Die Stärke der populären Bewegung des zivilen Ungehorsams in Burma nimmt nicht ab. Die Militärjunta unterdrückt die Demonstrationen von Hunderttausenden von Menschen mit zunehmender Gewalt, und die Zahl der Todesopfer steigt weiter an.
von José Sanchez (BFS/MPS); aus solidaritéS
Nach der Niederlage des Militärs in den Wahlen von 2016, die in Burma eine neue Periode der Demokratie und Freiheit unter der Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) und ihrer Vorsitzenden Aung San Suu Kyi eröffneten, waren die burmesischen Generäle überzeugt, dass die Wahlen im November 2020 sie wieder an die Spitze des Staates bringen würden. In der Tat hatten sie bereits exorbitante politische Vorteile, die in der Verfassung verankert sind. Zum Beispiel ist ein Viertel der Parlamentsabgeordneten automatisch der Armee zugeordnet; ebenso wie drei Schlüsselministerien (Verteidigung, Inneres, Grenzen).
Aung San Suu Kyi ist immer noch sehr beliebt
Vor allem glaubten die Militärs, dass die Anführerin und Symbolfigur des pro-demokratischen Lagers Aung San Suu Kyi durch ihre passive Haltung gegenüber den Massakern an der muslimischen Minderheit der Rohingya politisch geschwächt sei. Im Laufe der Monate wurden die Kompromisse von Aung San Suu Kyi von der Bevölkerung zunehmend in Frage gestellt. Schließlich hatte sich ein Teil des Sangha (Gemeinschaft der Mönche, Klerus) den geplanten Reformen widersetzt, die die mächtige religiöse Institution (500.000 Mönche bei einer Bevölkerung von 53 Millionen) finanziell hätten schwächen können. Sehr präsent bei den Protesten von 2007, die als „Safran-Revolution“ (Farbe der Mönchskutten) in die Geschichte eingegangen sind, sind die Mönche heute weniger eingebunden in die Oppositionsbewegung gegen den Staatsstreich vom 1. Februar 2021. Weil ein Teil des Sangha offen religiös-extremistische und nationalistische Orientierungen zum Ausdruck bringt. Eine von Mönchen geführte Organisation zur „Verteidigung von Rasse und Religion“ propagiert ein buddhistisches Burma, das von einer islamischen „Invasion“ bedroht sei. Dieses Feindbild löste Unruhen aus und deckte das Militär bei seiner heftigen Unterdrückung der muslimischen Gemeinschaft im Arakan-Staat im Jahr 2017, was eine dramatische Massenflucht ins benachbarte Bangladesch erzwang. Aung San Suu Kyi verharmloste die Vertreibungen, verurteilte die Übergriffe nicht und lehnte den Begriff der „ethnischen Säuberung“ ab.
Trotz dieses Kontextes, den die Militärs als günstig für ihre Rückkehr an Macht und Regierung ansahen, gewann die NLD die Wahlen im November 2020 mit mehr als 83%. Der Putsch vom 1. Februar verhinderte, dass Aung San Suu Kyi ins Amt zurückkehren konnte. Stattdessen benützte die von den Putschisten eingesetzte Militärjunta (State Administration Council) ihr ganzes repressives Arsenal (neue Gesetze, Verhaftungen, Polizeigewalt), wobei auch die Armee vor Ort präsent war und sich aktiv an den Auseinandersetzungen beteiligte.
Die Herren des Landes
Die burmesische Armee hat eine lange, gewalttätige Geschichte. Eine brutale Militärjunta regierte das Land von 1962 bis 2011. Die Junta reagierte mit massiver Waffengewalt auf die großen Anti-Junta-Demonstrationen im Jahr 1988 (ähnlich wie ein Jahr später das chinesische Regime auf dem Tian’anmen-Platz), was zu tausenden Todesopfer führte. Die Figur von Aung San Suu Kyi wurde zum Symbol dieser Opposition gegen das Militärregime. Ein historisches Symbol, denn sie ist die Tochter von General Aung San, dem Anführer des Kampfes gegen die britischen Kolonisatoren.
Nach den Massaker 1988 wurden internationale Wirtschaftssanktionen verhängt. Infolgedessen verdrängten die chinesischen Importe von 1988 bis 2011 die japanischen Importe und stiegen von 20% auf 33%, während die japanischen um 39% auf 2,7% zurückgingen. Auch wenn Peking weiterhin der wichtigste Handelspartner von Burma ist, sind die Investitionen aus Japan sowie die Anwesenheit japanischer Unternehmen in den letzten Jahren wieder stark angestiegen. Im Jahr 2019 wurde eine Rekordhöhe von 1,5 Milliarden Euro an öffentlichen Beihilfen aus Japan gewährt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Japan in der UNO von jeglichen Sanktionen gegen Burma absieht.
Die direkte Machtausübung durch das Militär ist ein Hauptgrund für das hohe Mass an Korruption im Land. Steuern, Genehmigungen, Lizenzen in den Bereichen Tourismus, Edelsteinabbau und Bauwesen sind das Ergebnis politischer Entscheidungen. Die Militärhierarchie macht damit ernorme Profite, insbesondere durch die Kontrolle über zwei große Industriekonglomerate (MEC und MEHL unter der Leitung von General Min Aung Hlaig). Das Militär ist also auch der wirtschaftliche Herrscher des Landes. Diese erklärt die Heftigkeit, mit der sie sich an die Macht klammern.
Als Reaktion auf den Staatsstreich mobilisiert sich eine neue Generation von Bürger:innen, vor allem in den städtischen Gebieten. Nachdem diese ab 2011 bzw. 2016 demokratische Rechte und Freiheiten erfahren haben, sind sie nicht mehr bereit, darauf zu verzichten. Sie gehen nun zu Hundertausenden auf die Straße, scheuen die Konfrontation mit der Polizei nicht und zeigen Mut und Entschlossenheit. Seit Mitte Februar kommt es auch zu immer zahlreicher werdenden (General-)Streiks. Diese Generation ist eine Hoffnung für die große Mehrheit der Bevölkerung des Landes. Allerdings wird die Junta rund um General Min Aung Hlaig nicht bereit sein, Zugeständnisse zu machen.
Übersetzung und leichte Überarbeitung durch die Redaktion.