Im Jahr 2021 wurden in der Schweiz bisher 25 FLINTA (Frauen, Lesben,Inter, Nichtbinäre, Trans und Agender Personen) Opfer eines Femizides und 11 FLINTA haben einen versuchten Femizid überlebt. Und das sind nur die bekannten Fälle – die Dunkelziffer dürfte im zweiten Jahr der Pandemie um einiges höher liegen! Am morgigen Samstag, 11.12.2021, findet deshalb eine erste schweizweite Demonstration gegen Femizide statt. Setzen wir gemeinsam ein starkes Zeichen gegen patriarchale Gewalt! Alle Geschlechter sind aufgefordert, an der Demo teilzunehmen.
von BFS Zürich
Was ist ein Femizid?
Als Femizid bezeichnet man die Ermordung von FLINTA aufgrund ihres Geschlechtes. In den meisten Fällen werden FLINTA von ihrem Partner oder Expartner umgebracht. Dabei sind Femizide nur die traurige Spitze des Eisbergs patriarchaler Gewalt. Für 2019 wurden in der Schweiz nicht weniger als 19‘669 Delikte häuslicher Gewalt registriert, wobei alle Anlaufstellen darauf hinweisen, dass die Grosszahl der Übergriffe – aus berechtigten Gründen – gar nicht erst angezeigt wird. Es lässt sich also voller Schrecken erahnen, wie viele FLINTA tagtäglich in ihrer körperlichen und psychischen Unversehrtheit verletzt werden.
Patriarchale Gewalt ist eine Stütze des Kapitalismus
Die Zahlen zeigen zudem, dass die Corona-Pandemie bestehende Gewaltspiralen verstärkt und neue in Gang gesetzt hat. Krisen verursachen Verunsicherung – individuell und gesellschaftlich – und sie wirken klassenspezifisch. Die Gewalt des kapitalistischen Systems manifestiert sich in (ökonomischen) Abhängigkeiten, von denen FLINTA strukturell mehr betroffen sind. Denn zentraler Grundbaustein des Kapitalismus ist die unbezahlte Aneignung der Sorge- und Pflegearbeit von FLINTA. Dies hat dieses ökonomische System erst ermöglicht – und wird noch immer auch mit Gewalt durchgesetzt.
Wenn wir die patriarchale Gewalt, die Gewalt, die Männer vor allem im privaten, aber auch im öffentlichen Raum an FLINTA ausüben, als Stütze des bestehenden Systems begreifen, zeigt sich, wie funktional verstrickt Kapitalismus und Patriarchat sind. Während Pandemie und Krise zeigt sich die Fragilität der bestehenden Ordnung besonders. Umso mehr Gewalt braucht es, um sie aufrechtzuerhalten. Die Enge der vier Wände, die Enge der heteronormativen Kleinfamilie kann tödlich sein. Somit ist für viele FLINTA das Zuhause der gefährlichste Ort.
Das Bewusstsein kommt von feministischen Organisationen und nicht vom Staat
Die Thematik und insbesondere auch der Begriff «Femizid» ist seit wenigen Monaten endlich in den Medien und im Parlament angekommen. Dominant sind dabei aber Stimmen von rechts, welche Femizide für ihre rassistische Hetze instrumentalisieren. Dadurch lenken sie davon ab, dass geschlechtsspezifische Gewalt klassen- und kulturenübergreifend ist, womit sie das Problem weiter auslagern und damit marginalisieren.
Es waren und sind feministische Organisationen und Kollektive, welche überhaupt ein Bewusstsein für das Problem geschlechtsspezifischer Gewalt schaffen. Es gibt keine offiziellen Statistiken zu Femiziden, bis heute müssen wir diese selber anhand von Zeitungsartikeln erheben. Jede feministische Errungenschaft, alle Gewaltschutzmassnahmen sind nur auf Druck von Aktivist:innen zustande gekommen. Wir können uns also nicht einfach auf den patriarchalen Staat verlassen, welcher nicht nur kein Interesse an unserem Schutz hat und unsere Tötung in Kauf nimmt, sondern oftmals noch rassistischer Mittäter ist.
Unsere Stärke und Schutz ist die feministische Solidarität. Wir glauben allen von Gewalt Betroffenen, wir lassen keine:n allein. Unsere Solidarität reicht über Landesgrenzen hinaus. Zusammen sind wir effektiver als Kontaktverbot oder Panikknopf, denn nur gemeinsam schaffen wir eine gesellschaftliche Alternative aus dem kapitalistisch-rassistisch-patriarchalen System – die Voraussetzung, um die Gewalt zu durchbrechen.
Mit dieser Demonstration gedenken wir den Getöteten und Überlebenden von Femiziden und geschlechtsspezifischer Gewalt. Wir schliessen uns dem Ni-Una-Menos-Bündnis Schweiz an und fordern:
1. Die Anerkennung des politischen Begriffs Femizid und dadurch die Anerkennung systematischer Gewalt an FLINTA
2. Die Anerkennung geschlechtsspezifischer Gewalt als Flucht- und Migrationsgrund
3. Den Ausbau von Beratungs- und Unterstützungsangeboten, wie bsp. ein flächendeckendes Netzwerk von Schutzhäusern und eine zugängliche 24h-Hotline für Gewaltbetroffene
4. Umfassende Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt
Pingback:Feministischer Kampftag – Falken Sachsen