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Ökonomie: Zerstörung, Zentralisierung und Konzentration des Kapitals

Am Beispiel des japanischen Elekronikkonzern Sharp soll aufgezeigt werden, wie sich die M&A’s  – sprich die Transaktionen im Firmenbereich wie Fusionen, Firmenkäufe und -übernahmen etc. – im Kontext der kriselnden Weltwirtschaft stetig verschärfen.

von Charles-André Udry; aus alencontre.org

Nach einem jahrelangen Niedergang und dem Absturz des „Wertes“ seiner Aktien um 31 % an einem Morgen im Mai 2015 steht dem japanischen Elektronikkonzern Sharp eine neue „Zukunft“ bevor – und auch „seinen“ Beschäftigten (Ende 2014 waren es 50.000). Die zwei Hauptkandidat*innen für eine teilweise oder totale Übernahme der Aktivitäten des Sharp-Konzerns haben der Unternehmensleitung die Umrisse ihrer Übernahmeangebote übermittelt.
Während der vom japanischen Staat unterstützte Innovationsfonds Network Corp. of Japan (INCJ) – gemäss dem Nikkei [1] – vor Kurzem vorgeschlagen habe, nach vorgängiger Zerstückelung des Unternehmens für mehr als 300 Milliarden Yen (2,4 Milliarden Euro) einen Teil davon zu übernehmen, hat das taiwanesische Mammut-Zulieferungsunternehmen Foxconn 4,9 Milliarden Euro (d.h. ca. 625 Milliarden Yen) für die Übernahme des gesamten mehr als hundertjährigen japanischen Spitzenelektronik-Unternehmens geboten.
Das Unternehmen Sharp wurde 1912 von Tokuji Hayakawa gegründet, der einen gleitenden Hosengürtel erfunden hatte! Es entwickelte im Jahr 1925 den japanischen Detektorempfänger (Detektorradio), ab 1953 Fernseher, ab 1973 Mikrowellen, im Jahr 1979 den „Word Processor“ und später Flüssigkristallbildschirme (LCDs), AQUOS-Bildschirme, Infrarotüberwachungskameras, LEDs usw.
Sharp durchlebt seit 2011 – trotz der Diversifizierung – eine finanzielle Katastrophe, die mit der Krise der steigenden Überproduktion in diesem Sektor zusammenhängt.
Die Begeisterung der Investor*innen für die miteinander konkurrierenden Übernahmeangebote führte zu einem Anstieg des Aktienwerts der japanischen Gruppe um 5,8 % an der Börse von Tokio – und dies bei einem schlechten Börsenklima.

Peking-Tokio: misstrauisches Beäugen im Elektroniksektor

Gemäss dem Wall Street Journal, das am Donnerstag, 21. Januar 2016 den obigen Betrag enthüllte, hat Foxconn – das 1,3 Millionen Menschen beschäftigt, davon mehr als 400.000 in China in der Region von Shenzhen – im Jahr 2012 bereits 10% des Sharp-Kapitals übernommen. Foxconn baut u.a. die iPhones von Apple, die Playstation von Sony und die Nintendo-Konsolen zusammen. Sein Übernahmeangebot soll u.a. durch die Übernahme der gigantischen Schulden von Sharp (bei Zerstückelung eines Teils der Produktion, aber gleichzeitiger Integration der Spitzensektoren und der F&E) überzeugen. Das taiwanesische Unternehmen Foxconn hofft, dass die Geschäftsleitung (die zentralen Aktionär*innen) von Sharp sich für die beste wirtschaftliche Option entscheidet und sich nicht von politischen Überlegungen leiten lassen wird.
Die Beziehungen zwischen Japan und Südkorea verbessern sich. Und die japanische Industriewirtschaftspolitik von Shinzo Abe – und der auf ihn einwirkenden Gruppen – zielt nach hart geführten, noch andauernden Verhandlungen, auf eine Konsolidierung der Verbindungen zu Park Geun-hye ab – der in Seoul regierenden Tochter des Ex-Diktators, auf die sowohl die Armee als auch die südkoreanischen Konzerne (Jaebeols) einwirken. Nun befinden wir uns aber in einer politischen Lage, in der Taiwan gegenüber China in der Defensive ist und sich auf die Hinterbeine stellt und die Region von einer grassierenden Rezession erfasst ist. Das taiwanesische Unternehmen Foxconn hat aber sehr viele Niederlassungen in China. Die Verhandlungen werden nicht nur rein wirtschaftlicher Natur sein. Sie werden sharp sein. Und können Aspekte eines „Trojanischen Pferdes“ haben.
Die Regierung Shinzo Abe zögert, ohne eindeutig zur Zukunft von Sharp Stellung genommen zu haben – das nach Verlusten in der Höhe von 1.100 Milliarden Yen in den letzten 4 Steuerjahren trotz seiner Erklärungen unfähig ist, seine Finanzen ins Lot zu bringen. Abe spielt in einem Umfeld wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer („permanenter Störfall“ von Fukushima) Krisen und der Instabilität der politischen Cliquen, die an der Macht sind, die nationalistische Karte und kann Sharp nicht gehen lassen, ohne zu handeln. Dabei könnte ihm eine wirtschaftspolitische Triangulation entgegenkommen – nach dem Erdrutschsieg von Tsai Ing-wen, von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) in der taiwanesischen Präsidentschaftswahl und den damit verbundenen historischen Verlusten der Parlamentsmehrheit der Kuomintang (KMT), die während der letzten Annäherungsphase mit Peking federführend war.
Tokio schätzt, dass eine Übernahme durch die INCJ eine bessere Garantie für die Beschäftigung im japanischen Archipel bieten würde – aber das ist nicht das einzige Kriterium. Die vielschichtige regionale Krise – die sich noch verschlimmern wird – impliziert nicht nur wirtschaftliche Restrukturierungen, sondern auch Neuausrichtungen angesichts der – bis dato nicht allzu frontalen – Reibereien zwischen den Mächten unterschiedlicher Grössenordnung.

Sharp: ein harter Marktanteilverlust

Sharp kontrolliert nur mehr einen sehr kleinen Teil des Weltmarktes der Fernsehgeräte der neuen Generation (gegenüber z.B. LG, Samsung), den er früher dominierte. Das Unternehmen hat bedeutende Lieferverträge mit Apple für Smartphone- und Tablet-Bildschirme verloren.
Angesichts einer katastrophalen finanziellen Situation aufgrund der sinkenden Marktanteile und der Schwierigkeit des gesamten Sektors, eine innovative Nische zu finden, für die eine genügend grosse Nachfrage besteht und die nicht rasch von der potenziellen Überproduktion betroffen ist, eine Nische, die den Motor der Neulancierung des Konzerns darstellen könnte [2] – hatte Sharp es bis dato vorgezogen, Teile seines Kapitals an Qualcomm (USA, Mobiltechnologie) und Samsung Electronics (Südkorea) abzutreten. Sharp hat mit den japanischen Banken gigantische „Darlehen“ ausgehandelt, d.h. mit zwei mächtigen Gläubigern bzw. japanischen Konglomeraten: Mitsubishi UFJ Financial Group (vom gleichnamigen Kereitsu-Konzern) und Mizuho Financial Group (eine Megabank, die aus der Fusion der Privatkundenbank Mizuho und der Unternehmensbank Mizuho Corporate Bank entstand – einer Fusion, die nach dem Erdbeben von 2011 durchgeführt wurde – und die nach der Mitsubishi-Bank die zweitgrösste Bank darstellt). Sharp hat sich bis dato geweigert, von einem Konzern geschluckt zu werden. Die Zeichen stehen aber auf Sturm.
Die Gruppe könnte gemäss der japanischen Presse entscheiden, sich vor Anfang Februar einen Übernehmer auszusuchen – vor der Bekanntgabe seiner neuesten Quartalsergebnisse, die katastrophal sein werden. Es handelt sich hier nur um eine der Ausprägungen des ökonomisch-geopolitischen Erdbebens, das bereits in der gesamten Region [3] und international im Gange ist. (21. Januar 2016)
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[1] Nikkei 225, Haupt-Börsenindex von Tokio, der am 21. Januar 2016 auf seinem niedrigsten Niveau seit 4 Monaten geschlossen hat.
[2] Die Aufwertung des Yen in der Zeit vor 2012 hatte Auslagerungen stimuliert. Die derzeitige Abwertung des Yen hat buchhalterische Auswirkungen auf die Ergebnisse des Konzerns. Die tendenzielle Überproduktion in diesem Sektor (Halbleiter, Bildschirme) – in dem im Jahr 2014 und Anfang 2015 die Geschäfte noch blühten – ist auch in Südkorea deutlich spürbar. So schreibt die Wirtschafts-Tageszeitung Les Echos: „Seit 2014 hat Samsung Electronics (Südkorea) verstanden, dass sein Mobiltelefonsektor nicht mehr genügen würde, um ein magisches Wachstum seiner Erträge weiterzuführen, und hatte für die Füllung der Kassen auf seine Halbleiterproduktion gesetzt. Seit dem Herbst sind aber auch diese Aktivitäten unter Druck: durch die Abkühlung der weltweiten Nachfrage nach Chips und LCD-Bildschirmen und einen heftigen Preiskrieg bzgl. dieser Produkte. So hat der weltweit grösste Elektronikkonzern im 4. Quartal 2015 im Vergleich zum Vorjahr einen 40%igen Rückgang seines Nettogewinns auf 3.200 Milliarden Won, d.h. 2,43 Milliarden Euro, hinnehmen müssen. Dies trotz einer 16%igen Steigerung seines Betriebsergebnisses, auf 6.140 Milliarden Won, und einer sehr leichten Steigerung seines Umsatzes in diesem Zeitraum auf 53.000 Milliarden Won. Mit diesem Jahresabschluss – der etwas komplizierter war, als von den Analytikern vorgesehen – sah sich der Gigant mit einem über das gesamte Jahr 2015 gesehenen Rückgang seines Nettogewinns um 18,5% auf 19.000 Won bzw. 14,4 Milliarden Euro konfrontiert. Und seine Geschäftsleitung hat sofort erklärt, dass sie für das Geschäftsjahr 2016 einen neuerlichen Rückgang erwartet. „Die allgemein schwächere IT-Nachfrage wird es schwierig machen, die Gewinne im Jahr 2016 auf dem Niveau des Vorjahrs zu halten“, erklärte der Konzern in einer Pressemitteilung und präzisierte, dass schwierige Geschäftsbedingungen im laufenden Quartal anhalten würden. (28. Januar 2016)
[3] Taiwan, das in Bezug auf seine Exporte sehr stark vom chinesischen Festland abhängig ist – zu etwa 25%, im Vergleich zu 12% für die USA und 9% für Europa; mit der zusätzlichen Rolle der kontrollierten Öffnung von Hongkong: 14% der Exporte – spürt die Abschwächung der chinesischen Wirtschaft sehr stark. Der Binnenmarkt Taiwans kann dies nicht kompensieren. Dies umso mehr, als die Immobilien in Taipeh eine so ausgeprägte Immobilienspekulation durchgemacht haben, dass die Wohnungskosten unerschwinglich sind und sich auf das verfügbare Einkommen der Beschäftigten auswirken. Die Arbeitslosigkeit – insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit – ist höher als je zuvor: Sie liegt bei mehr als 13%. Engere Bindungen zwischen Japan und Taiwan werden im Zentrum der Politik der neuen Regierung stehen, um die chinesischen Zwänge zu begrenzen. Das in China präsente Foxconn ist aber ein Unternehmen mit taiwanesischem Kapital…

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