Die weltweiten Neuinfektionszahlen haben im Ende April einen neuen Rekord erreicht. Ein Jahr nach Beginn der Pandemie ist immer noch kein Ende in Sicht, auch wenn die Schweizer Regierung so tut, als ob die hiesigen Impfungen und der Sommer genügen, um das weltweite Chaos in den Griff zu kriegen. Vor einem Monat schaute die Welt noch mit Bestürzung nach Brasilien, heute ist es die indische Bevölkerung, die buchstäblich auf der Strasse erstickt. Es besteht die Gefahr, dass Mutationen und Kreuzungen uns eine vierte und fünfte Welle bescheren, solange keine global koordinierte ZeroCovid-Strategie zur Anwendung kommt. Dafür sollten wir uns am 1. Mai stark machen. (Red.)
von ZeroCovid
Der Erste Mai hat in diesem Jahr einen dreifach bedrückenden Hintergrund. Erstens kann vielerorts nur unter Einschränkungen für die Rechte der Arbeitenden und der Erwerbslosen demonstriert werden. Zweitens gedenken wir der mehr als drei Millionen Menschen, die weltweit binnen 15 Monaten durch die Corona-Pandemie den Tod fanden. Davon rund eine Million in Europa. Mehr als 100.000 in den drei deutschsprachigen Ländern. Allein in Deutschland mehr als 80.000. Wir erleben die größte Pandemie seit der Spanischen Grippe, also seit gut 100 Jahren. Drittens zeigen sich in dieser Pandemie der Klassencharakter der Gesellschaft und die Dominanz von Männerherrschaft so deutlich wie kaum je zuvor: Im Corona-Jahr 2020 wurden die Reichen sprunghaft reicher. Die Armut weitete sich dramatisch aus. Die Gewalt gegen Frauen und Kinder nahm massiv zu. Das Covid-19-Virus wütet besonders heftig unter den Menschen, die in beengten Verhältnissen leben, für die Home Office keine Alternative ist beziehungsweise unter Menschen, die im globalen Süden in Elendsvierteln leben. Beispiel Brasilien. Dort starben im April täglich mehr als 3000 Menschen im Zusammenhang mit Corona. Mehr als drei Viertel von ihnen zählen zum ärmsten Teil der Bevölkerung. […]
Das Versagen der Regierungen
Merkel, Macron & Kurz behaupten: „Wir tun in der Pandemie unser Bestes“. Das trifft nicht zu. In mehr als einem Dutzend Ländern mit mehr als 1,8 Milliarden Menschen gibt es ein Leben nahe Zero Covid. U.a. in Taiwan, Neuseeland, Australien, Vietnam, Südkorea und China. Dort können die Menschen seit langem weitgehend ihr gewohntes Alltagsleben führen. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Erstens haben die meisten dieser Länder sehr früh die Covid-19-Gefahr erkannt und angemessen reagiert. Zweitens wird dort in weiten Teilen eine Gesundheitspolitik verfolgt, bei der die Eindämmung der Infektionen auf nahe Null das Ziel ist. Damit wird ein Zustand erreicht, bei dem Infektionsketten verfolgt und die Epidemie weitgehend gestoppt werden können. Das wiederum reduziert die Zeiten, in denen harte Restriktionen und Lockdowns notwendig sind – womit auch die psychosozialen Lockdown-Folgen minimiert werden. Stattdessen gab es in Europa in den ersten 10 Wochen des Jahres 2020 das skandalöse Herunterspielen der Pandemiegefahr. Das Virus durfte sich flächendeckend auszubreiten. Seit nunmehr 14 Monate gibt es diese erbärmlich einfallslose Jojo-Lockdown-Politik. Bereits die zweite Pandemiewelle im Herbst 2020 wurde fahrlässig provoziert. Die aktuelle, dritte Welle wurde politisch produziert – durch eine verantwortungslose Debatte über Öffnungen und sogenannte „Modellversuche“. Darüber hinaus befindet sich das Gesundheitssystem weiterhin in einem schlechten Zustand. In Deutschland wurden 2020 weitere 20 Kliniken geschlossen. Es fehlen 100.000 Pflegekräfte – weil ihnen die Klinik-Betreiber zu viel aufbürden und zu wenig bezahlen. Kurzum: Die Politik ist verantwortlich für den unnötigen Tod von Hunderttausenden.
Die Gewerkschaften auf Abwegen
Im Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum 1. Mai 2021 heißt es: „Nur gemeinsam mit allen Beschäftigten und mit Unternehmen, die nicht auf schnelle Profite setzen, wird es uns gelingen, rasch die Krise zu überwinden.“ Der Gewerk-chaftsbund präsentiert damit eine verkehrte Welt. Tatsachen sind: Alle großen Konzerne und Banken nutzen die Corona-Krise, um „schnelle Profite“ zu erzielen und Jobs abzubauen. Während der private Bereich, Kleinunternehmen und kleine Selbständige von den Corona-Maßnahmen hart getroffen sind, bleibt die eigentliche Produktionssphäre strikt ausgeklammert. Dort, wo – z.B. in der Fleischindustrie, auf dem Bau und in Logistikzentren – Tests vorgenommen werden, zeigt sich: Das Virus zirkuliert gerade dort. Hunderttausende Menschen, die in Betrieben, Büros und auf Baustellen tagtäglich arbeiten, werden unnötig der Gefahr einer Infektion ausgesetzt. Es geht e-akt nur um „schnelle Profite“. Es sind weltweit die Bolsonaros, Lindners, Gaulands, alle Unternehmervertreter und die politische Rechte, die sagen: Lockdown im Allgemeinen ist schlecht. Die Wirtschaft im Besonderen muss außen vor bleiben.
Die ZeroCovid-Strategie
Wir sagen: Bleibt das so, dann wird sich das Virus immer wieder aufs Neue ausbreiten. Solidarität am 1. Mai und darüber hinaus heißt: Notwendig ist ein solidarischer Shutdown. Getragen von unten. Mit dem Ziel Zero Covid. Mit dem Ergebnis: Rettung von Tausenden Menschenleben. Dabei müssen auch alle nicht-systemrelevanten Bereiche der Wirtschaft für eine gewisse Zeit heruntergefahren und ein flächendeckender Schutzschirm für alle dort Beschäftigten aufgespannt werden. Die Gewerkschaften müssen ihrer Pflicht nachkommen: Schutz der Lohnabhängigen. Nach drei tödlichen Pandemiewellen ist klar: Die Regierenden schützen nicht uns, sie schützen Konzerne, Kapital und Big Pharma. Die große Mehrheit der Menschen schützt sich individuell und trägt dazu bei, die gesellschaftliche Katastrophe einzudämmen. Wichtig ist jedoch gemeinsames Handeln. Es gilt, sich selbst zu organisieren. Unser Leben ist mehr wert als ihre Profite.
Zwischentitel und leichte Kürzungen durch die Redaktion gesetzt.