In Frankreich findet seit Wochen eine neue Welle gewerkschaftlicher Mobilisierungen statt. Im Zentrum steht der Streik der Raffineriearbeitenden der Unternehmen TotalEnergies und Esso-ExxonMobile. Die Regierung hat mit autoritären Massnahmen geantwortet, indem sie das Streikrecht einschränkte und die Raffineriearbeitenden zur Rückkehr zur Arbeit zwang. Und auch im Parlament kann die Regierung zentrale Geschäfte nur per Dekret durchsetzen, da ihr die absolute Mehrheit fehlt. In diesem Kontext ist es zentral, dass die Linke über Streiks und andere Mobilisierung das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten verändert, wie dies der Text der Nouveau Parti Anticapitaliste (NPA) vom 17. Oktober zeigt. (Red.)
von Nouveau Parti Anticapitaliste (NPA)
Schlangen vor den Tankstellen, Minister und politische Persönlichkeiten geben feindliche Aussagen von sich, Medien schäumen… Der Streik der Raffineriearbeiter:innen hat eine wichtige Konfrontation mit der Macht Emmanuel Macrons und den Kapitalisten in Gang gesetzt. Im Mittelpunkt steht der multinationale Energiekonzern TotalEnergies, der seine Beschäftigten und die Verbraucher:innen ausbeutet und dazu beiträgt, den Planeten zu ruinieren. Ein Symbol für Macrons Welt, die wir nicht mehr wollen…
Eine Macht zwischen Gestikulieren und Drohungen
Als guter Präsident, der der Arbeitswelt feindlich gesinnt ist, erklärte Sarkozy vor etwa 15 Jahren: „Wenn es in Frankreich einen Streik gibt, merkt es niemand“… Macron und seine Leutnants wären gut beraten, uns diese verächtliche und verlogene Litanei heute wieder vor Augen zu führen. Aber auch wenn der Kampf der Raffineriebetreiber de facto das tägliche Leben von Millionen von Menschen beeinträchtigt, richtet sich die Wut mehrheitlich gegen die wahren Verantwortlichen der Situation: gegen die multinationalen Konzerne mit ihren gigantischen Gewinnen und gegen diejenigen Politiker:innen, die sich gegenüber denen, die sie für schwach halten – nämlich unserem sozialen Lager in der Politik –, als stark und gegenüber den multinationalen Konzernen als schwach erweisen wollen…
„Ich stehe an der Seite all unserer Landsleute, die sich abmühen und die genug von dieser Situation haben!“, sagte uns Macron am Montag. Während die Kaufkraft seit mehreren Monaten sinkt: Aber was hat er denn schon getan, damit Total die 18,8 Milliarden Gewinn im ersten Halbjahr 2022 auf die Arbeitenden verteilt (mit einem CEO an der Spitze, der seinen eigenen Lohn um 52 % erhöht)? Nichts, Macron und seine Freunde bedrohen lieber die Beschäftigten in den Raffinerien, die angesichts der Preisexplosion für eine konsequente Löhnerhöhung kämpfen. So gibt Wirtschaftsminister Bruno Le Maire vor, „die Treibstofflager und Raffinerien zu befreien“, und hält Streiks und Blockaden für „inakzeptabel“ und „illegitim“…
Nach dem 18. Oktober geht es weiter!
In einem solchen Mobilisierungskontext war die Demonstration am Sonntag [16. Oktober, Anm. d. Red.] „gegen das teure Leben und die Untätigkeit im Klimabereich“ ein wichtiger Schritt nach einem ersten Tag des branchenübergreifenden Streiks am Donnerstag, den 29. September. Mit Zehntausenden Demonstrierenden in Paris und einem breiten Spektrum von Organisationen der sozialen und politischen Linken war dieser Marsch eine wichtige Ermutigung für die Arbeitenden in den Raffinerien, aber auch für alle Beschäftigten in den kämpfenden Sektoren, sei es in den Atomkraftwerken, im Handel, in der Automobilindustrie etc.
Die Regierung hat Beschlagnahmungen[1] bei Total und Exxon (Esso) veranlasst, ein Angriff auf das Streikrecht, der das Feuer entfacht hat. Der für Dienstag, den 18. Oktober, von der CGT, Solidaires, FO und FSU aufgerufene berufsübergreifende Streiktag bleibt die beste aller Antworten. Aber abgesehen von der notwendigen Solidarität mit den Raffinerieangestellten, die an der Spitze der Mobilisierung stehen, geht es an diesem neuen Tag darum, möglichst viele Arbeitende im Kampf zu vereinen, um für eine Umverteilung des Reichtums zu kämpfen, was über die bloße erhebliche Lohnerhöhungen hinausgeht. In den nächsten Tagen und Wochen geht es darum, den Aufbau eines Generalstreiks voranzutreiben, der sowohl die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes als auch der Privatwirtschaft einschließt. In diesem Zusammenhang muss die Mobilisierung auch auf andere Bereiche ausgeweitet werden, insbesondere auf das Transportwesen. Das Eisen schmieden, solange es heiß ist, sich überall versammeln, um über das weitere Vorgehen nach diesem Dienstag zu diskutieren und zu entscheiden, ist zwingend notwendig, um unsere Interessen durchzusetzen. Die Schwäche der Regierung, die sich auch in ihrer Schwäche in der Nationalversammlung zeigt [die Regierungspartei besitzt keine absolute Mehrheit im Parlament, Anm. d. Red], muss uns auch dazu dienen, Perspektiven auf dem politischen Feld zu entwickeln.: Eine kämpferische Linke, die mit den Mobilisierungen verbunden ist und so für den Klassenkampf und den Bruch mit dem Kapitalismus nützlich ist.
[1] Das französische Gesetz gibt der Regierung die Möglichkeit, in Notsituationen Arbeitskräfte unter Zwang zu mobilisieren. Arbeitende, die sich dieser Mobilisierung widersetzen, droht eine Strafe von bis zu 10’000 Euro und 6 Monaten Haft. Der dafür verwendete Begriff lautete «réquisition» und ist wortwörtlich mit Beschlagnahmung der Arbeitenden zu übersetzen. Mit dem Vorwand, es bestehe eine solche Notlage, hat die Regierung am 11. Oktober zu dieser Zwangsmassnahme gegriffen.
Übersetzung durch die Redaktion.