Heute Abend finden auf der ganzen Welt Demonstrationen und Kundgebungen anlässlich des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen statt. So auch in Zürich und in Basel. Wir veröffentlichen hier den Flyer der Frauengruppe der BFS Zürich, welchen wir heute Abend verteilen werden.
von BFS Frauen* Zürich
Am 25.11.2019 findet der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen zum 39. Mal statt. Er ist einer der wichtigsten Tage, um darauf aufmerksam zu machen, wie allgegenwärtig die patriarchale Gewalt ist. Von dieser Gewalt sind nicht nur Frauen betroffen, sondern auch Trans-, Inter- und Queerpeersonen. Weil dieser Tag international ‘Tag gegen Gewalt an Frauen‘ heisst, schreiben auch wir von Frauen. Jede 5. Frau in der Schweiz gibt an, bereits ungewollte sexuelle Handlungen erlebt zu haben. Auf die weibliche Bevölkerung der Schweiz hochgerechnet, wären dies ca. zwei Mal die Bevölkerung der gesamten Stadt Zürich: 800‘000 Frauen.
Was ist Gewalt an Frauen?
Das Bundesamt für Justiz bezeichnet Gewalt an Frauen als eine geschlechtsspezifische Form der Verletzung von Menschenrechten. Diese Definition verschleiert aber die kapitalistisch-patriarchale Gesellschaftsform, in welcher die Gewalt stattfindet. Denn durch körperliche oder psychische Gewalt, Stalking, sexuelle Übergriffe oder Vergewaltigungen, werden patriarchale Strukturen aufrechterhalten. Frauen und ihre Körper werden diszipliniert und kontrolliert, Männern untergeordnet und in deren Abhängigkeit gezwungen. Gewalt an Frauen kennt keine Grenzen, weder in geographischer und kultureller Hinsicht noch in Bezug auf das soziale Umfeld, die Formen und das Ausmass. Jeden Tag werden Frauen Opfer von physischer, sexueller und psychischer Gewalt, sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Raum.
Wo findet die Gewalt statt?
Gewalt an Frauen ist in der Öffentlichkeit allgegenwärtig. Zum Beispiel im öffentlichen Verkehr oder auf der Strasse, in Clubs oder Bars. Durch unangemessenes Anstarren, unerwünschte Berührungen, Kommentare, unangemessene Einladungen oder exhibitionistische Posen werden Frauen auf das ihr zugeschriebene, biologische Geschlecht reduziert[1] und zum Objekt gemacht. Die Omnipräsenz dieser Gewalt in unserem Alltag verursacht die physische Gewalt mit, da es die Vorfälle normalisiert.
Doch am häufigsten findet geschlechtsspezifische Gewalt in den eigenen vier Wänden statt und Täter sind oft enge Verwandte oder (Ex-)Partner. Von der Öffentlichkeit wird dieser Fakt fast immer und gerne vergessen. Die Wände, die Schutz und Sicherheit bieten sollten, machen die Taten unsichtbar für Nachbar*innen und Freund*innen.
Schweigen
Exakte Zahlen zu finden ist schwierig, denn die Kriminalstatistik basiert auf den gemeldeten Vorfällen und somit lässt sich die Dunkelziffer der Fälle nur vermuten. Amnesty International hat eine schweizweite Umfrage zur sexualisierten Gewalt an Frauen durchgeführt, die diese erschreckend hohe Dunkelziffer aufzeigt; Während nur 10% der betroffenen Frauen den Vorfall der Polizei gemeldet haben, entschieden sich 49% dafür zu schweigen. Gründe sind Scham, das Gefühl, chancenlos zu sein, Angst, dass es nicht geglaubt wird, oder dass sich die Situation mit einer Anzeige verschlimmert.
Die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt also nur einen Bruchteil der sexualisierten Delikte von 1291 Fällen (2018) auf, was massgeblich mit den patriarchalen Strukturen bei Polizei und dem Rechtssystem zusammenhängt.
Der 25. November als Tag gegen Gewalt an Frauen ist deshalb so wichtig, weil an diesem Tag jene Angelegenheit, die so oft verschwiegen und gemieden wird, offen thematisiert wird. Es ist unbedingt notwendig, dass Gewalttaten an Frauen, die im schlimmsten Fall mit einem Femizid enden, als solche benannt und nicht als Beziehungs- oder Familiendrama abgestempelt werden, wie es im medialen Diskurs oft der Fall ist. (So schaffen Medien eine Legitimation, für Taten, die einfach nicht legitimierbar sind.)
Unsere Forderungen:
• Eine Überarbeitung des Gesetzesartikels 190 StGB: der sexistische Ballast muss weg – das Einverständnis für eine sexuelle Handlung muss gegeben sein!
• Schutz der Betroffenen statt Täterschutz: Wir wollen, dass Betroffene ernstgenommen werden. Die Beweislast soll beim Täter liegen! (und dass aktiv gegen die Täter*innen vorgegangen wird, indem jegliche Fachpersonen aktiv im Kontakt mit sexuell missbrauchten Personen geschult werden.)
• Nach der Ratifizierung der Istanbul Konvention fordern wir endlich die Umsetzung! Dringend notwendig sind Kampagnen gegen jegliche Gewalt an Frauen sowie für consent („nur ja heisst ja!“).
• Statistische Erfassung aller geschlechtsspezifischen Gewalttaten!
• Ausbau der schulischen Sexualpädagogik als Pflichtfach – unterrichtet durch (externe) ausgebildete Lehrpersonen – in jeder Schule!
• Keine Sparmassnahmen auf Kosten der Frauen! Weder bei Schutzeinrichtungen wie Frauenhäusern, noch Sozialleistungen oder der Rente.
• Anerkennung geschlechtsspezifischer Asylgründe sowohl im Herkunftsland, als auch auf der Flucht oder hier in den Asylunterkünften! Zudem sollen die Unterkünfte frauenspezifischen Bedürfnissen angepasst werden (z.B. Beratung von Frauen für Frauen) und Privatsphäre gewährleisten!
• Kollektivierung der Care-Arbeit und Lohngleichheit! Alle Frauen sollen ökonomisch unabhängig sein!
Und vor allem:
Weil Gewalt an Frauen* nicht nur am 25. November, sondern 365 Tage im Jahr stattfindet: Frauen, schliessen wir uns zusammen, um patriarchale Gewalt auf allen Ebenen kollektiv und solidarisch zu bekämpfen! Und schliesst euch der ni-una-meno-Kampagne des Zürcher Frauenstreikkollektivs an: Wir wollen uns lebend!
Start der Demonstrationen:
In Basel treffen wir uns um 18.30 auf dem Theaterplatz.
In Zürich treffen wir uns um 19.00 Uhr auf dem Ni-Una-Menos Platz (Helvetiaplatz).
Als Aufruf für die Demo in Zürich haben wir BFS Frauen* gestern ausserdem eine Wandbild-Aktion gemacht, hier einige Fotos:



[1] Wobei bereits das Zuschreiben eines Geschlechts gewaltvoll sein kann (Stichwort missgendering).