine Gewerkschaft wenden kann. Falls es keine Gewerkschaft geben sollte, kann es sich an das nächste andere Kollektiv wenden.
  • … sollte der Streik sichtbar gemacht werden: Fahnen, Banner und die Arbeitskleidung können an Fenstern aufgehängt werden; man kann gemeinsam auf den Vorplatz oder in den Hof gehen; es können Videos und Fotos gemacht und die Presse angerufen werden. Kolleginnen*, die am Freitag 14. Juni nicht arbeiten, können trotz freiem Tag vorbeikommen und den Streik unterstützen.
  • … soll Unterstützung für den Streik mobilisiert werden: der Vorstand des Quartiervereins, Gewerkschaftler*innen, Künstler*innen, gewählte Politiker*innen und weitere Persönlichkeiten sollten eingeladen werden, um die Streikenden zu besuchen und ihre Forderungen zu unterstützen.

Aber es gibt auch andere Möglichkeiten, um darauf hinzuweisen, dass der Arbeitstag des 14. Juni 2019 kein Tag wie jeder andere ist, selbst wenn streng genommen nicht gestreikt wird. Zum Beispiel kann die Pause gemeinsam verlängert werden, man kann sich um 11 Uhr auf dem Vorplatz oder im Hof versammeln, mittags ein Picknick veranstalten oder während der Arbeit ein lilafarbenes Accessoire wie ein T-Shirt oder ein Frauen*streikpin tragen. Es gibt noch viele andere Ideen, um zu zeigen, dass der 14. Juni 2019 ein ganz besonderer Tag ist – nämlich der Tag des feministischen Streiks und der Frauen* – auch wenn wir die Arbeit nicht niederlegen können.

Streiken im Haushalt, in der Pflege, in der Schule und beim Konsum

Der feministische Streik muss auch über den Arbeitsplatz hinausgehen, um alle Mechanismen sichtbar zu machen, die unser Leben ruinieren: Die strukturell den Frauen* überlassenen Haushaltsaufgaben und die Kinderbetreuung, sexistische Gewalt, die Unsichtbarkeit von Frauen* im öffentlichen Raum und viele mehr. Auch hier ist es notwendig, ….

  • … nicht einfach das zu tun, was wir sonst schon immer tun. Wir müssen wie am Frauen*streik von 1991 sagen: Normalerweise räumen wir auf, doch heute stören wir! (Französisch: d’habitude on range, aujourd’hui on dérange!) Keine Wäsche, kein Einkaufen, kein Taxi und keine mentale Belastung!
  • … ein Kollektiv in der Nachbarschaft zu schaffen und mit den Nachbar*innen zu diskutieren sowie die Materialien des Kollektivs vor Geschäften und Schulen zu verteilen.
  • … zahlreich zu sein, sich zu versammeln, sichtbar zu werden und Persönlichkeiten dazu aufzurufen, uns zu unterstützen. Um unsere Streikbewegung und unsere Forderungen bekannt zu machen, können Fotos und Videos gemacht und die Presse angerufen werden.

Ganz einfach ausgedrückt muss der Frauen*streik am 14. Juni 2019 eine grösstmögliche Bewegung sein, um die vielfältigen Facetten der Ausbeutung, der Dominanz und der Unterdrückung von Frauen* aufzuzeigen und zu verurteilen.

In dieser Bewegung können solidarische Männer durch ihre Unterstützung sehr nützliche Hilfe leisten, indem sie Frauen* in ihrem Umkreis an dem Streik teilnehmen lassen und indem sie Aufgaben übernehmen, die sie normalerweise nicht übernehmen. Ausserdem können sie die Kollektive zum Beispiel beim Kochen oder bei der Kinderbetreuung unterstützen.

Der Frauen*streik vom 14. Juni 1991 hat gezeigt, dass es tausend Gründe und tausend Streikmöglichkeiten gibt. Wir müssen dazu nur unsere Kräfte bündeln!


Diese Erklärung wurde von Geneviève de Rahm während des nationalen Frauenstreiktreffens am 10. März 2019 in Biel verlesen. Die Übersetzung von französisch auf deutsch erfolgte durch die Redaktion.

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