Bei den Parlamentswahlen gestern in Katalonien haben die Unabhängigkeitsparteien erneut ein absolutes Mehr erlangt. Doch was mehr zählt als das, ist, dass die antikapitalistische Basis dieser Bewegung stärker denn je ist. Der Kampf hat gerade erst angefangen.
von Theo Vanzetti, BFS Zürich
Gestern wurde in Katalonien ein neues Parlament gewählt. Eigentlich war die ganze Wahl eine Farce. Sie wurde von der spanischen Zentralregierung erzwungen, nachdem sie unter abenteuerlicher Auslegung des Verfassungsartikels 155 die gewählte katalanische Regierung entmachtete und verhaften liess. Die katalanische Bevölkerung hat sich seit 2014 bereits durch zwei Referenden und die letzten Parlamentswahlen für die Unabhängigkeit ausgesprochen. Dass die Unabhängigkeitsparteien gestern erneut gewannen ist ein Eigentor für die rechte Regierung in Madrid. Für die linke Candidatura d’Undidad Popular (CUP) hingegen ist es ein komfortables Ergebnis, da die linksliberale Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) sowie liberalkonservativen Junts Cat rsp. der Partit Demòcrata Europeu Català (PDeCat) im katalanischen Regionalparlament immer noch auf ihre Stimmen angewiesen sind, um ein absolutes Mehr zu erreichen und sie somit nicht einfach ihre liberalen Pläne durchsetzen können. Es wird spekuliert, ob die Zentralregierung die Zwangsverwaltung nun aufrecht erhält. Dadurch würden der regierende Partido Popular – die Partei der alten Eliten aus der Franco-Zeit – und der spanische Staat einmal mehr beweisen, dass sie von Demokratie ungefähr so viel halten wie Erdogan in der Türkei.
Doch dass die Katalan*innen diesen korrupten, nach Faschismus miefenden Staat und sein Königshaus satt haben, wird auch jenseits des Parlaments klar: Ein Referendum am 1. Oktober welches von der Basis aus durch die Comites para la defensa del Refendum (CDR) organisiert und gegen die Schlägertrupps der spanischen Polizei verteidigt wurde, sowie zwei Generalstreiks am 3. Oktober 2017 und 8. November 2017, welche die Fernstrassen lahmlegten. Man muss wissen, dass die Autobahnen durch Katalonien nach Frankreich eine Lebensader des spanischen Kapitalismus sind. Und immer wieder riesige Demos, wie zuletzt am 11. November 2017 mit 750’000 Leuten. Das sind rund 10 Prozent der katalanischen Bevölkerung!
Doch um was geht es dieser Basisbewegung? Letztes Wochenende in Barcelona an der internationale Solidaritäts-Konferenz „with catalonia“, sagte eine Aktivistin: „Der Feind ist der spanische Staat, es sind nicht die Spanier*innen. Wir müssen auf das Recht auf Demokratie insistieren, was nicht nur die Unabhängigkeit betrifft, sondern zum Beispiel auch den Umgang mit sexualisierter Gewalt, welche momentan in der politisierten spanischen Justiz nicht ernst genommen wird.“ In den deutschsprachigen Medien liest man oft von Vergleichen mit dem Brexit, der rechten Lega Nord in Italien und anderen reaktionären Bewegungen. Doch wer so etwas schreibt, dem mangelt es an Geschichtsbewusstsein. Der Kampf von Regionen wie dem Baskenland, Andalusien oder Katalonien um Selbstbestimmung war immer ein Kampf gegen die Unterdrückung durch einen Staat, der mal als absolute Monarchie, mal als faschistische Militärdiktatur und aktuell als korrupte Pseudodemokratie diese Regionen unter der Knute hielt. Die antikapitalistische Basis dieser Bewegungen ist davon überzeugt, dass mit diesem Regime, welches sich auf eine Verfassung beruft, die 1978 von einer Hand von Franco-Funktionären geschrieben wurde, niemals mehr soziale Gerechtigkeit zu haben ist. Eine Republik – in Katalonien wie auch sonst in im Spanischen Staat – würde eine Grundlage bieten, um erfolgreiche Kämpfe gegen das Patriarchat, die europäische Migrationspolitik, die Austerität und vielem mehr zu führen. Dafür braucht es die Organisation möglichst aller Lohnabhängigen in den Vierteln und Dörfern, den Betrieben, den Schulen und so weiter. Die basisdemokratische, antikapitalistische Candidatura d’Undidad Popular (CUP) und die CDR’s sind ein Ausdruck dessen.
Gestern waren Wahlen. Doch was noch viel mehr zählt, ist der Kampf jenseits der Parlamente. Eine andere Aktivistin sagte letzten Samstag während ihrer Rede: „Jedes mal werden wir mehr sein. Auf jeden Repressionsschlag ihrerseits müssen wir mit mehr Kraft antworten. Der solidarische Kampf der Bevölkerung ist der einzige Weg um mit dem korrupten Regime von 1978 aufzuräumen!“
Visca Catalunya lliure!
Katalonien lässt sich nicht unterkriegen
