Rebecca Lüthi ist 26 und arbeitet in einer Kindertagesstätte und bei privaten Familien als Fachfrau Betreuung
Wie wirkt sich dein Geschlecht auf deinen Arbeitsalltag aus?
Eine Mutter, deren Kinde ich betreue, meinte, sie verstehe sowieso nicht, was Männer in Kitas suchen würden, die Betreuung sei doch Sache der Mutter.
Ich glaube schon, dass ich besonders bei privaten Familien im Vorteil bin als Frau. In den Kitas hingegen war es oft so, dass wir uns mehr Männer in der Branche gewünscht hätten.
Wie wirkte sich dein Geschlecht auf deine Berufswahl aus?
Ich wollte schon in der 4. Klasse Kindergärtnerin werden. Ich kam früh in Kontakt mit Kleinkindern durch meine grosse Familie und liebte es sehr, Zeit mit Ihnen zu verbringen. Meinem Bruder ging es gleich und auch er lernte denselben Beruf wie ich. Ich hoffe, dass ich auch den Mut gehabt hätte auf den Bau zu gehen oder mich als Informatikerin ausbilden zu lassen. Aber der Wunsch mit Kindern zu arbeiten kam bei mir sehr früh auf und ich glaube (vielleicht naiv), dass mein Geschlecht darauf keinen Einfluss genommen hat.
Wie erlebst du die Geschlechterverhältnisse an deiner Arbeitsstelle und in deinem Berufsfeld allgemein?
Wir sind praktisch nur Frauen und die wenigen Männer die es gibt, machen den Beruf nie für lange. Zumindest diejenigen, die ich kenne. Ich habe es immer sehr genossen männliche Teamkollegen zu haben. Jedoch geht es mir in erster Linie um die Person dahinter. Ich arbeitete schon mit Männern, die ich eher als ein Kind mehr rechnen musste und ich arbeitete mit Männern, die wertvolle Arbeit leisteten und kritisches Feedback geben konnten. Dass unsere Branche so wenig Männer aufweist, macht wieder deutlich, wie sehr die Gesellschaft das Arbeiten mit Kindern als Frauensache sieht. Ich kann mir vorstellen, dass viele diesen Beruf von Anfang an ausschliessen, da es ein typischer Frauenberuf ist, was sehr schade ist.
Machst du inner- und außerhalb deiner Arbeitsstelle Diskriminierungserfahrungen als Frau?
Weil meine Mutter aus Marokko ist, verbringen wir oft unsere Ferien dort. Immer wieder mussten wir uns lautstark dafür einsetzen, dass wir alleine Ausflüge unternehmen durften, ohne dass ein Onkel mitgeschickt wurde. Auf öffentlichen Plätzen wurde mir schon zwei Mal in den Schritt gefasst. Einmal an einer Schaumparty (ich war 16, wenn das als Entschuldigung zählt, dass ich an eine Schaumparty bin 😀 ) im kurzen Rock und einmal mit Kopftuch auf dem Djemaa El Fna in Marrakech. Beide Male fühlte ich eine so ohnmächtige Wut. Inmitten von tausenden von Leuten ist es unmöglich, die Person ausfindig zu machen, die die Dreistigkeit besitzt, mich anzufassen, ohne jegliche Einwilligung von mir. In diesen Momenten, führte mein alleiniges Frau-sein dazu, dass ich als Objekt angesehen wurde und man es sich herausnahm, für die eigene Lust die Integrität einer fremden Person zu verletzen.
Wieso wirst du am 14. Juni streiken?
Ich streike weil ich genug habe davon, als ausgebildete Fachperson knapp 23 CHF. Auf die Stunde zu erhalten. Ich streike, weil ich nie mehr auf 14 Kinder aufpassen will, von denen drei noch besondere Bedürfnisse haben, und man niemals allen Kindern gerecht werden kann. Ich streike in Solidarität mit allen Frauen, die jemals eine Gewalttat erleben mussten. Ich streike für alle Frauen mit, die nicht das Privileg haben, sorglos ihre Stimmen erheben zu können. Ich streike, weil ich es Leid bin, 2019 noch in einem Land zu leben, das Frauen 20% weniger bezahlt, einfach nur weil sie Frauen sind. Ich streike, weil ich will, dass die Schweiz so fortschrittlich wird, wie sie es schon längst sein sollte. Ich streike, weil ich müde bin von den ewigen Geldsorgen, die mich jetzt schon wütend machen, wenn ich an meine AHV denke.
Was muss der Frauen*streik fordern? Was sind deine feministischen Ziele?
- Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
- Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
- Mehr Frauen in Kaderpositionen
- Keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts