von Rainer Sommer Telepolis
Es war eine Aufsehen erregende Entschuldigung, die Andrew Huszar letzten Dienstag in einem op-ed des Wall Street Journal veröffentlichte. Er war 2010 bis 2011 als Beamter der Federal Reserve für die Ausführung eines Kernstücks des ersten Anleihen-Kauf-Experiments der Fed („Quantitative Easing“) verantwortlich, das als quantitative Lockerung („QE“) bekannt ist: „Ich kann nur sagen, es tut mir leid, Amerika!“
Artikel im Wall Street Journal
Denn während die Zentralbank damit fortfahre, QE als Werkzeug zu verkaufen, das der Main Street helfe, habe er festgestellt, worum es sich tatsächlich handele:
Nun ist nicht neu, dass das Kaufprogramm der US-Notenbank, das die Bilanz der Fed von 2008 bis heute von rund 900 Milliarden auf 3,85 Billionen Dollar erhöht hat und jeden Monat weiter um 85 Milliarden Dollar zulegt, den Finanzmärkten erheblich größere Vorteile verschafft hat als der Realwirtschaft. Neu ist jedoch, dass sich nun erstmals auch ein damit befasster Manager offen auszusprechen getraut, was bislang vor allem in kritischen Blogs in dieser Klarheit konstatiert wurde:
Huzar sagt, er habe die Fed 2008 nach sechs Jahren verlassen, weil ihn das immer stärkere Nachgeben gegenüber der Wall Street frustriert hatte, das er dort beobachten musste. Folglich hatte er gezögert, als ihm, nachdem er bei der Wall Street Investmentbank Morgan Stanley gelandet war, von der Fed der „Traum-Job“ angeboten wurde, nämlich das 1,25 Billionen Dollar schwere erste QE-Programm operativ umzusetzen.
Allerdings hatten hohe Fed-Verantwortliche offen ihre Fehler eingestanden und sich ihm gegenüber zu einer weitgehenden Reform der Wall Street bekannt, wobei sie verzweifelt Verstärkung benötigt hätten. Nachdem die Fed, ihrer hundertjährigen Geschichte eingedenk, bis dahin keine einzige Immobilienanleihe gekauft hatte, sollte sein Programm nun jeden Tag so große Mengen davon aufnehmen, dass stets die Gefahr bestanden habe, die Preise zu weit in die Höhe zu treiben und das globale Vertrauen in wichtige Finanzmärkte zu crashen. „Wir haben daher fieberhaft daran gearbeitet, den Eindruck zu erhalten, die Fed wüsste, was sie tut.“
„Die einzige Obsession der Fed sind die neuesten Erwartungen der Finanzmärkte“
Obwohl dann laut Huszar schon der Erfolg des ersten Programms ausgeblieben war, fielen alle Warnungen auf taube Ohren:
Anstatt also die Sinnhaftigkeit der QE-Programms zu hinterfragen, bedurfte es ein Jahr später dann nur eines 14-prozentigen Kursrückgangs an der Wall Street, um das nächste Programm zu starten, woraus Huszard schloss, dass die Fed „jede noch verbliebene Fähigkeit verloren hatte, unabhängig von der Wall Street zu agieren.“ Demoralisiert verließ er die Fed und wurde Wirtschaftsprofessor an der Rutgers Business School.
Obwohl Huszar davon absieht, auf die globalen Verwerfungen einzugehen, die die QE-Programme vor allem in den „Emerging Markets“ anrichten, sei der Misserfolg des Programms heute evident. Und während selbst die Fed den QE-Programmen nur einige wenige Prozent an zusätzlichem Wirtschaftswachstum zubilligt, kommen private Analysten wie Mohammed El Erian vom weltgrößten Anleihehändler Pimco laut Huszar auf gerade einmal 0,25 Prozent des US-BIP: „Damit haben die fast vier Billionen an Anleihekäufen gerade einmal 40 Milliarden Dollar an realem Wirtschaftswachstum gebracht.“
Weil mit dem QE nun aber fünf Jahre langt ungehemmt Geld in die Finanzmärkte gepumpt wurde, wurde es der US-Regierung erspart, sich um die „strukturell ungesunde“ US-Wirtschaft zu kümmern. Zwar habe die spektakuläre Rallye der Finanzmärkte den privaten Pensionsplänen wieder Leben eingehaucht, Huszar fragt sich aber, wie lange noch, da bereits wieder Finanzblasen zu orten seien und das Wirtschaftswachstum weiterhin übermäßig stark von der Wall Street abhänge.
QE wurde zur neuen „too big to fail“-Politik der Wall Street
Selbst wenn er Schwächen der QE-Programme zugibt, argumentiere Fed-Chairman Bernanke heute aber damit, dass diese immer noch besser wären, als gar nichts zu tun. Darin stimmt ihm seine voraussichtliche Nachfolgerin Janet Yellen zu.
Die Fed tue demnach damit nur ihre Pflicht und zudem „das Äußerste, um die Dysfunktionalität des restlichen Washington auszugleichen“. Laut Huszard sei aber gerade die Fed im Zentrum dieser Dysfunktionalität, denn sie habe die Wall Street von diesen Liquiditätsschüben abhängig gemacht und erlaubt, dass die Quantitativen Lockerungen zur neuen „too big to fail“-Politik der Wall Street werden konnten.