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Freiheit für Rojava – Freiheit für die syrische Bevölkerung!

Wir veröffentlichen hier die Stellungnahme der BFS Jugend Zürich zum aktuellen Befreiungskampf in Rojava und Syrien. (Red.)


Bild1von BFS Jugend Zürich

Die Revolution von Rojava

Die kurdische Stadt Kobanê im Norden Syriens wird mittlerweile seit über einem Monat von Banden des ISIS belagert und angegriffen. Auch wenn sich die Geschichte um die mittelgrosse Stadt an der Grenze zur Türkei auf den ersten Blick anhört, als sei sie einfach eine weitere Episode im unglaublich grausamen und unübersichtlichen Kampfgewirr des syrischen Bürgerkriegs, so ist sie auf den zweiten Blick doch viel mehr. Kobanê ist Teil eines de facto unabhängigen kurdischen Gebiets, das Rojava genannt wird. Die syrischen Kurden haben die relative Schwäche von Assads Diktatur, bedingt durch den bereits mehrere Jahre (seit 2011) andauernden Vielfrontenkrieg, ausgenutzt, um die von ihnen schon lange geforderte Autonomie der kurdisch dominierten Gebiete im Norden Syriens in die Tat umzusetzen. Im Zuge dieser Revolution vertrieben sie Assads Armee aus weiten Teilen der kurdisch geprägten Grenzregion zur Türkei. Weil Assads Regime dies gewähren liess und weil es nur wenige, direkte Kampfhandlungen zwischen den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), beziehungsweise den Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) und dem Assad-Regime gab, wurde den Kurd*innen von verschiedenen Seiten immer wieder vorgeworfen, Assad zu unterstützen. Dabei geht aber immer wieder vergessen, dass die kurdische Minderheit in Syrien über Jahrzehnte grausam verfolgt wurde und zu einem beträchtlichen Teil nicht einmal die syrische Staatsangehörigkeit besass.

Der syrische Bürgerkrieg im Wandel

Gleichzeitig ist der syrische Bürgerkrieg seit 2011 immer unübersichtlicher geworden. Die Freie Syrische Armee (FSA), einstmals der Hauptgegner des Assad-Regimes, bestand ursprünglich vor allem aus von der regulären Armee desertierten Sunnit*innen, wurde aber mit der Zeit zu einem Sammelbecken verschiedenster Gruppierungen. Insbesondere begannen sich ab 2012 auch islamistische Gruppen, allen voran die Al-Nusra-Front, in den Konflikt einzuschalten. Dadurch wurde die politisch sowieso nicht sonderlich gefestigte Strategie der FSA weiter aufgeweicht. Aus dem Kampf gegen ein korruptes, grausames Regime wurde immer mehr auch ein Kampf für einen Gottesstaat. Während die Al-Nusra-Front dennoch meistens gegen das syrische Regime kämpfte, verfolgte die Gruppe ISISseit ihrem ersten Auftreten im Jahr 2013 einen eigennützigen Kurs, der Konfrontationen mit dem Regime meistens auswich und die Wirren des Bürgerkriegs zu eigenen Zwecken nutzte.

Der ISIS als Handlanger Assads oder des Westens?

Die Strategie und das militärische Auftreten des ISIS unterschieden sich stark von anderen im Bürgerkrieg beteiligten Gruppierungen. Mit Blitzangriffen, taktischen Schachzügen und Zweckbündnissen wurde die Organisation innert kürzester Zeit zu einem der schlagkräftigsten und gefährlichsten Akteure der Region. Gleichzeitig verstand es der ISIS, soziale Medien gezielt für seine propagandistischen Zwecke zu nutzen.
Verteter*innen der FSA sahen deshalb schon bald eine mögliche Verbindung zwischen Assads Regime und dem ISIS. In ihren Augen war der ISIS und sein Auftreten ein geschickter Schachzug Assads, die Revolution in Syrien zu diskreditieren. Die kurdischen Teile der syrischen Bevölkerung dagegen sahen eher eine direkte Steuerung des ISIS durch die westlichen Mächte und ihren Verbündeten – allen voran der Türkei – mit dem Ziel, Assad so von aussen stürzen zu können.
Wir sind der Ansicht, dass keines von beidem in dieser Einfachheit der Wahrheit entspricht: Der ISIS war sehr geschickt darin, verschiedene Interessen gegeneinander auszuspielen, sich also sowohl von der Türkei auszurüsten und gegebenenfalls medizinisch behandeln zu lassen, andererseits das Assad-Regime nicht direkt zu konfrontieren, um so nicht an verschiedenen Fronten unter Druck zu geraten.
Es mag sein, dass auch der Westen, oder die Golfmonarchien ein Interesse am Vormarsch des ISIS haben – beziehungsweise hatten – und die Organisation vielleicht sogar direkt unterstützt haben. Doch auf solche Gerüchte einzugehen fördert Verschwörungstheorien und vereinfacht die Realität. Wichtig ist sich im Klaren zu sein, dass man sich auf Hilfe von Ankara oder Washington nicht verlassen kann. Denn diese Mächte haben eigene Interessen, für die sie auch bereit sind Menschenleben zu opfern.
Die Türkei hingegen spielt ihr eigenes Spiel. Der türkische Staat hat in den letzten Tagen deutlich bewiesen, dass er die Kurd*innen und nicht den ISIS als Hauptfeind sieht. Die Türkei hat die Grenze zu Kobanê nicht für Nachschub für die kurdischen Kämpfer und humanitäre Versorgung für die Zivilbevölkerung geöffnet, sondern dutzende Kurden während Protesten getötet, hunderte verletzt und scheinbar sogar Luftschläge gegen die PKK in der Türkei geflogen.

Wie weiter?

In den letzten Wochen gab es eine Welle der Solidarität mit Rojava und insbesondere mit der belagerten Stadt Kobanê. Damit rückte auch die Situation der Kurd*innen im Irak, der Türkei, Syrien und dem Iran wieder vermehrt in den Mittelpunkt des Interesses. Was wir in Rojava sehen, ist für die Region ein einzigartiges Projekt. Demokratisierung, der Aufbau von Selbstverwaltung, die Überwindung patriarchaler Strukturen und die Befreiung der Frau gehören zu den ambitionierten Zielen des politischen Projekts. Und dieses Projekt ist stark bedroht. Für diesen gesellschaftlichen Wandel lohnt es sich zu kämpfen, was die Kurdinnen und Kurden seit Jahren auch tun. Aufgrund dieses Kampfes aber die Situation in Syrien aus den Augen zu verlieren, wäre falsch. Sich mit dem grausam mordenden und vor keinen Verbrechen zurückschreckenden Diktator Assad zu arrangieren, weil in den Wirren des Bürgerkriegs ebenso brutale, fundamentalistische Organisationen entstanden sind, wäre ebenfalls falsch. Die syrische Bevölkerung wird seit Jahrzehnten brutal unterdrückt und hat ein Recht, sich dagegen zu wehren. Damit die Revolution auch in Syrien noch zu retten ist, braucht es eine politische Perspektive. Es reicht nicht, einfach für den Sturz Assads zu sein; das schafft einzig Raum für religiöse Demagogen. Auch eine Ausweitung der imperialistischen Intervention des Westens würde die Probleme nicht lösen können. Denn der Imperialismus der westlichen Länder hat überhaupt erst zur Destabilisierung der Region geführt und ethnische Konflikte geschürt.
Eine reale Perspektive für die Region bieten hingegen die Kurd*innen mit ihrer Vorstellung einer gerechteren und demokratischen Gesellschaft. Es ist also Zeit, die Kämpfe zu verbinden. Ansätze dazu sind auch in der Realität bereits zu erkennen. Im Angesicht der Bedrohung durch die ISIS-Banden haben sich die YPG/YPJ und Teile der Freien Syrischen Armee in Nordsyrien zum Bündnis „Burkan El Fırat“, auf Deutsch „Vulkan des Euphrats“, zusammengeschlossen. Zu hoffen bleibt, dass es nicht bei einer militärischen Zusammenarbeit bleibt, sondern dadurch der Grundstein für ein Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen der Region, auf Basis der Selbstverwaltung und der Solidarität, gelegt wird.
Gegen die Diktatur Assads und die Banden des ISIS!
Für Rojava, für ein freies Syrien!

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