Welches gymnasiale Profil belegst du?
Spanisch/Englisch an der Kantonsschule Freudenberg.
Wie wirkt sich dein Geschlecht auf deinen Bildungsweg aus?
Lange Zeit sind mir die Dinge, die ich nun im Schulalltag als sexistisch oder unfair betrachte, gar nicht aufgefallen. Mir war nicht bewusst, dass ich aufgrund meines Geschlechts andere Möglichkeiten hatte bzw. anders behandelt wurde. Es sind kleine Dinge, wie unterschiedliche Wahlmöglichkeiten bei Sportarten und stereotypische Rollenzuschreibungen, die, wenn man sie genau betrachtet, eben doch nicht so klein sind. Als weiteres Beispiel, der Fakt, dass während meines gesamten Geschichtsunterrichts noch nie eine weibliche Figur behandelt wurde und wir im Deutschunterricht fast ausschliesslich Bücher von männlichen Autoren lesen. Ich frage mich also, wie sollen junge Mädchen die Welt überhaupt anders sehen können als durch die Augen von Männern, wenn gar keine weiblichen Vorbilder vorhanden sind? Meiner Meinung nach ist mein Bildungsweg noch immer von sexistischen Strukturen beinflusst, und das muss sich dringend ändern.
Welchen Beruf willst du lernen/Was willst du studieren? Hast du das Gefühl, dass deine Wahl etwas mit deinem Geschlecht zu tun hat?
Ein älterer Herr hat mich einmal gefragt, was ich denn später werden wolle. Ich antwortete, dass ich es nicht wisse und er meinte, dass das merkwürdig sei, weil doch alle jungen Frauen Tierärzte oder Lehrerinnen werden wollten. Diese Aussage hat mich damals ziemlich geschockt und ich hielt es für unerklärlich wie heutzutage noch jemand so denken konnte. Doch leider ist es wirklich so, dass viele Leute noch immer so denken oder es zumindest das ist, was sie im Endeffekt von dir erwarten. Wenn ich jetzt an die Zukunft denke oder mir vorstelle, wo ich mich in zehn Jahren sehe, kann ich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass ich etwas machen will, das mit Schreiben oder Kunst zu tun hat. Das sind die beiden Dinge, die mir am meisten Spass machen. Ob ich das Gefühl habe, dass mir diese Dinge gefallen, weil ich ein Mädchen bin? Nein. Warum sollte mein Geschlecht etwas mit meinen Hobbys zu tun haben? Ich spiele Fussball, ein Sport, der lange als „Männersport“ gesehen wurde und es zum Teil noch immer wird. Auch wenn es viele gibt, die das anders sehen, hängen meiner Meinung nach das Geschlecht einer Person und deren Vorlieben in keiner Weise zusammen.
Wie erlebst du die Geschlechterverhältnisse an deiner Bildungsinstitution?
Es gibt viele Beispiele, in denen sich zeigen lässt, dass Geschlechter noch immer eine grosse Rolle spielen und vor allem die klare Trennung von weiblich und männlich.Dass man mit Mädchen anders umgeht als mit Jungen (andere Geschlechter werden meist gar nicht berücksichtigt). An unserer Schule ist es zum Beispiel so, dass die Bedürfnisse der Jungen im Sport immer vor gehen. Wenn es also um die Wahl der Halle geht, oder darum, wer die besseren Bälle bekommt, haben immer die Jungen den Vortritt. In dem halben Jahr, in dem wir im Sportunterricht Jonglieren hatten standen uns immer nur Tennisbälle zur Verfügung, weil die richtigen Jonglierbälle von den Jungen genutzt wurden. Ausser natürlich, sie brauchten sie gerade mal nicht. Ich habe meinen Sportlehrer einmal darauf angesprochen, doch er zuckte bloss mit den Schultern und drückte mir einen Tennisball in die Hand. Jeden zweiten Mittwoch, wenn uns Mädchen* eigentlich der Fussballplatz zur Verfügung stand fragte ich meinen Sportlehrer, warum er denn jetzt doch wieder von den Jungen besetzt war. Er meinte bloss, dass für uns Bodenturnen auf dem Programm stand. Bodenturnen. Während die Jungen fast ausschliesslich Ballsportarten machten, mussten wir uns mit Dehnübungen, Tanzen und Bodenturnen zufriedengeben. Denn das ist es ja, was wir wollen. Nicht Fussball. Nicht Basketball. Nein, Mädchen wollen Bodenturnen.
Machst du inner- und außerhalb deiner Bildungsinstitutionen Diskriminierungserfahrungen als Frau?
Aussagen wie „Für ein Mädchen bist du aber ziemlich gut in Physik“ oder „Du spielst nicht schlecht Fussball; für ein Mädchen“ hat wahrscheinlich jede Frau* schon mindestens einmal gehört. Es fängt bei kleinen, alltäglichen Dingen an, wie, dass einem auf die Brüste oder den Hintern geschaut wird während man mit jemandem spricht. Oder, dass jemand Äusserungen zu deinem Aussehen, Körper oder deiner Kleidung macht. Dass man „Bitch“, „Schlampe“ oder „Hure“ genannt wird. Das sind Dinge, die viele Frauen* täglich ertragen müssen, die sie über sich ergehen lassen müssen. Und wenn sie das nicht tun – wenn sie sich dagegen wehren – werden sie als „Feminazis“ oder „Kampflesben“ deklariert.Ich persönlich habe solche Begriffe schon oft zu hören bekommen und weiss, dass ich nicht die einzige bin.
Wieso wirst du am 14. Juni streiken?
Ich werde am 14. Juni streiken, weil ich es für wichtig halte. Je mehr Frauen* sich daran beteiligen, desto klarer wird, dass noch immer viele davon betroffen sind und es auch im Jahr 2019 noch Sexismus gibt. Ausserdem zeigt es, dass wir es uns nicht gefallen lassen, wie man mit uns umgeht, dass wir Veränderungen sehen wollen. Und zu diesen Veränderungen möchte ich etwas beitragen. Ich will nicht nur dasitzen und warten, bis endlich etwas passiert, bis sich endlich mal jemand darum kümmert. Ich möchte mich engagieren und für die Dinge kämpfen, die mir wichtig sind, auch wenn es einfacher wäre, es anderen zu überlassen.
Was muss der Frauenstreik fordern? Was sind deine feministischen Ziele?
Der Frauenstreik soll auf jeden Fall zeigen, wie viele Menschen noch immer wegen ihres Geschlechts diskriminiert werden, und ihnen klarmachen, worum es beim Feminismus wirklich geht. Viele denken, beim Feminismus geht es darum Männern die Macht zu entreissen und sie dann den Frauen zu übergeben. Doch das hat überhaupt nichts mit Feminismus zu tun, und es ist auch bestimmt nicht das, was ich erreichen will. Mir geht es allein um die Gleichstellung aller Geschlechter. Dass jeder dieselben Karrierechancen hat, jeder gleich viel verdient, gleich behandelt und nicht stereotypisiert wird. Dass niemand es als selbstverständlich sieht, dass Frauen auf Männer und Männer auf Frauen stehen oder dass man sich als das Geschlecht identifiziert, in das man hineingeboren wurde. Dass niemand aufgrund seiner Hautfarbe, Religion, Sexualität oder seines Geschlechts diskriminiert wird. Denn für mich geht es bei Gleichberechtigung um viel mehr als nur Frauenrechte.