Vom 24.-30. Juli 2016 nahmen in Katalonien über 350 junge Aktivitst*innen aus ganz Europa sowie Delegationen aus Mexiko, den USA und der Westsahara am sozialistischen Sommercamp der IV. Internationale teil. Die Teilnehmer*innen verabschiedeten zum Schluss des Camps zwei Resolutionen, welche aus den Diskussionen der Workshops und Vorträge entstanden sind. (Red.)
Stoppt das Bomben und Belagern in Syrien. Unterstützt das syrische Volk!
Seit dem Beginn der Aufstände der syrischen Bevölkerung für Freiheit, soziale Gerechtigkeit und Würde sind mittlerweile fünf Jahre vergangen. Der Aufstand war ein Teil eines breiten, regionalen, revolutionären Prozesses, welcher in Tunesien angefangen hat, dann auf weitere Länder des Mittleren Ostens und Nordafrika übergesprungen ist und zu einem nachahmenswerten Kampf für die Arbeiterklasse auf der ganzen Welt geworden ist. Im März 2016, während Gewehrschüsse und Bomben fielen, gab es jeden Freitag hunderte Demonstrationen über ganz Syrien verteilt. Diese Demonstrationen hatten die selben Forderungen, wie die ersten Kundgebungen vor fünf Jahren. Ein gutes Beispiel für das Überleben der demokratischen Kräfte waren die jüngsten Demonstrationen in Maarat Al Naaman gegen Assad, die Al Nusra und den IS. Das gleiche kann auch über die Stadt Kafranbel oder die Organisation „Weisse Helme“ gesagt werden, welche jeden Tag ihr Leben riskieren, um Leute vor den Bomben zu retten.
Die syrische Bevölkerung hat während den letzten Jahren die gewalttätigste Konterrevolution seit Jahrzehnten erlebt. Das Assad-Regime und seine Verbündeten, namentlich die iranischen Revolutionsgarden, die russischen Jets, die libanesische Hezbollah und weitere sektiererische Milizen aus dem Irak und Afghanistan, nutzten alle nur denkbaren Mittel, wie Fassbomben, Scharfschützen, Massenfolterungen, jahrelange Belagerungen und Massaker gegen Religions- oder Volksgruppen bis hin zu chemischen Waffen, um den demokratischen Aufstand zu bestrafen. Mehr als 500’000 Menschen wurden vom Assad-Regime und deren Verbündeten getötet. Damit ist das Regime für 95% der zivilen Toten verantwortlich. Mehr als 10 Millionen Menschen, die Hälfte der syrischen Bevölkerung, wurden im Land selber vertrieben, oder flohen in benachbarte Länder.
2011 befreite Assad hunderte Jihadisten aus seinen Gefängnissen und hat später nicht wirklich etwas gegen den wachsenden IS unternommen, mit dem klaren Ziel den Geist der Revolution und die Freie Syrische Armee (FSA) zu zerstören und die Bevölkerung zu spalten. Assad und der IS brauchen einander für ihre Propaganda, aber auch für militärische Zwecke. Beide Seiten wollen die zwei letzten Optionen für Syrien sein. […] Assads Regime unterdrückte 2004 die kurdische Bewegung mit Gewalt und Repression und ist kein Freund von irgendwelchen Freiheitskämpfen. Es gibt keine Entschuldigungen für Assads Menschenrechtsverletzungen.
Diese vielseitige und gewalttätige Konterrevolution geht uns alle etwas an. Jede globale und regionale Macht ist in irgendeiner Weise gegen eine echtes demokratisches Syrien. Auch die USA, welche sich nur auf den IS fokussiert und einen Deal mit Russland eingehen will, oder die reaktionären Regimes von Saudi Arabien und Katar, welche die Konfessionalisierung der Revolution vorangetrieben haben. Auch die Türkei, welche gegen die kurdische Autonomie im Norden Syriens vorgeht und einen Deal mit der EU ausgehandelt hat, um die Flüchtlinge zu stoppen und gleichzeitig den IS Anhängern freies Geleit nach Syrien bietet, spielt ein schmutziges Spiel.
Menschliche Solidarität und Internationalismus lassen uns hingegen verstehen, wie durch diese Konterrevolution tausende von Flüchtlinge in eine lebensgefährliche und tödliche Flucht gezwungen werden, wie diese dem Wachsen des Islamischen Staates und dem Ansteigen der Massengewalt hilft und wie es zum Ausbau des Polizeistaates in Europa und dem Rechtsrutsch in vielen europäischen Ländern in die Hände spielt. Als junge Internationalist*innen, lehnen wir es ab, uns zwischen den imperialistischen Rivalen und den reaktionären Alternativen von Assad und dem IS zu entscheiden. Wir unterstützen dafür den Kampf der syrischen Bevölkerung, die noch verbleibenden Strukturen von Selbstorganisierung, die das Überleben und die Freiheiten hunderttausender absichern und die demokratischen Brigaden, welche trotz grossem militärischen Ungleichgewicht überlebt haben.
Heute leben 1,4 Millionen Menschen in Syrien unter dauerhafter Belagerung. Ihnen fehlt es an Nahrung, medizinischer Hilfe, sauberem Wasser und anderen überlebenswichtigen Gütern. Zusätzlich sind die komplett von der Aussenwelt abgeschnitten. Seit Mitte Juli war die letzte Versorgungsroute nach Ost-Aleppo von Pro-Assad-Truppen gekappt worden. Dies hat 300’000 Menschen der konkreten Gefahr zu verhungern oder zu verdursten ausgesetzt. Zur Zeit steht auch die Stadt Dayara vor einer Invasion durch Assads Truppen und es besteht das Risiko von einem riesigen Massaker. Währenddessen kooperiert die UNO mit dem Assad-Regime und dessen „Knien oder Sterben“-Politik, und liefert nach diesen Regeln entweder Hilfsgüter aus oder nicht.
Der einzige Weg nach vorne ist das Assad-Regime loszuwerden, eine demokratische und säkulare Regierung zu fordern, die sich für soziale Gerechtigkeit für die Bevölkerung und für Selbstbestimmung für die kurdische Freiheitsbewegung einsetzt. Das 33. internationale revolutionäre Jugendcamp der IV. Internationale hat sich in Katalonien versammelt und antwortet auf die Rufe der syrischen Bevölkerung für Solidarität:
- Stoppt die Bombardierungen, speziell von medizinischen Gebäuden!
- Das Ende der Belagerungen jetzt!
- Alle Grenzen öffnen und konkrete Hilfe für die flüchtende Bevölkerung!
- Sofortiger Zugang humanitärer Hilfe zu den belagerten Orten: Drop AID not Bombs!
- Alles was gebraucht wird, um demokratische Strukturen und Truppen aufzubauen in Syrien.
Lang lebe die permanente Revolution!
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Internationale Solidarität mit den Migrant*innen dieser Welt!
Seit einigen Jahren geht der Kapitalismus durch eine der schlimmsten ökonomischen und politischen Krisen seiner Geschichte. Im Rahmen dieser Krise wendet die europäische Bourgeoisie Austeritätsmassnahmen an, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Um soziale Konflikten vorzubeugen, befeuert sie den Rassismus, und benutzt ihn dazu, einerseits die arbeitende Klasse zu spalten, und andererseits von ihrer eigenen Politik abzulenken, welche für die Zerstörung der sozialen Wohlfahrt in ganz Europa verantwortlich ist.
Die Krise erlaubte es reaktionären Kräften und ihren Ideen zu erstarken, und die rechtsradikalen Bewegungen schafften es, öffentliche Debatten zu dominieren. Die gemässigten rechten Parteien, ebenso wie die Sozialdemokratie, reagieren darauf mit der Integration der Forderungen und der thematischen Schwerpunkte der Rechtsradikalen in ihre eigenen Programme, was zu einer Legitimierung dieser Positionen im Bewusstsein weiter Teile der Bevölkerung führt.
Um ihre Machtposition in der Krisensituation beizubehalten und ihre Profite zu sichern und zu steigern, führen die imperialistischen Länder zunehmend zerstörerische Kämpfe um die Kontrolle über Ressourcen und bestehende sowie neu zu erschliessende Märkte. Diese Politik führt zu regionaler Instabilität, insbesondere im Nahen Osten. Das Kräfteverhältnis verändert sich so, auf einer internationalen Ebene, stark.
All dies bedeutet auch die Zunahme militärischer Interventionen im Gebiet, was zu einer humanitären Krise führt, sowie zur Flucht von Millionen von Menschen – zusätzlich zu all denen, die täglich vor allen möglichen Arten von Unterdrückung fliehen:
Eine der grössten humanitären Krisen ist die Beherrschung des globalen Südens durch den Norden, die zu unermesslicher Armut und Elend führt.
Als ein historisches Produkt des Kolonialismus werden viele Länder von Diktatoren und gewalttätigen Regimes regiert, welche die Bevölkerung verfolgen, und sie so zwingen, das Land zu verlassen. Dabei erfahren Frauen* und LGBTIQ*-Menschen die stärkste Unterdrückung.
Alleine die Tatsache LGBTIQ* (Lesbian, Gay, Bi, Trans, Inter, Queer) zu sein, kann ausreichen, zum Tode verurteilt zu werden. An vielen Orten sind Frauen* täglichen Angriffen, Vergewaltigungen und Tötungen ausgesetzt, während die Regierungen keine schützenden Massnahmen ergreifen. Dies ist der Grund, weshalb Flüchtende unter anderem bereit sind, ihr Leben zu riskieren, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Doch nach Ankunft in einem europäischen Land werden sie in Lager gesteckt, schikaniert und verfolgt. Ihre Situation und ihre reine Anwesenheit wird derweil instrumentalisiert, um militärische Interventionen zu rechtfertigen.
Auf europäischer Ebene, werden die Institutionen der EU benutzt, um die Migrationspolitik der unterschiedlichen Länder zu koordinieren. Um den Arbeitsmarkt nicht zu stark zu destabilisieren, wird versucht, die Einwanderung in die europäischen Länder zu regulieren. Migrantische Arbeiter*innen wurden immer als billige Arbeitskräfte benutzt, sowie als Vorwand für Lohnsenkungen und Angriffe auf die Arbeitsbedingungen aller Arbeiter*innen. Die Schaffung der Grenzschutzagentur Frontex und die massive Erhöhung ihres Budgets während den letzten Jahren zeigt, dass die Flüchtlingsfrage zu einer ihrer Prioritäten wurde: Sie militarisieren die Grenze und versuchen Migrant*innen zu kriminalisieren, insbesondere in den Grenzländern, durch welche die Flüchtenden die EU betreten, etwa Griechenland, Ungarn oder Italien.
Was getan werden muss
In gewissen Ländern konnte man, trotz reaktionären Offensiven, eine bedeutende Unterstützung durch die Bevölkerung feststellen. Demonstrationen wurden organisiert, und viele Menschen beteiligten sich an Unterstützungsbewegungen. Die Herausforderung ist es nun, dieser Tendenz eine politische Dimension zu geben, und einen Schritt weiter zu gehen, über die humanitären Aspekte hinweg. Dies wird erschwert durch eine bevormundende Form von Rassismus, welche Migrant*innen als unterlegene Hilfesuchende behandelt, die in den Unterstützungsbewegungen weit verbreitet ist. Die rein humanitäre Perspektive führt zudem zu einem wirtschaftlichen Vorteil für die Staaten, da so Menschen freiwillig und gratis die Aufgaben übernehmen, welche dies staatlichen Strukturen eigentlicht übernehmen müssten.
Auf der anderen Seite, müssen wir die Räume für Selbstorganisierung und Selbstbestimmung von Migrant*innen schützen, denn dies ist der einzige Weg, der Migrant*innen erlaubt sich selbst zu emanzipieren. Dies ist insbesondere wichtig für Frauen und LGBTIQ*, deren Situation in den Debatten nicht sichtbar ist. Sie werden abgeschottet und vom Rest der Gesellschaft isoliert. Migrant*innen werden des Weiteren oftmals geschlechtergetrennt untergebracht, was besonders für Trans*personen problematisch ist.
Wir müssen unsere Analyse und unsere Antworten verbreiten, und die Notwendigkeit, die rassistischen Attacken der Rechten zu bekämpfen, klar machen. Wir sind uns bewusst, dass der Kampf gegen unsere eigenen Regierungen und ihre imperialistische Politik, sowie ihren staatlichen Rassismus, ebenso prioritär ist.
Was wir fordern
In der gegebenen Situation gibt es einige Forderungen, für die Revolutionär*innen als Notfallprogramm zu kämpfen haben.
Wir fordern:
- Die Aufhebung der Trennung zwischen politischen und ökonomischen Flüchtlingen. Wir müssen verstehen, dass Migration oft der Effekt der katastrophalen Auswirkungen des kapitalistischen Systems ist.
- Die sofortige Regularisierung aller nichtregistrierter Personen.
- Die Schliessung aller unmenschlichen Flüchtlingslager, die Abschaffung von Frontex und aller diskriminierenden und gewalttätigen Politik gegen Migrant*innen, wie sie etwa vom Dublinabkommen verkörpert wird.
- Das Recht für alle, und insbesondere für Migrant*innen, auf Zugang zu würdigen Unterbringungsmöglichkeiten, Bildung, Gesundheitsversorgung, sowie die generelle Befriedigung grundsätzlicher Bedürfnisse.
- Das Ende aller Polizeigewalt und aller Abschiebungen.
- Das Recht auf Wiedervereinigung aller Familien.
- Die Schaffung einer ökonomischen, medizinischen und psychologischen Unterstützung für alle geflüchteten Frauen.
- Alle Frauen- und LGBTIQ*-spezifischen Fluchtgründe müssen als Solche anerkannt werden.
Diese Forderungen sind eine Notwendigkeit. Sie können aber nicht wirklich effektiv sein, wenn sie nicht verknüpft werden mit einer Perspektive, die einen Bruch mit dem kapitalistischen System beinhaltet, sowie den Aufbau einer anderen Gesellschaft, ohne Ausbeutung und Unterdrückung.
In diesem Sinn fordern wir ebenso:
- Offene Grenzen und selbstbestimmte Wahl, wo und wie man leben und arbeiten will, sowie die Schaffung humanitärer Korridore nach Europa, denn nicht ein einziger Tod im Mittelmeer kann gerechtfertigt werden.
- Den Ausbau der sozialen Rechte und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für alle Arbeitenden, beispielsweise durch eine massive Reduktion der täglichen Arbeitszeit, was ein besseres Leben und Arbeiten für alle bedeutet, ohne Migrant*innen und Lokale in Konkurrenz zu setzen.
- Eine ökologische und soziale Planung der Produktion, unter der Kontrolle der Arbeitenden, was zu einem Ende der Kriege, verursacht durch den beständig zunehmenden Bedarf an Ressourcen durch die kapitalistische Produktionsweise, führt.
Das 33. Jugendcamp der IV. Internationale bekräftigt seine internationale Solidarität mit allen Migrant*innen, und seinen Willen, dieses rassistische, ungerechte und gewalttätige System gemeinsam zu zerstören, um eine neue, alternative Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung zu schaffen.