Am Freitag, den 24. Februar 2023, jährt sich der Einfall der russischen Armee in die Ukraine zum ersten Mal. Ein Jahr unbeschreiblichen Leids und Blutvergiessens für die ukrainische Bevölkerung. Der nicht zu rechtfertigende Einmarsch hat bereits vielen zehntausend ukrainischen Zivilist:innen und Militärangehörigen das Leben gekostet. Wir fordern einen sofortigen Stopp der Bombardements durch das russische Militär und den Abzug aller russischen Truppen aus der Ukraine!
von BFS/MPS
Putin will eine unabhängige und lebenswerte Ukraine unmöglich machen.
Die russische Armee hat an vielen Orten Massenmorde an ukrainischen Zivilist:innen und Soldat:innen begangen. Acht Millionen Zivilist:innen wurden bisher gezwungen, ins Ausland zu fliehen, knapp sechs Millionen sind Binnenvertriebene. Das sind über ein Drittel der Gesamtbevölkerung und somit die grösste europäische Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg. Ganze Städte und Dörfer wurden durch russischen Artilleriebeschuss und Luftangriffe in Schutt und Asche gelegt. Die zivile Infrastruktur (Strom- und Heizungsnetze, Schulen, Krankenhäuser, Eisenbahnlinien, Häfen usw.) wird systematisch zerstört, um das Land unbewohnbar zu machen.
Die Ukrainer:innen weigern sich zu Recht, passive Opfer zu sein und leisten aktiv massiven Widerstand gegen die Invasion. Die breite gegenseitige Solidarität und Selbstorganisation der ukrainischen Bevölkerung spielt eine entscheidende Rolle für die Aufrechterhaltung dieses Widerstands. Gefragt ist aber auch die internationale Solidarität emanzipatorischer und linker Bewegungen, für welche die Selbstbestimmung von Bevölkerungen ein zentrales Grundanliegen darstellt. Gegenwärtig, wo sich die ukrainische Bevölkerung freiwillig gegen die russische Invasion stellt, bedeutet Selbstbestimmung eben auch bewaffneter Widerstand. Daher ist die Bewaffnung des ukrainischen Widerstands aus den verfügbaren Quellen auch ein legitimes Anliegen der ukrainischen Bevölkerung.
Entwickeln wir eine echte Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung.
Um nach dem Krieg eine freie und unabhängige Ukraine zu ermöglichen, muss die Ukraine souverän über den Einsatz von Hilfsgeldern und den Wiederaufbau bestimmen können. Doch die finanzielle Unterstützung von internationalen Kreditanstalten und westlichen Staaten ist an Bedingungen zur neoliberalen Restrukturierung der ukrainischen Wirtschaft geknüpft. Damit soll die Ukraine in eine einseitige Abhängigkeit zu wirtschaftsstarken Staaten gezwungen werden.
Die Rückzahlung aller Kredite für die materielle und logistische Unterstützung der Ukraine während des Krieges und des Wiederaufbaus macht die Ukraine erpressbar und mindert ihre Eigenständigkeit im Wiederaufbau. Deswegen fordern wir für die Ukraine einen vollständigen Schuldenerlass und humanitäre Hilfsgelder, die nicht an ausbeuterische Bedingungen geknüpft sind. Zur Durchsetzung dieser Forderungen müssen wir eine echte Solidarität zwischen den Linken in west- und osteuropäischen Ländern mit den emanzipatorischen Kräften und der Arbeiter:innenbewegung in der Ukraine aufbauen.
Die Frage der ukrainischen Solidarität ist auch eine ökologische Frage.
Die imperialistische Invasion der Ukraine durch Russland steht in engem Zusammenhang mit der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Der erhöhte Bedarf an russischem Erdgas und Rohöl war ein Grund, weswegen Europa 2014 auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim mit Appeasement reagierte. Die einseitige Abhängigkeit von russischen fossilen Ressourcen macht Europa erpressbar und legt dem Kreml-Regime ein medienwirksames Propagandamittel in die Hände, um die Bevölkerungen Europas zu spalten.
Nun kann die Lösung aber nicht sein, bei anderen Autokratien wie dem Iran, Katar oder Aserbaidschan anzuklopfen, die entweder ihre oder fremde Bevölkerungen terrorisieren. Die Entfossilisierung der europäischen Gesellschaft ist also nicht nur aus ökologischen Gründen notwendig, sondern auch eine Frage der internationalen Solidarität.
Die Schweiz macht sich mitschuldig mit ihrer sogenannten (Werte-)Neutralität.
Indem sich die Schweiz neutral schimpft, tatsächlich aber auf einen harten Cut mit dem Kreml-Regime verzichtet, macht sie sich zur Komplizin des russischen Angriffskrieges:
1. Schweizer Unternehmen exportieren trotz den Sanktionen weiterhin Dual-Use-Güter nach Russland – also Technologien, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können.
2. Das undurchsichtige Bankenwesen und der Schweizer Rohstoffhandelsplatz dient dem russischen Staat als Umschlagplatz für das Öl, das aus russischen Staatsunternehmen stammt und somit die völkerrechtswidrige Invasion mitfinanziert.
3. Die Schweiz hat bisher gerademal 7,5 Milliarden CHF der insgesamt 150 bis 200 Milliarden CHF russischer Oligarch:innengelder auf Schweizer Banken gesperrt. Diese Vermögen wurden durch die Ausbeutung von Arbeitskräften und Bodenschätzen angehäuft. Deswegen gehören sie enteignet. Die Schweiz muss ihre Mitverantwortung wahrnehmen und die Vermögen konfiszieren, damit sie für die sozialen Anliegen der russischen Zivilbevölkerung und den ukrainischen Wiederaufbau eingesetzt werden können.
Am Samstag, 4. März 2023 findet in Bern eine schweizweite Antikriegsdemo statt. Die BFS/MPS ruft zu einem antikapitalistischen Block an der Demo auf. Wir grenzen uns klar von bürgerlichen Unterstützer:innen der Demo ab, die als Verfechter:innen des Schweizer Kapitalismus jahrelange die Geschäfte des Rohstoffhandelsplatzes und der Schweizer Rüstungsunternehmen mit dem Putin-Regime toleriert oder gar gedeckt haben. Lasst uns gemeinsam ein Zeichen der internationalen Solidarität mit dem Widerstand der ukrainischen Bevölkerung sowie den russischen und belarussischen Kriegsgegner:innen setzen!
Wer bitte hat diesen phänomenalen Artikel geschrieben?
Hallo Werner, das war eine kollektive Arbeit von verschiedenen Genoss:innen aus der Schweiz. Aber vor allem ist der Text die Frucht von einem Jahr intensiver Debatte mit ukrainischen und russischen Linken. Solidarisch, Philipp