Die Covid-Pandemie gerät nun auch in China ausser Kontrolle. Die westlichen Regierungen und bürgerlichen Kommentatoren sehen darin eine Bestätigung für das europäische Pandemiemanagement, das im Wesentlichen auf einer Durchseuchung der Bevölkerung beruht(e), um die Wettbewerbsfähigkeit und die Profite des Kapitals möglichst wenig einzuschränken. Dabei vermischen sie das Desaster in China mit einer hämischen Kritik an den europäischen ZeroCovid-Initiativen aus dem Jahr 2021. Das ist unzulässig und zynisch. (Red.)
von Christian Zeller
Der Widerstand der Arbeiter:innen gegen die repressiven Maßnahmen in China war und ist vollkommen berechtigt. Die chinesische Pandemiepolitik war von Anfang an primär Bestandteil der Herrschaftsstrategie der Diktatur der „Kommunistischen“ Partei und des chinesischen Kapitals. Die repressiven Maßnahmen in der jüngsten Pandemiewelle richteten sich mehr gegen die Arbeiter:innen als gegen die Pandemie. Die Menschen wurden in die Fabriken eingepfercht, um die Produktion im Sinne des Kapitals aufrechtzuerhalten. Davon profitierten nicht nur Konzerne aus China und Taiwan, sondern auch aus den USA und Europa. Als Reaktion auf den Widerstand stürzt die autoritäre Führung Chinas die Menschen weitgehend ungeschützt in eine massive Pandemiewelle.
Anstatt den Forderungen der Arbeiter:innen nach besseren Arbeitsbedingungen und demokratischer Rechten nachzukommen, beendet die chinesische Führung nun den Infektionsschutz. Zudem sind die Impfstoffe und die Organisation der Impfschutzes mangelhaft. Jetzt drohen ein Tsunami von Covid19-Erkrankungen, ein Kollaps der Krankenhäuser und des Gesundheitssystems. Modelle sagen weitaus mehr als eine Million Tote voraus.[1] Tritt diese Entwicklung ein, ist sie ein Ergebnis der zynischen Herrschaftsstrategie der „Kommunistischen“ Partei und der Profitinteressen der in China produzierenden Konzerne (auch aus Europa).
Wer die No-Covid und Zero-Covid-Initiativen, die im Januar 2021 von Wissenschaftler:innen und von emanzipatorischen Basisinitiativen in Europa gegründet wurden, in Verbindung mit der autoritären Politik der chinesischen Führung bringt, verfälscht bewusst und zynisch die Sachverhalte, verharmlost weiterhin die Pandemie, leugnet die massive Übersterblichkeit in vielen Ländern, vor allem im sogenannten globalen Süden, und beleidigt den Widerstand der Lohnabhängigen in China.
Zur Erinnerung 1: Die #ZeroCovid und #NoCovid Initiativen forderten nie staatliche Repression, sondern gesellschaftliche und kollektive Maßnahmen zum Schutz der Menschen, vor allem derjenigen, die sich individuell kaum schützen können. #ZeroCovid wollte einen Impuls zur Selbstorganisierung in den Betrieben setzen. Es ging darum, nötigenfalls die Zirkulation des Kapitals zu stoppen, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen. Während der jüngsten Repressionswelle in China wurden die Arbeiter:innen eingeschlossen, um die Zirkulation des Kapitals aufrechtzuerhalten. Dieser Unterschied ist offensichtlich. Wer ihn nicht erkennen will, spricht entweder dem individualistischen Liberalismus oder der autoritären Diktatur der chinesischen KP das Wort.
Zur Erinnerung 2: Die Covid19-Pandemie forderte gemäß offiziellen Zahlen bislang 6,7 Millonen Tote. Da viele Regierungen die Opferstatistiken nicht ordentlich führen oder bewusst schönen, gehen seriöse Modellrechnungen auf der Grundlage der Daten über die Übersterblichkeit davon aus, dass die Covid19-Pandemie bislang 16 bis 28 Millionen Todesopfer forderte.[2]
[1] Dennis Normile: Models predict massive wave of disease and death if China lifts ‘zero COVID’ policy. Country’s severe approach to pandemic is inflaming the populace, but lifting it carries huge risks. Science, 6 december 2022. https://www.science.org/content/article/models-predict-massive-wave-disease-and-death-if-china-lifts-zero-covid-policy
[2] The Economist aktualisiert Schätzungen der Opfer der Covid19-Pandemie laufend: https://www.economist.com/graphic-detail/coronavirus-excess-deaths-estimates