Die ultrarechten, christlichen FundamentalistInnen haben es noch immer nicht begriffen. Auch 2019 wollen sie mit einer Demonstration ihr Frauen- und LGBTIQ-feindliches Weltbild propagieren. Doch die AbreibungsgegnerInnen können sich einmal mehr auf lautstarken Gegenprotest gefasst machen. Am kommenden Samstag, 14. September besammelt sich der Gegenprotest um 12.45 auf der Josefwiese in Zürich. Wir veröffentlichen an dieser Stelle einen Beitrag zum Thema, welchen die Gruppe feministische und direktive Intervention im Zuge der Gegenmobilisierung verfasst hat.
von f.u.d.i. (feministische und direktive Intervention)
Abgetrieben wurde schon immer
Abtreibungsverbote verhindern nicht, dass Menschen abtreiben, sondern füh- ren dazu, dass sie dies im Schatten der Illegalität tun müssen. So trifft die Bestrafung von Schwangerschaftsabbrüchen besonders Frauen, trans, inter und queere Personen (kurz FTIQ [1]) aus der Unterschicht. Denn sie haben oft nicht genug Geld, um sich den entsprechenden Behandlungen in sicheren Kliniken im Ausland zu unterziehen. Noch immer sterben deswegen jährlich tausende Personen am Versuch, im Verborgenen abzutreiben. Feminist*innen haben uns das Recht, über eine ungewollte Schwangerschaft selbst entscheiden zu dürfen, vor nicht langer Zeit hart erkämpft. Doch gerade mit Blick in Länder wie die USA oder Polen wird schnell klar: Das Szenario, dass uns diese Rechte plötz- lich wieder genommen werden, ist eine reale Bedrohung.
Wieso kämpfen wir als Feminist*innen um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch
Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ist ein zentrales feministisches An- liegen. Im Zentrum steht die Selbstbestimmung von FTIQ über ihre eigenen Körper – weder Staat, Politik noch Religion steht es zu, uns vorzuschreiben, was wir damit tun. Ob und wann wir Kinder bekommen, entscheiden wir! Das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen nimmt uns diese Entscheidung und zwingt uns dazu, Kinder in die Welt zu setzen, ganz egal, ob wir wollen und können. Dass dabei die Rechte eines Zellhaufens, der sich potenziell zu einem Lebewesen weiterentwickeln könnte, über unser Selbstbestimmungsrecht ge- stellt werden, sagt viel über die Stellung von FTIQ in dieser Gesellschaft aus. Im Patriarchat sollen FTIQ klein gehalten werden, es soll über unser Verhalten bestimmt werden, unsere Körper sollen vereinnahmt werden.
Als Feminist*innen wehren wir uns gegen jede Entmündigung, gegen Fremd- bestimmung und jegliche Herrschaftsverhältnisse. Wir kämpfen für die Auto- nomie und Selbstbestimmung aller. Aus einer feministischen, sprich nicht-men- schenverachtenden, Perspektive wird klar: Weder Staat, Religion noch die Politik dürfen über Fragen wie diese entscheiden, sondern nur die betroffenen Personen selbst. Dieses Recht verteidigen wir, und dafür kämpfen wir!
Zur aktuellen Situation in der Schweiz
Nachdem in der Schweiz der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen lange kompliziert und kantonal geregelt war, trat 2002 nach einer Volksabstimmung endlich die sogenannte «Fristenregelung» in Kraft. Menschen (die einen
geregelten Aufenthaltsstatus haben, über eine Krankenversicherung verfügen und zudem 800.00 Franken bezahlen können) haben hier nun die Möglichkeit, eine Schwangerschaft bis zur 12. Woche abzubrechen. Diese Regelung lässt uns zwar ein gewisses Mass an Entscheidungsfreiheit – schlussendlich aber ist es immer noch nicht die betroffene Person selbst, die entscheidet, sondern das Gesetz.
Gesetzliche Abtreibungsverbote stehen in einer langen Reihe staatlicher Regulierungen von Körpern und Menschen. Dazu gehören beispielsweise Zwangssterilisierungen, durch die es diskriminierten Minderheiten auch in der Schweiz bis in die 1980er verunmöglicht wurde, sich fortzupflanzen. Abtrei- bungsverbote dienten damals wie heute als Mittel zur Zementierung reaktionä- rer Familienbilder und zur Regulierung der Gesellschaft – oft aus rassistischem Kalkül zur Wahrung einer vermeintlich von Migration gefährdeten «westlichen» Gesellschaft.
Was haben Abtreibungsverbote mit rechtem Gedankengut zu tun?
Die antifeministische Mobilisierung zum „Marsch fürs Leben“ der christlichen Rechten greift das Recht auf Selbstbestimmung und freie Auseinandersetzung mit Sexualität und Geschlechtsidentität an. Diese Bevormundung rechtfertigen sie mit einer rechten und reaktionären Auslegung des Christentums, die ganz wunderbar zu anderen rechten, wenn nicht gar faschistischen Ideologien passt. Zentraler Bestandteil beider ist die christliche Kernfamilie, die aus «Mann», «Frau» und den Kindern zu bestehen hat, wobei die Frau als laufender Brut- kasten und der Mann als Beschützer und Ernährer der Familie gilt. Die strikte binäre Einteilung aller Menschen in «Frauen» und «Männer» und die zwin- gende Zuschreibung der jeweiligen Rollen wird von ihnen als einzige, heilige Wahrheit verstanden. Wehe, Menschen lieben ausserhalb des heterosexuellen Schemas oder streben keine klassische Kernfamilie an, wehe FTIQ* sehen das Mutter-sein nicht als höchstes Ziel ihres Daseins oder umsorgen nicht „ihren Mann“. Die selbst ernannten «Freunde des Lebens» sind keine solchen – im Gegenteil wollen sie uns allen ihre Lebensentwürfe aufdrängen und streben deshalb nach Unterdrückung und Bevormundung unserer Körper und somit unserer Leben. Das Erstarken rechter Ideologie bedeutet stets auch einen Angriff auf die Rechte von FTIQ*. Wenn in Zürich nun christliche Fundamentalist*innen gemeinsam mit der SVP und Neonazis aufmarschieren, zeigt das die Verstri- ckungen der Anti-Abtreibungs-Bewegung mit der ausländer*innenfeindlichen, hetzerischen, rassistischen Rhetorik rechter Kreise.
Wie sieht die Situation international aus?
Die erstarkenden Anti-Selbstbestimmungsbewegungen sind Ausdruck eines internationalen Erstarkens rechtskonservativer Ideologien. So wurden in den USA im Jahr 2019, in einem Klima von rechter Hetze, Sexismus und re- aktionärer Politik, bereits massivste Einschränkungen der Abtreibungsrechte durchgesetzt. Eine wachsende Zahl an Bundestaaten verhängte komplette Abtreibungsverbote. Auch in Polen wollte die rechtskonservative Regierungspartei Schwangerschaftsabbrüche illegalisieren. Doch durch die sogenannten «schwarzen Proteste» konnte das drohende Gesetz gekippt werden. Widerstand gegen die Beschneidung unserer Rechte regt sich überall, so auch in den USA oder Argentinien. Auch wir in der Schweiz haben am feministischen Streiktag dieses Jahr schon gezeigt, wie viele wir sind, die sich für Selbstbe- stimmung und emanzipatorische Veränderungen in der Gesellschaft erheben. Es kann nicht sein, dass wir diesen erkämpften Raum jetzt Menschen über- lassen, die all unsere Forderungen nach Autonomie, nach der Entstaubung der Familienmodelle, und nach der Freiheit, zu lieben wen und wie wir wollen, mit Füssen treten. Wir sind viele, wir sind stark, und wir lassen uns weder ein- schränken noch vertreiben!
Fussnote:
[1] FTIQ: Trans Personen sind Menschen, deren Geschlecht nicht mit dem überein- stimmt, das ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde. Inter bezeichnet Menschen, deren Geschlechtsmerkmale keiner der beiden Kategorien „Mann“ und „Frau“ entsprechen. (Gender) queere Menschen bewegen sich zwischen oder ausserhalb dieser zwei Kate- gorien. Geschlecht ist ein Spektrum und die Einteilung in die zwei gegensätzlichen Kategorien „Mann“ und „Frau“ ist gesellschaftlich konstruiert. Nicht jede Person mit einer Gebärmutter ist eine Frau, und nicht jede Frau kann schwanger werden. Es ist deshalb enorm wichtig, dass der sichere Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen auch für trans, inter und queere Personen möglich ist.
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