Die Beschäftigen in Italien wehren sie gegen die unzureichende Politik der Regierenden in der Coronakrise. Luca De Crescenzo und Yaak Pabst sprachen mit der antikapitalistischen Gewerkschafterin Eliana Como aus Bergamo über das Doppelleben der Arbeiterklasse, die tödlichen Tricks des Unternehmerverbandes und wie trotz Versammlungsverbot ein Streik organisiert wird.
Interview mit Eliana Como; aus marx21
marx21: Hallo Eliana und danke für deine Zeit, wir wissen, dass du in diesen Krisenzeiten sehr beschäftigt bist.
Eliana Como: Danke Euch, ich halte es für sehr wichtig, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter auf der ganzen Welt verstehen, was gerade in Italien geschieht.
Bitte erzähle uns von der Situation, in der sich die italienischen Beschäftigten derzeit befinden.
Wir blicken mit Sorgen in die Zukunft. Die von der italienischen Regierung getroffenen Maßnahmen waren von Anfang an sehr widersprüchlich und haben die enorme Belastung der Krise auf die Arbeitenden abgewälzt. Die Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellten zahlen einen sehr hohen Preis dafür – sowohl gesundheitlich, als auch finanziell.
Einen hohen Preis?
Millionen von Menschen in Italien führen ein Doppelleben: Am Wochenende können sie als »Bürgerinnen und Bürger« nicht einmal einen Spaziergang im Park machen. Aber Montags müssen sie wieder arbeiten und überfüllen als Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellte, die Busse und Straßenbahnen und kommen in Kontakt mit Hunderten Kolleginnen und Kollegen. Dadurch gefährden sie sich selbst und die Maßnahmen zur Eindämmung der Ansteckung auf die gesamte Bevölkerung werden durchkreuzt.
Wen meinst du damit genau?
Es geht vor allem, um diejenigen, von denen gerade eine enorme Leistung verlangt wird und denen meistens nicht einmal die Mindestsicherheitsmaßnahmen garantiert werden. Am stärksten betroffen sind natürlich die Angestellten in den sogenannten lebensnotwendigen Betrieben, also den öffentlichen Diensten, angefangen beim Gesundheitswesen, aber auch in der Lebensmittelverteilung, im Transportsektor, in der Reinigungsbranche oder in den öffentlichen Ämtern. Ebenfalls betroffen sind Arbeiterinnen und Arbeiter von nicht direkt lebensnotwendigen Sektoren, insbesondere der industriellen Produktion, die bis vor kurzem noch (und viele sind es weiterhin) in vollem Betrieb waren. Außerdem hat sich das Gewicht dieser Krise drastisch auf die Löhne und Gehälter der Beschäftigten ausgewirkt.
Inwiefern?
Dort, wo Betriebe geschlossen wurden, sind die Einkommensgarantien spät und in völlig unzureichendem Maße eingeführt worden.
Aber die Regierung hat doch mit dem Dekret »Cura Italia« Mittel für den Entlassungsfonds bereitgestellt. Das Dekret soll die Arbeiterinnen und Arbeiter doch vor Lohnkürzungen schützen?
Die Regierung verspricht viel, aber der sogenannte Entlassungsfonds deckt ja nur einen Teil des Gehalts ab. Ein einfacher Arbeiter bekommt 50 Prozent seines Gehaltes. Aber viele Menschen haben nicht einmal Anspruch auf den Entlassungssfonds, vor allem prekäre Beschäftigte wie Soloselbständige. Für sie gibt es nur eine einmalige Prämie von 600 Euro für die gesamte Zeit der Arbeitslosigkeit.
Wie viele Menschen arbeiten immer noch? Vor dem letzten Dekret hatte ich etwa 12 Millionen gelesen, das würde bedeuten, 60 Prozent aller lohnabhängig Beschäftigten müssen noch zur Arbeit.
Das kann ich dir leider nicht genau sagen. Aber mein Eindruck ist, dass es viel zu viele sind.
Aber die Regierung hatte doch beschlossen, die Produktion in den nicht lebensnotwendigen Betrieben einzustellen. Wie passt das zusammen?
Das war nur eine Ankündigung. Premierminister Conte musste etwas tun, als die Zahl der Toten allein in der Lombardei, der am stärksten betroffenen und gleichzeitig am stärksten industrialisierten Region Italiens, bereits viertausend betrug.
Also ist nichts passiert?
Doch, aber mit einer dramatischen Verzögerung. Und es tobt ein Kampf mit den Bossen, was ein lebensnotwendiger Betrieb ist.
Wie bitte?
Ja, direkt am Tag nach der Ankündigung des Premierministers Conte griff die Confindustria – der italienische Unternehmerverband der Industrie – in das Dekret ein und beeinflusste die Liste der als lebensnotwendig erachteten Wirtschaftsbereiche.
Wie das?
Die Liste der lebensnotwendigen Betriebe wurde einfach immer länger. Zu den Aktivitäten, die als lebensnotwendig angesehen werden, gehört jetzt zum Beispiel auch die Produktion von synthetischem Gummi. Wenn es um die unverzichtbaren Latexhandschuhe gingen wurde, wäre das ja auch richtig. Aber wir reden hier über die Produktion von Reifen! Ein weiteres skandalöses Beispiel ist die Rüstungsindustrie. Erst kürzlich hat das Verteidigungsministerium ein Rundschreiben verabschiedet, in dem es die Herstellerfirmen freundlichst auffordert, die Produktion zu drosseln. Aber es ist eine unverbindliche Anfrage, und die Unternehmen scheren sich natürlich keinen Deut darum!
Aber jetzt gibt es jetzt nicht eine neue Maßnahme der Regierung?
Wir müssen als erstes feststellen, dass es eine kriminelle Zeitverschwendung ist, überhaupt erneut eingreifen zu müssen, denn der erste Erlass erfolgte bereits viel zu spät. Die verlorenen Tage sind nicht nur die zwischen dem einem Erlass und dem nächsten. Zu diesen muss noch die zusätzliche Verzögerung bei der Schließung der Unternehmen hinzugerechnet werden, da diese in der Zwischenzeit die bestehenden Aufträge weiterhin ungestört ausführen dürfen. Die Unternehmen konnten daher weiterhin der Schließung entgehen. Daher lässt auch das neue Dekret, auch wenn es besser ist als das vorherige, viele Probleme offen, vielleicht auch aufgrund der mangelnden Überzeugung der Hauptakteure selbst.
Ist die Regierung etwa nicht überzeugt, dass Virus mit allen Mitteln zu bekämpfen?
Es geht um das Wie. Ohne die »wilden Streiks«, die Androhung des Generalstreiks durch die Gewerkschaftsbewegung und die vielen kleinen Protestaktionen in den Betrieben hätte es die Vereinbarungen so nicht gegeben. Die Regierung wurde von den Arbeiterinnen und Arbeitern unter Druck gesetzt. Doch es bleiben Lücken, in vielen Bereichen ist eben nicht klar, was als lebensnotwendige Produktion angesehen wird.
Zum Beispiel?
Ich denke dabei an Banken und Versicherungen oder Postboten, die nur teilweise lebensnotwendige Tätigkeiten ausüben, aber gleichzeitig viel riskieren. Sie sind mit immens vielen Menschen in direktem Kontakt und können sich so leicht anstecken. Zwei Postboten sind hier in Bergamo bereits gestorben.
Wie werden die Maßnahmen der Regierung denn durchgesetzt?
Hier ist ein weiterer großer Haken. Viele Unternehmen haben von heute auf morgen die Branche gewechselt und sind plötzlich in der Liste der lebensnotwendigen Sektoren aufgeführt. Darüber hinaus können Unternehmen, die nicht zu den lebensnotwendigen Sektoren gehören, den Betrieb weiterführen, wenn sie sich innerhalb einer als unverzichtbar angesehenen Produktionskette befinden.
Ok, aber wie wird diese definiert?
Durch Erklärung des Unternehmens selbst!
Ernsthaft?
Das Unternehmen setzt sich mit dem Präfekten in Verbindung, der dann die Gewerkschaften konsultiert. Aber letztendlich liegt die Entscheidung bei ihm. Nicht alle Präfekten sind gewissenhaft, und in Unternehmen, in denen es keine Gewerkschaft gibt, können wir wenig oder gar nichts tun. Aber dort, wo die Beschäftigten selbstbewusst und gewerkschaftlich organisiert sind, haben die Unternehmen bereits geschlossen.
Erkläre das bitte genauer.
Seit dem Ausruf des Notstands durch die Regierung begann auch die Besorgnis unter den Beschäftigten zu wachsen. In Fabriken, in denen es eine starke Arbeiterorganisierung gibt, wurde die Schließung sofort von unten umgesetzt. Beispielsweise wurde die Firma »Same« aus Bergamo, wo Riconquistiamo tutto! stark verwurzelt ist, bereits Ende Februar mit einer Gewerkschaftsvereinbarung geschlossen.
Aber das ist doch eine absolute Ausnahme.
Ja, aber auch an den anderen Arbeitsorten begann, dort wo die Gewerkschaften stark waren, sich schon früh etwas zu bewegen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter begannen, die schizophrene Politik der Regierung in Frage zu stellen. Sie bombardierten uns mit Aufrufen und Verpflichtungen zu Hause zu bleiben. Aber dann mussten viele von uns jeden Tag zur Arbeit, als wäre nichts. Hier haben die Gewerkschaften jedoch auch einen Fehler gemacht.
Was meinst du damit?
Als die Wut und Angst unter den Beschäftigten zunahmen, konzentrierte sich die Gewerkschaftsführung auf ein unrealistisches Motto, nämlich das der »sicheren Arbeit«.
Warum unrealistisch?
An vielen Arbeitsplätzen, insbesondere in Fabriken, ist dies unmöglich. Es gibt hier keine Möglichkeit, den Sicherheitsabstand einzuhalten. Und es war auch unrealistisch zu glauben, dass Schutzausrüstungen ankommen würden, die inzwischen sogar für die Mitarbeiter des Gesundheitswesens fehlen!
Aber die Beschäftigten müssen sich doch schützten?
Natürlich. Aber unter den gegenwärtigen Umständen des Mangels an Schutzausrüstung ist es fahrlässig, »sichere Arbeit« zu fordern, anstatt die Betriebe einfach dichtzumachen. Würden wir das wirklich umsetzen, wäre es kriminell gewesen. Denn das hätte bedeutet, die Schutzausrüstung von den Krankenhäusern und den anderen lebenswichtigen Tätigkeitsbereichen abzuziehen.
Was waren die Konsequenzen der Konzentration auf das Motto für eine »sichere Arbeit«?
Es ging kostbare Zeit verloren. Es kam zwar zur Unterzeichnung eines Sicherheitsprotokolls mit den Unternehmen. Aber dies war praktisch nutzlos. Während für die Beschäftigten neue Verpflichtungen, wie beispielsweise die Fiebermessung, eingeführt wurden, gab es für die Unternehmen nur unverbindliche Empfehlungen. So wurden Millionen Menschen weiter zur Arbeit gezwungen, und ein wichtiger Faktor, um die Infektionsketten zu unterbrechen, nämlich die Schließung der nicht lebensnotwendigen Betriebe, wurde ignoriert.
Wie kam es eigentlich zu dem Abkommen?
Ohne die Protestaktionen der Beschäftigten in den Betrieben wäre es gar nicht dazu gekommen. Sie setzten nicht nur die Unternehmen unter Druck, sondern eben auch die drei großen Gewerkschaftsverbände.
Inwiefern?
Ich kann die Fabriken nennen, in denen wir als »Riconquistiamo Tutto!« stark sind: GKN, Piaggio, Electrolux, Fincantieri. Dort hatten die Arbeiterinnen und Arbeiter bereits ihre Stimme zum Ausdruck gebracht. Aber auch in vielen anderen Industriegruppen, darunter die FCA [Fiat Chrysler Automobiles]. Dann gibt es den gesamten Logistiksektor, der seit jeher mit SI Cobas [Basisgewerkschaft] aktiv ist und kämpft. Und dann gab es auch spontane und individuelle Protestformen, wie z.B. Krankmeldungen, Urlaub nehmen oder einfach nicht zur Arbeit erscheinen. Es war jedoch paradoxerweise nach der Unterzeichnung des Sicherheitsprotokolls, dass die Wut und Angst explodiert ist. Eine Welle von Streiks rollte durch das Land. Nicht nur dort, wo die Beschäftigten bereits stark und organisiert waren. Letztere haben geholfen, ein Beispiel zu geben, aber auch in weniger radikalen Fabriken stellten die Arbeiterinnen und Arbeiter die Produktion ein. Auch deshalb, weil mit der Schließung einiger großer Fabriken die Zulieferunternehmen Aufträge und Bestellungen zu verlieren begannen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter haben erkannt, dass sich die Situation veränderte, und haben gehandelt.
Aber wie wird ein Streik in Zeiten des Coronavirus organisiert?
Weil der Aufruf der Gewerkschaftsführungen zu einer nationalen Mobilisierung der Fabriken viel zu spät kam, mussten viele Beschäftigte ihre eigenen Ideen entwickeln. Aber die Besorgnis war so groß, dass alle üblichen Vorgehensweisen über den Haufen geworfen wurden. Um sich zu organisieren, nutzten Beschäftigte die sozialen Netzwerke. Bei Electrolux in Forli wurde der Streik, der erfolgreich stattgefunden hat, gänzlich über Whatsapp organisiert.
Aber es gibt doch ein Versammlungsverbot und Fabriken können auch nicht mit Streikpostenketten umstellt werden …
Die Menschen sind ja nicht blöd. Arbeiterinnen und Arbeiter haben trotzdem gestreikt und bei den Streikposten vor den Fabriken einfach den Mindestabstand zueinander eingehalten.
Und wie haben die Gewerkschaftsführungen insgesamt angesichts dieser Bewegungen von unten reagiert?
Sie haben meiner Meinung nach eine historische Gelegenheit verpasst. Die nationalen Vorstände haben zwei Wochen gebraucht, um die Schließung nicht-lebensnotwendiger Produktionsstätten zu fordern. Darauf sind sie anscheinend nicht einmal in den Tagen, in denen sich die spontanen Streiks vervielfachten, gekommen.
Warum war das schlecht?
Das war der Moment, in dem sie den Generalstreik hätten ausrufen müssen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter waren jedenfalls dazu bereit. Sie konzentrierten sich stattdessen auf die Androhungen von Streiks in Unternehmen, in denen Sicherheitsbedingungen nicht gewährleistet wurden. Aber wir alle wussten, dass sie kaum irgendwo respektiert wurden. Wir haben Zeit verloren, was in diesem Moment Menschenleben bedeutet. Ebenso wurde der Confindustria Raum gelassen der Regierung ihre Bedingungen zu diktieren. So kam es zu diesen späten und unzureichenden Maßnahmen.
Was hätten sie stattdessen tun müssen?
Die wirkliche Schließung aller nicht lebensnotwendigen Produktionen zu erzwingen. Dies ist die einzige Möglichkeit auch die Arbeiterinnen und Arbeiter jener Unternehmen zu beschützen, in denen die Gewerkschaft nicht vertreten ist, den kleinen und mittleren Unternehmen. Viele dieser Unternehmen machen einfach weiter, als ob nichts gewesen wäre. In diesen Fällen sind die Arbeitenden oft extrem erpressbar, auch weil in diesen Unternehmen viele Migrantinnen und Migranten arbeiten, die beim Verlust ihres Arbeitsplatzes auch das Recht verlieren, in Italien zu bleiben. Für mich und viele andere, die das von Anfang an gesagt haben, bleibt die Bitterkeit, von unseren Vorständen überhört worden zu sein. Aber diese Situation kann nicht andauern.
Was meinst du damit?
Zunächst einmal ist die Lage meiner Meinung nach viel tragischer, als sie erzählt wird. Hier in der Provinz Bergamo werden viele Todesfälle nicht gezählt, weil sie allein zu Hause oder in Altersheimen sterben. Es ist eine dramatische Situation. Besonders auch für diejenigen, die dort arbeiten. Sie haben zum Teil keinen Zugang zu den überlasteten Gesundheitseinrichtungen und sind damit ohne offizielle Diagnose.
Was sind deine Befürchtungen?
Mein Eindruck ist, dass die Situation in vielen Bereichen, auch in den lebensnotwendigen Betrieben, bald explodieren wird. Im Transportwesen, wo es glücklicherweise die Basisgewerkschaft SI Cobas gibt, das die Anliegen der Logistiker*innen vertreten und ihren Interessen Gehör verschafft. Aber auch in den Supermärkten wird die Situation zunehmend prekärer. Sie haben weiterhin am Wochenende geöffnet und somit fehlt den Beschäftigten oft die Zeit, um die Räume gründlich zu desinfizieren.
Wie ist die Situation für diejenigen, die in Krankenhäusern arbeiten? Es gab von der Gewerkschaft USB [Basisgewerkschaft] einen symbolischen einminütigen Streik, bei dem Beschäftigte des Gesundheitswesens ein Foto mit dem Hashtag #ScioperaPerMe (Streike auch für mich!) machten.
In den Krankenhäusern und Pflegeheimen im Norden sind alle Mitarbeitenden unter großem Druck und seit Wochen buchstäblich an der Front. Damit meine ich das Forschungs-, Medizinische-, Pflege- und Reinigungspersonal. Das Hauptproblem besteht darin, dass das italienische Gesundheitswesen in den letzten Jahrzehnten kaputt gespart wurde – es fehlt an finanziellen Ressourcen, Material und Personal. Das entlädt sich auf das Medizinische- und Pflegepersonal, das in diesen Wochen eine unglaubliche Belastung auf sich nehmen muss. Dazu gehören zum Beispiel extremen Schichten, die weit über die normalen Arbeitszeiten hinausgehen, und das obwohl die Gehälter aufgrund der Sparpolitik seit fast 10 Jahren praktisch unverändert geblieben sind. Man muss sich vorstellen, dass sogar die Forscher*innen, die den italienischen Virusstamm als erste im Krankenhaus in Mailand isoliert haben, unsichere Arbeitsplätze haben. Es ist eine Katastrophe!
Was sind eure Forderungen in diesem Bereich?
Wir brauchen dringend viel mehr Mittel für das öffentliche Gesundheitswesen und mehr Personal. Geld ist genug da. Die Regierung könnte jetzt die Militärausgaben kürzen, die in Italien zu den höchsten in Europa gehören.
Welche Lehren ziehst du aus den bisherigen Wochen?
Für mich ist klar: Es darf kein einziger Euro mehr in die private Gesundheitsversorgung fließen. Wir haben gesehen, dass der Privatsektor nicht in das investiert, was in diesen Situationen benötigt wird. Und wir werden uns die Frage nach den tatsächlichen Auswirkungen der Umweltverschmutzung stellen müssen, denn die Poebene ist der am stärksten verschmutzte und industrialisierte Ort in Europa, nicht nur Italiens, und genau dort hat das Virus Fuß gefasst. Hoffentlich haben wir aus all dem auch gelernt, dass Confindustria eine kriminelle Organisation ist, die ihre Profite über das Leben eben der Menschen stellt, die für sie arbeiten, und dass die Wut der Arbeiter*innen sehr oft über die Vorgaben der Gewerkschaftsführungen hinausgeht.
Wo siehst du jetzt die dringlichsten Aufgaben von Gewerkschaften in Italien, damit die Pandemie wirklich eingedämmt wird?
Wir müssen die Interessen der arbeitenden Klasse in der Krise durchsetzen. Beispielsweise kämpfen wir jetzt gerade um die tatsächliche und unverzügliche Schließung von nicht lebensnotwendigen Wirtschaftszweigen. Die Streiks und Protestaktionen in den Betrieben werden hoffentlich weitergehen. Vor allem auch, um die Ausbreitung des Coronavirus in Süditalien zu verhindern. Eine weitere wichtige Lehre aus Italien ist: Wir sitzen nicht alle im selben Boot. Wenn die Gewerkschaftsbewegung nach dem Prinzip »Menschen vor Profite« handelt, bedeutet dies auch gegen die Krisenlösungen der Regierenden Widerstand zu leisten.
Das Interview führten Luca De Crescenzo und Yaak Pabst von marx21.
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