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Frauen streiken: Selam, 21

Was für eine Lehre hast du gemacht?

Innendekorateurin Fachrichtung Polstern 

Heute ist Innendekorateurin – zumindest die Fachrichtungen Polsterin und Näherin – ein feminisierter Beruf. Kannst du uns ein Beispiel geben von sexistischen Erfahrungen, die du im Arbeitsalltag erlebt hast?

In unserem Beruf kamen die sexistischen Vorurteile nicht nur von Seiten der Männer. Auch einige Frauen im Betrieb hatten diese verinnerlicht. Weil Polsterin früher ein typischer Männerberuf war, wurden wir von den Näherinnen im Betrieb als «die Männer» bezeichnet – obwohl wir alles Frauen waren. 

Gleichzeitig wollten uns die Männer die Arbeit abnehmen, wenn es darum ging «männliche Tätigkeiten» auszuführen (z.B. schwere Sachen herumzuschleppen), da wir die «schwachen Frauen» waren. Ein weiteres Beispiel ist, dass wir von den Männern ständig gefragt wurden, ob wir Fragen zur Arbeit hätten und als unselbstständig und hilfsbedürftig dargestellt wurden. Manchmal hiess es dann, «komm ich mach das schon» (in einem abschätzigen Tonfall). Allerdings mussten wir es am Ende dann trotzdem selbst erledigen.

Wie hast du die Geschlechterverhältnisse in der Lehre und in deinem Berufsumfeld erlebt?

Weil wir fast ausschliesslich Frauen waren, habe ich im Arbeitsalltag – abgesehen von den obigen Beispielen – wenige sexistische Diskriminierungserfahrungen durch Männer erlebt.

Man merkte, dass in einem Betrieb, in dem nur zwei Männer arbeiten, die Frauen eine andere Stellung innehatten. Wenn z.B. Probleme entstanden sind, hiess es immer mal wieder «wir Frauen schaffen das schon». In diesem Sinne bestand auch ein Zusammenhalt unter den Frauen im Betrieb. Dies ist quasi eine positive Seite der Feminisierung von Berufen, auch wenn die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung natürlich ein grosses Problem darstellt und zu sozialer Ungleichheit führt.

Es ist allerdings typisch, dass die einzigen zwei Männer im Betrieb der Chef und der Lehrmeister waren – also in der Hierarchie oben waren.

Welche Erfahrungen hast du als Frau in der Berufsschule gemacht?

Wir gingen an die Baugewerbliche Berufsschule, an der fast nur Männer zur Schule gehen. Wenn ich alleine über den Pausenhof lief, auf dem nur Männer herumstanden, kam ich mir teilweise vor wie eine Gazelle, die an den Hyänen vorbeilief. Immer wieder wurde mir auch nachgepfiffen. Vor allem im ersten Lehrjahr waren das sehr diskriminierende Situationen für mich. Ich war sicher nicht die einzige, die das erlebt hat. 

Sobald ich mich aber gewehrt habe, war Ruhe. So lernte ich für die nächsten Jahre, wie ich damit umgehen musste. 

Im Allgemeinbildungsunterricht haben wir mal das Thema Lohnungleichheit behandelt. Obwohl wir zehn Frauen und nur drei Männer in der Klasse waren, war ich fast die einzige, die das ungerecht fand. Auch die Mitschülerinnen fanden es gerecht, dass Frauen weniger verdienen, weil wir angeblich weniger schwer schleppen könnten. Dies ist ein weiteres Beispiel, dass auch wir Frauen gesellschaftliche Vorurteile verinnerlicht haben.

Kannst du uns ein Beispiel einer Diskriminierungserfahrung nennen, die du als Frau ausserhalb der Arbeit oder der Schule erlebt hast?

Wenn ich von meinem Beruf erzählte, in dem ich auch Boden verlegen muss, wurde ich schon oft nicht ernst genommen. Es kamen Sprüche wie «Du in Bodenlegerhosen? Das kann ich mir nicht vorstellen» oder «Also so richtig Boden legen? Also so richtig wie ein Bodenleger? Aber ihr seid doch Frauen!» Das Schlimmste war jedoch, wenn Männer zwinkernd sagten: «Dann bist du ja gut auf den Knien».

Wieso wirst du am 14. Juni streiken?

Weil die Gleichberechtigung zwar auf dem Papier existiert, aber in der Realität oftmals nicht. Weil wir immer noch weniger verdienen, schlechter behandelt werden, nicht gleich ernst genommen werden, und bis heute immer noch grosse Ungleichheiten bestehen in allen Varianten. Es gibt noch viel zu tun. Je mehr Frauen am Streik teilnehmen, desto besser. Wir sind viele und haben Vieles zu sagen – und am 14. Juni werden wir ein kraftvolles Zeichen setzen!

Was muss der Frauen*streik fordern? Was sind deine feministischen Ziele?

Ganz einfach: Gleichberechtigung in allen Bereichen. Keine Gewalt an Frauen* und besonders kein Schweigen darüber. Keine Verurteilungen wegen dem Geschlecht. Akzeptanz und Respekt! 

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