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Frauen streiken: Lisa, 26

Du versuchst in deinem Alltag Lohnarbeit, politisches Engagement, dein Studium sowie dein Familienleben unter einen Hut zu bringen. Geht das überhaupt?

Es geht mal besser, mal weniger gut. Es ist schon eine Herausforderung, so viele verschiedene Rollen zu haben im Alltag und das Koordinieren der verschiedenen Aufgaben ist vielleicht sogar das anstrengendste daran. Ich muss mir die Zeit bewusst einteilen und mir überlegen, was mir im Moment wichtig ist, und was weniger. Es gibt Phasen, da ist die Familienzeit sehr intensiv, dann kommt wieder die Prüfungszeit an der Uni oder die Überstunden bei der Arbeit häufen sich. Solange sich diese Phasen abwechseln, geht das gut; wenn alles zusammenkommt, Stress bei der Arbeit, krankes Kind, usw. dann bricht das Ganze aber schnell in sich zusammen und die Routine kommt völlig durcheinander. Aber ich muss auch sagen, dass ich es sehr geniesse, verschiedene Aufgabenbereiche nebeneinander zu haben. Es wird bestimmt nie langweilig, wenn man an einem Tag dies, am anderen Tag jenes zu tun hat und diese Abwechslung ist sehr erfüllend.

Welche Herausforderungen und Probleme begegnen dir im Alltag in diesen verschiedenen „Rollen“?

Seit ich Mutter geworden bin, haben sich die Prioritäten schon etwas verschoben. Ich versuche viel Zeit mit meinem Sohn zu verbringen, vor allem solange er noch so klein ist. Das heisst, dass ich weniger arbeite und von sehr wenig Geld lebe. Um doch noch politisch aktiv sein zu können, vernachlässige ich mein Studium, was es wiederum in die Länge zieht und dazu führt, dass sich meine finanzielle Situation nicht unbedingt verbessert. Ausserdem ist es manchmal schwierig, nicht ständig unzufrieden mit mir selbst zu sein, weil ich oft das Gefühl habe, für nichts richtig Zeit zu haben und deshalb nichts richtig zu tun: zu wenig Studentin, zu wenig Aktivistin, zu wenig Erwerbstätige. Schliesslich ist das Schwierigste wohl trotz der verschiedenen Rollen noch Zeit für sich selbst zu finden und den Anschluss an das soziale Umfeld nicht zu verlieren. Die vielen Verpflichtungen können einen sozial isolieren.

Erlebst du in deinem Alltag Situationen, in denen du dich als Frau diskriminiert fühlst? Wo und inwiefern tangiert dich die geschlechterspezifische Arbeitsteilung in deinem Leben?

Einerseits arbeite ich in einem feminisierten Beruf und habe daher einen sehr niedrigen Lohn. Ich gelte als unqualifizierte Arbeitskraft, da ich als Quereinsteigerin im Bibliothekswesen gelandet bin. Aber da meine Mutter ausgebildete Bibliothekarin ist, weiss ich, dass auch für die qualifizierten Arbeitskräfte die Löhne sehr niedrig sind in dieser Branche. Andererseits bin ich im Moment auch sehr mit den gesellschaftlichen Erwartungen an mich als Mutter und den herrschenden Vorstellungen vom „Muttersein“ konfrontiert. Ich habe mittlerweile gemerkt, dass diese Vorstellungen sehr ambivalent sind. Einerseits wird erwartet, dass man sich als Mutter vollkommen für sein Kind aufopfert (während für‘s Vatersein vor allem ein hohes Einkommen wichtig ist). Andererseits wird aber auch der baldige Berufseinstieg gesellschaftlich immer mehr erwartet. Das Bild von Frauen, die Homeoffice machen mit dem Baby im Tragetuch und Geschäftstelefonate auf dem Spielplatz erledigen, nervt mich zunehmend. Es setzt Mütter unter Druck. Die zentrale Frage nach der geschlechterspezifischen Arbeitsteilung wird dabei nicht gestellt.

Welche politischen Veränderungen strebst du aus einer feministischen Perspektive an? Was müsste in der Gesellschaft anders laufen?

Feminisierte Berufe gehören aufgewertet. Es gibt zu viele gutbezahlte Bullshit-Jobs, die keinen gesellschaftlichen Wert schaffen (z.B. im Management), während in der Pflege und in der Kinderbetreuung die Löhne kaum zum Leben reichen. Eine radikale Arbeitszeitverkürzung für alle Geschlechter würde den Grundstein legen für eine Gesellschaft, in der die notwendige Arbeit solidarisch verteilt wird. Politischen und sozialen Tätigkeiten muss endlich mehr Raum und mehr Wertschätzung entgegengebracht werden.


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