Geiles Ergebnis. Labour ist gelungen, was 1997 Tony Blair gelungen war: Ein Zugewinn von 10 Prozentpunkten (bei Blair waren es 9%) bei den Parlamentswahlen. Mit 41% der Stimmen ist die Labour-Partei unter Corbyn fast an das Ergebnis der konservativen Partei Grossbritanniens, umgangsprachlich als Tories bezeichnet, herangekommen (42%). Und das nicht mit einem sozialliberalen, sondern mit einem deutlich linkssozialdemokratischen Programm, das voll darauf gesetzt hat, dass es nicht in erster Linie die Brexit-Frage, sondern die sozialen Fragen sind, die den Leuten unter den Nägeln brennen.
von Angela Klein; aus sozonline.de
Die Resultate der Wahlen
Trotz dieses unerwarteten Erfolgs der Sozialdemokratie werden wohl dennoch die Tories unter Theresa May die Regierungsbildung vornehmen. Die deutliche Verringerung des Wähleranteils im konservativen Lager hält sie scheinbar nicht davon ab. Dabei wäre es durchaus eine Möglichkeit gewesen, dass die Labour Party und damit Corbyn May als Premierministerin ablöst. Dafür hätte sie eine Dreierkoalition mit der Scottish National Party SNP eingehen können. Diese ist aber im Vergleich zu den letzten Wahlen deutlich eingebrochen, wohl aufgrund eines zu sehr auf die Unabhängigkeit Schottlands zentrierten Programms. Die Stimmen, die der SNP verloren gingen, sind dabei mehrheitlich zu den Tories gegangen.
Die United Kingdom Independence Party UKIP, ein rechtspopulistischer bis rechtsextremer Zusammenschluss der Neuen Rechten in Grossbritannien, hat dafür eine krachende Niederlage erlitten und holt keinen einzigen Sitz mehr im Parlament. Über ein Drittel ihrer Stimmen sind zu Labour gegangen, was eindrücklich zeigt, dass Stimmen für die extreme Rechte nicht „ewig“ sind, sondern zurückgeholt werden können, sofern die sozialen Probleme, die wirtschaftliche Unsicherheit, die neoliberalen Umstrukturierungen und der gesellschaftliche Abstieg vieler Bevölkerungsteile ernst genommen und thematisiert werden.
Grundlagen des Erfolgs von Labour
Grundsätzlich kann man feststellen, dass Labour stark von der höchsten Wahlbeteiligung seit 1997 profitiert hat. 69% der stimmberechtigten Bevölkerung haben gewählt. Wenn man die Zuwächse von Labour etwas genauer unter die Lupe nimmt, lassen sich drei Quellen von zusätzlichen Stimmen ausmachen: die Jungen, die Nichtwähler*innen und ein beträchtlicher Teil der sozial schlechter gestellten Anti-Establishment-Wähler*innen, die noch vor nicht allzu langer Zeit die UKIP wählten.
May hat sich verkalkuliert
Die eher überraschende Ansetzung von Neuwahlen, die überhaupt erst zu diesem Ergebnis geführt hat, wurde von Premierministerin Theresa May durchgesetzt. Mays Rechnung, damit die Mehrheit der Konservativen auszubauen und so weitere Legitimität für die Brexit-Verhandlungen mit der EU zu gewinnen, ist überhaupt nicht aufgegangen. Die Tories haben 12 Sitze im Unterhaus verloren, während Labour 31 Sitze dazugewonnen hat. May muss jetzt eine Regierung mit der weit rechtsstehenden Democratic Unionist Party aus Nordirland bilden. Alleine kommt sie nicht mehr auf die absolute Mehrheit, die sie vor den Neuwahlen hatte. Eine schallende Ohrfeige und wichtige Niederlage für die britischen Konservativen.
Eine linke Sozialdemokratie hat Erfolg
Vor allem aber ist das Ergebnis ein Signal, dass die Sozialdemokratie mit einem linken Programm Zustimmung gewinnen und die Konservativen schlagen kann, während sie in bisher in den meisten Ländern Europas mit ihrem rechten und neoliberalen Programm grosse Wähleranteile verloren hat. Seit mehr als 20 Jahren haben uns die Bürokrat*innen der Sozialdemokratischen Parteien Europas darauf einzuschwören versucht, dass nur ein neoliberales Programm, das in der Sozialpolitik das kleinere Übel anstrebt und in der Wirtschaftspolitik möglichst „gute“ Bedingungen für das Kapital zu schaffen sucht, die einzige Möglichkeit sei, den Niedergang der Sozialdemokratie zu verhindern.
Labour unter Corbyn hat nun gezeigt, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Wenn linke Politik nicht mehr von bürgerlich-liberalen und konservativen Kräften zu unterscheiden ist, gibt es keine Hoffnung und keinen Grund, sie zu wählen. Erst wenn es die Linke schafft, die drängenden Fragen der sozialen Ungleichheit, des Abbaus von sozialen Rechten klar und deutlich zu beantworten und gleichzeitig der Politik des Kürzens und des Privatisierens etwas entgegenzusetzen, bietet sie dem lohnabhängigen Teil der Bevölkerung eine reale Perspektive.
Damit wollen wir aber gleichzeitig nicht in Träumereien verfallen. Corbyn ist kein Marxist, er verfolgt kein revolutionäres Programm. Und sicher gibt’s an Labours Manifest viel zu kritisieren – der Umgang damit steht auf einem anderen Blatt. Es ist aber erstmals durchaus hoffnungsvoll, wenn eine linke Sozialdemokratie ihr Gewicht gegenüber ihren neoliberalen Gegenspieler*innen wieder verstärken kann.
Der hier veröffentlichte Text wurde sprachlich dem Format angepasst und inhaltlich teilweise überarbeitet.