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Schweiz: Frauen an der Uni

Seit 150 Jahren sind Frauen an der Universität Zürich zugelassen. Dennoch blieb die Uni ein männlich dominiertes Feld. Doch die Waage kippt langsam auf die andere Seite: 1980 war knapp ein Drittel aller Studierender Frauen* und seit der Jahrtausendwende beginnen jeweils mehr Frauen* als Männer ein Studium an Schweizer Universitäten. Ein ähnliches Bild zeigt sich an den Fachhochschulen (inkl. den Pädagogischen Hochschulen), wenn auch noch nicht so lange. Aber trotz ihrer quantitativen Überlegenheit (zumindest bei den Studierenden) treffen Frauen* noch immer nicht auf die gleichen Bedingungen. Anhand verschiedener statistischer Beobachtungen lässt sich aufzeigen, dass Frauen* im Studium und in der Forschung immer noch höhere Hürden zu bewältigen haben als Männer.

Mit Hilfe von verschiedener Statistiken wollen wir zeigen, wie sich die Diskriminierung von Frauen* während und nach dem Studium auswirkt. Die Gründe und die Ausformungen der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts werden in diesem Artikel nur angedeutet. Der quantitative Ausdruck der Statistiken spricht jedoch klar dafür, dass es keine individuellen Gründe sind, die Frauen* in qualitativ schlechtere Positionen innerhalb der Gesellschaft navigieren. Vielmehr zeigen die Statistiken, dass die Diskriminierung von Frauen* auf gesellschaftliche Faktoren zurückzuführen ist, die eng mit dem Funktionieren und den Bedürfnissen der kapitalistischen Produktionsweise verknüpft sind.

Selektion und „Leaky Pipeline“

Die „Leaky Pipeline“ (leckende Leitung) wird als Metapher, für den Umstand benutzt, dass der Frauen*anteil an den Hochschulen sinkt je höher man die Karriereleiter hinaufsteigt. Dieser Umstand ist in allen Fachbereichen festzustellen. Zur Illustration dient hier das Beispiel der Geistes- und Sozialwissenschaften an den Schweizer Universitäten, welche vor allem zu Beginn einen sehr hohen Frauen*anteil aufweisen. Von 70% Studentinnen* bei Studiumseintritt entwickelt sich der Anteil über 55% bei den Doktoratsabschlüssen bis hin zu unter 30% bei den Professuren. (siehe Abb. 1)

– Abb. 1 – 3: Leaky Pipelines in verschiedenen Fachbereichen. (aus F+M an den CH-Hochschulen, 2011)

Diese Grafiken zeigen deutlich: Frauen* werden bei fast allen Übertritten wegselektioniert. Die Übertrittsrate von den Gymnasien an die Hochschulen ist bei Frauen* niedriger als bei Männern. Noch grösser ist der Unterschied beim Übertritt von den Berufsmaturitätsschulen an die Fachhochschulen. Auch in Bezug auf den Abschluss eines Doktorats sind Frauen* (65% Erfolgschance) schlechter gestellt als Männer (75%).

Abb. 4: Erfolgsquote bei Doktorierenden nach Geschlecht. (aus Frauen+Männer an den CH-Hochschulen, 2011)

Das Problem der Untervertretung von Frauen* in höheren Positionen wird auch von den Gleichstellungskommissionen der Hochschulen als solches anerkannt. Wenngleich sich die meisten Hochschulen Gleichstellung auf die Fahne schreiben und es dabei auch bedeutende Fortschritte gibt, werden einige Punkte noch immer arg vernachlässigt und der Umgang einiger Hochschulen, wie der ETH, mit dem Thema ist höchst fragwürdig, wie der Fall von sexuellen Belästigungen eines Architekturprofessoren zeigt. Obwohl klare Hinweise auf sexuelle Belästigungen vorliegen, verweigert sich die ETH diese als solche anzusehen. Zudem scheint der Fokus der Gleichstellungsstellen der Hochschulen vor allem in Richtung Spitzenförderung zu gehen, was dem Grossteil der Student*innen nur bedingt hilft.

Abb. 5: Die Statistik zeigt den Bildungstand nach Alter. Auffällig ist, dass vor allem bei älteren Menschen die Unterschiede bei den Abschlüssen zwischen Frauen* und Männer höher sind. Es zeigt auch, dass Männer eher nach 34 noch einen Abschluss nachholen. (aus Bildungsabschlüsse 2014, BFS)

Frauen*studiengänge und Löhne

In den meisten Fachbereichen ist ein geschlechtliches Ungleichgewicht festzustellen. So ist zum Beispiel der Frauen*anteil bei den Geistes- und Sprachwissenschaften (65% bzw. 78% Frauen*, 2010), in den Lehramtsstudiengängen, im gesundheitlichen Fachbereich und im Bereich der Sozialen Arbeit sehr hoch, während er in naturwissenschaftlichen, technischen und wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen deutlich geringer ist. Wenig überraschend werden den Absolvent*innen der von Frauen* dominierten Fachbereichen später zumeist tiefere Löhne ausbezahlt.

Abb. 6: Median löhne nach Ausbildung. (aus Lohnstudie Kanton Zürich, 2014)

Mit diesem Umstand der schlechteren Entlohnung ganzer Berufsgruppen wird ein Teil der Lohndiskriminerung „erklärt“. Aber nur weil ein Umstand „erklärbar“ ist, bedeutet das noch lange nicht, dass er nicht diskriminierend und abzuschaffen ist. Und überhaupt: dass es ganze Niedriglohnsektoren gibt, in denen hauptsächlich Frauen* angestellt sind, ist keine ausreichende Erklärung. Vielmehr stellen sich die Fragen, wieso in diesen Bereichen mehr Frauen* arbeiten und wieso diese Arbeiten als weniger wertvoll eingeschätzt werden. Wenn die patriarchale-kapitalistische Gesellschaft als Erklärung für Lohndiskriminierung dient, können auch die von Statistiker*innen als „unerklärbar“ bezeichneten Unterschiede erklärt werden. Relativ simpel sogar: Sexismus.

Bereits im ersten Job nach dem Studium verdienen Frauen* weniger als Männer mit der gleichen Ausbildung. Die Lohndiskriminierung ist mit einem Hochschulabschluss sogar grösser als ohne. 2014 verdienten im Kanton Zürich Frauen* mit Hochschulabschluss durchschnittlich 27% weniger als Männer mit demselben Abschluss, Frauen* mit der obligatorischen Schule als höchstem Abschluss wurden mit 17% weniger entlöhnt. Dieser grössere Unterschied lässt sich durch den hohen Anteil von Männern mit höherer Ausbildung in gut bezahlten Führungspositionen „erklären“. Dieser höhere Anteil ist auf dieselbe geschlechtsspezifische Selektion, wie oben bereits angesprochen, zurückzuführen. Die geschlechtsspezifische Selektion ist ein Merkmal und Ausdruck der patriarchalen-kapitalistischen Gesellschaft, zu deren Reproduktion eine männliche Dominanz in Machtpositionen von Vorteil ist.

Lohnunterschied und geschlechterspezifische Arbeitsteilung

Zwischen einem und fünf Jahren nach einem Masterabschluss verdoppelt sich die Lohnungleichheit. Der Faktor ist mit 4.5 und 3.5 nach einem Bachelor- bzw. PHD-Abschluss sogar noch höher. Von einer „Grunddiskriminierung“ ausgehend vervielfacht sich somit die Ungleichheit bis ungefähr zum 40. Lebensjahr. Gravierend ist hier auch der Unterschied zwischen verheirateten und ledigen Frauen*. Der Medianlohn lediger Frauen* liegt in allen Altersgruppen konstant ca. 8% unter dem von ledigen Männern. Bei verheirateten Personen öffnet sich jedoch die Schere. Verheiratete Frauen* ab 30 Jahren verdienen weniger als ledige Frauen*, während verheiratete Männer in diesem Alter gar mehr verdienen wie ledige. Natürlich spielt die finanzielle Situation auch eine Rolle für den Entscheid zur Heirat und in den meisten Fällen auch für den Entscheid zu Kindern. 70% der verheirateten Frauen zwischen 30 und 50 Jahren haben Kinder, während nur 20% der ledigen Frauen* zwischen 30 und 50 Kinder haben. Der Faktor Mutterschaft ist einer der entscheidenden bei der Lohndiskriminierung verheirateter Frauen*.

Die durch Schwangerschaft und Kinderkriegen bedingten Arbeitsausfälle dienen den Unternehmen als Vorwand für schlechteren Lohn und führen bei 10% der Frauen zu einer Kündigung.


Abb 7 und 8: Zeigen die Entwicklung der Löhne nach Alter und Geschlecht. Die Grafik 8 zeigt zudem die Auswirkung des Zivilstandes auf den Lohn.

Die Zahlen und Grafiken für den Artikel stammen aus folgenden Studien:

– Bildungsabschlüsse 2014, Bundesamt für Statistik.  https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bildung-wissenschaft/bildungsabschluesse.assetdetail.349011.html

– Frauen und Männer an den Schweizer Hochschulen, 2011, Bundesamt für Statstik.https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/kataloge-datenbanken/publikationen.assetdetail.347895.html

– Lohnstudie Kanton Zürich, 2016. https://statistik.zh.ch/dam/justiz_innern/statistik/Publikationen/statistik_info/si_2016_03_Lohnstudie.pdf.spooler.download.1510302368784.pdf/si_2016_03_Lohnstudie.pdf

Titelbild: „Die Hälfte der Uni für die Frauen“ – Forderung der „VrauSU“, der Frauengruppe der damaligen Studierendenorganisation VSU, aus den 1980er. aus: Wir sind, was wir erinnern – Zur Geschichte der Studierenden der Uni Zürich von 1968 bis 2008. Herausgegeben vom Studierendenrat der Uni Zürich. Die Publikation ist unter: https://vsuzh.ch/de/organisation/historisches

Der Artikel erscheint in der neuen Ausgabe der Hochschulzeitung Im Übrigen der BFS Zürich und BFS Jugend Zürich.

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