Am 16. Februar 2024 meldete die russische Gefägnisverwaltung den Tod des Antikorruptionsaktivisten und Oppositionsführers Alexej Nawalny. Gegenüber seiner Mutter und seinem Anwalt war die Rede von einem sogenannten plötzlichen Todessyndrom, also ein schwammiger Ausdruck für verschiedene Herzprobleme, die zu plötzlichem Herztod. Dabei ist klar, dass sich Nawalnys Gesundheitszustand während der letzten Jahre aufgrund der Haftbedingungen stetig verschlimmerte. Nawalny war ein politischer Gefangener einer rechten und imperialistischen Diktatur, der inhaftiert wurde, weil er massenweise russische Bürger.innen gegen Putin auf die Strasse bringen konnte und weil er die exorbitante Korruption des System Putins, um nicht zu sagen des Oligarchendiktators Putin selbst aufdeckte. (Red.)
von Russländische Sozialistische Bewegung (RSD), Российское социалистическое движение
Das russische Regime ist eine knallharte kapitalistische Ausbeutungsgesellschaft und eine autoritäre Diktatur, die darauf setzt, die eigenen Bürger:innen zu vereinzeln und die Zivilgesellschaft politisch in die Passivität zu zwingen. Das Kreml-Regime entkräftet die Opposition gegen seinen imperialistischen Raubzug in der Ukraine dabei mit einer Mischung aus schierer brutaler Staatsgewalt gegen Dissident:innen und der systematischen Gleichschaltung der Diskurse rund um den russischen Angriffskrieg mit der offiziellen Auffassung des Regimes. So wurden gleich mit dem Beginn der umfassenden Invasion der Ukraine mehrere Gesetze in Russland auf den Weg gebracht, um die Opposition und Dissident:innen, wegzusprerren, horrenden Geldestrafen auszusetzen oder als ausländische Agent:innen zu diskreditieren und einzuschränken. Und erst Anfang 2024 wurde im Eiltempo eine Gesetzesänderung durchgebracht, die es der Diktatur um Wladimir Putin fortan ermöglicht, die Vermögen der Gegner:innen von Russlands Krieg zu beschlagnahmen. Es ist klar, dass das russische Regime darauf setzt, alle Möglichkeit von Demokratie durch Einschüchterung zu verunmöglichen.
Nawalny und uns trennten politisch stets Welten – wir verurteilen weiterhin seine früheren Schulterschlüsse mit der extremen Rechte in Russland, seine rassistischen Bemerkungen und seine Sympathien für den imperialistischen Raubzug Russlands gegen Georgien 2008 und gegen die Krim 2014.
Und dennoch lässt uns sein Tod aufhorchen, denn er steht symbolisch für die Lage der russischen Bevölkerung unter Putins Diktatur, für eben jene systematische Einschüchterung. Der Fall Nawalny, der sich wie ein roter Faden der politisch motivierten Morde durch die Geschichte des Regimes bis hin zur Ermordung der Journalistin Anna Politkowskaja im Jahr 2006 zieht, verkörpert nämlich genau die fehlende Rechtssicherheit der russischen Bürger:innen, die das Kreml-Regime als Geisel hält: 2020 überlebte Nawalny nur knapp einen Giftanschlag durch den Kreml, 2021 wurde er per Eilentscheid in Untersuchungshaft genommen, aufgrund des Verstosses gegen frühere Bewährungsauflagen wurde daraus eine Haftstrafe, dann Arbeitslagerhaft. Es kamen immer mehr willkürliche Strafbestände und weitere Jahre Lagerhaft hinzu. 2023 wurde Nawalny schliesslich für Extremismus verurteilt. Im Dezember 2023 wurde Nawalny aus dem bekannten IK-6-Straflager an einen unbekannten Ort gebracht und es fehlte jede Spur von ihm, bevor der Staat schliesslich doch Angaben machen konnte. Am 16. Februar 2024 meldete ihn die Verwaltung der russischen Strafkolonie als tot. Aufgrund dieser ruchlos vom Kreml-Regime ausgespielten Willkür gegen die eigene Bevölkerung veröffentlichen wir nachstehend die Erklärung der Russländischen Sozialistischen Bewegung (RSD), deren Aktivist:innen unter der brutalen und mörderischen Diktatur Wladimir Putins und seiner Schergen leben und mundtotgemacht werden. (Red.)
Alexej Nawalny ist im Gefängnis umgebracht worden. Die föderale Strafvollzugsbehörde meldete den Tod des Politikers, aber es ist offensichtlich, dass er nicht von selbst gestorben ist, sondern von Wladimir Putin getötet wurde. Nawalnys Antikorruptionsuntersuchungen und -kampagnen haben dazu beigetragen, Millionen von Russen und Russinnen zu politisieren und Tausende von Aktivist:innen zu ermutigen, von denen viele seine politischen Ansichten nicht teilten, aber an die Möglichkeit eines Wandels in Russland glaubten. Er und seine Organisation, die Antikorruptionsstiftung, waren bis 2021 in der Lage, Massenkundgebungen gegen Putin zu organisieren.
Nawalny gehörte zu den Urhebern des russischen Populismus, der trotz seiner rechten Gesinnung den oligarchischen Kapitalismus der Tendenz nach und ansatzweise in Frage gestellt hat, indem er die Aufmerksamkeit auf Armut und Ungleichheit in Russland lenkte und einen Unterschied zwischen gewöhnlichen Russ:innen und der absurd reichen russischen Herrscherclique unterschied, die ihren enormen Reichtum durch Machtanmaßung, Korruption, Aneignung von öffentlicher Geldern und öffentlichem Eigentum, Folterungen, Morde und Kriege erwarb.
Putin hatte Angst vor Nawalny. Seine Ermordung ist ein klares politisches Signal dafür, dass der Putinismus in eine neue Phase eintritt; in ihr ist die physische Beseitigung politischer Gegner und vielleicht sogar aller Personen erlaubt, die als Bedrohung für das Überleben des Regimes angesehen werden. Dies bedeutet, dass das Leben aller politischen Gefangenen in Russland in Gefahr ist. Wir müssen mit einer Eskalation der Gewalt innerhalb und außerhalb Russlands und neuen „unerwarteten“ Todesfällen von politischen Aktivist:innen rechnen.
Mit der Ermordung Nawalnys will das mörderische und völkermordende Putin-Regime die russische Opposition demotivieren. Wir müssen entgegen ihren Erwartungen handeln. Wir müssen unsere Solidarität und Selbstorganisation verstärken, um die Diktatur zu beenden. Nawalnys Tod ist ein Beispiel für ein politisches Martyrium, das uns nicht frustrieren, sondern zu weiteren politischen Aktionen anspornen muss. Wir dürfen nicht aufgeben. Die Mörder werden bestraft werden, die Diktatur wird gestürzt werden.
Erklärung der Russländischen Sozialistischen Bewegung (RSD) vom 16. Februar 2024 ist einsehbar auf Russisch auf Facebook und auf Englisch auf der Webseite der US-amerikanischen Zeitschrift „Against the Current“.