Nach nur zwei Jahren und einer Saison in der ELF (European League of Football) ist die einzige Schweizer Profi-Footballmannschaft Geschichte. Die Helvetic Guards werden aufgelöst. Der Saisonstart am 25. Mai 2024 wird aber trotzdem wieder mit einem Schweizer Team stattfinden. Die Chance auf ein Franchise mit besserem Namen und schönerem Logo lässt die Herzen der Footballfans hierzulande höherschlagen. Leider haben die Verantwortlichen die Chance verpasst auch linke Fans abzuholen, denn der neue Verein heisst Helvetic Mercenaries (Söldner). Das neue Logo könnte auch eine Kopie einer rechtsextremen Jugendgruppe sein. Ein schlechter Scherz.
von Charles-Mathieu Sérou (BFS Zürich)
Wie alles begann
Ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich am 13. Mai 2022 die Pressekonferenz zur Saisoneröffnung der zweiten ELF-Saison im Fernsehen gesehen habe. Dort wurde verkündet, dass bereits in der dritten Saison zuerst der Standort Zürich und dann die ganze Schweiz ein Footballteam bekommt. Die Begeisterung und Überraschung waren riesig. Den besten Live Football in Europa zu sehen und das direkt vor der Haustür war schon ein ganz grosses Ding unter den Footballfans.
Die ELF ist eine sehr junge Liga, die diesen Mai zum 4. Mal startete. Die Liga funktioniert ähnlich wie die NFL als eine geschlossene Liga mit Franchise. Sie spielt immer von Ende Mai bis Ende September in der NFL-Pause. In den letzten Jahren hat sich die Liga als fester Bestandteil des europäischen Footballs etabliert und der Hype um den Sport in Europa wächst weiter. Die beiden Gründer der Liga sind Patrick Esume und Zelijko Karajica. Zwei Schwergewichte, wenn es um Football und das Fernsehgeschäft geht. Derzeit besteht die ELF aus 17 Mannschaften aus 9 Ländern.
Die erste Saison der Guards war nicht gerade von Erfolg gekrönt. Heimstätte wurde das Fussballstadion in Wil, St. Gallen. Die 6 Heimspiele wurden von durchschnittlich 2´260 Zuschauern besucht. In der gesamten Saison erreichten die Guards 3 Siege und 9 Niederlagen und schieden nach der Gruppenphase aus. In der Conference belegten sie Platz 4 von 6.
Die Überraschung und die Wahrheit über das Söldnertum
Am 4.4.24, zwei Monate vor Saisonbeginn, ist Schluss. Die Guards ziehen sich zurück und übergeben die Franchise an neue Besitzer. Kurz darauf, am 11. April wird bekannt gegeben, dass der neue Verein Helvetic Mercenaries heissen soll.
Der Name Mercenaries bezieht sich laut Vereinsbeschreibung auf das Söldnerwesen. Laut Beschreibung von endzone.ch, der führenden Schweizer Footballseite, wird dies zusammengefasst so beschrieben: Das schweizerische Söldnerwesen war nach der Landwirtschaft der zweitwichtigste Wirtschaftszweig des früher sehr armen Landes. Hatte die Eidgenossenschaft im Mittelalter noch Grossmachtgelüste und wollte ihr Territorium erweitern, wurden diese Vorhaben mit der Niederlage in der Schlacht bei Marignano 1515 beendet. Die Eidgenossen beschränkten sich danach auf die bestehenden Gebiete und stoppten ihre Expansionsvorhaben. Dadurch erhielten die Schweizer Soldaten die Möglichkeit für fremde Mächte zu kämpfen – woraus eine Art Industrie entstand. Eben die «Soldaten in fremden Diensten.» Diese Branche, welche auch schon vor Marignano bestand, hatte einige sehr reiche Familien hervorgebracht. Schon lange ist es Schweizer Bürger:innen aber per Gesetz verboten für andere Armeen zu kämpfen. Die einzige Ausnahme: Die Päpstliche Schweizergarde.
Für viele arme Leute war der Solddienst eine Möglichkeit, sich einen Verdienst zu sichern. Gleichzeitig war es ein profitables Geschäft für Militärunternehmer und reiche Familien, die die Söldner vermittelten und dafür Provisionen bekamen. In der Geschichtsschreibung im 18. Jahrhundert wurden Söldner noch als Verräter angesehen, weil sie für fremde Mächte kämpften. Doch im Zuge der Schweizer Bundesstaatsgründung 1848 änderte sich das Bild. Zusammen mit den erfundenen Geschichten von Wilhelm Tell und dem 1. August wurden der Mut und die Loyalität dieser Söldner zu urschweizerischen Eigenschaften verklärt und in den nationalen Mythos der wehrhaften Schweiz integriert.
Diese Erzählung lässt jedoch Vieles weg. Sie ignoriert die Tatsache, dass das Söldnerwesen oft von Korruption geprägt war und vor allem den Unternehmern zugutekam. Auch wurde übersehen, dass viele Schweizer Söldner bis zum frühen 20. Jahrhundert in Kolonialarmeen kämpften und zur kolonialen Expansion und Sklaverei beitrugen – ohne jemals dafür dafür belangt worden zu sein.
Die einzigen Schweizer Söldner:innen, die wegen ihrer Dienste strafrechtlich verfolgt wurden, waren diejenigen, die im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939 als Freiwillige gegen den Faschismus kämpften. Typischerweise wurden diese Antifaschist:innen nie in den schweizerischen Söldnerkult integriert, sondern den Rest des 20. Jahrhunderts als Verräter:innen angesehen, bis sie 2009 offiziell rehabilitiert wurden.
Das Logo und seine Beschreibung
Auf dem Instagram-Post zur Präsentation des offiziellen Logos kann man sich bei der Beschreibung unter dem Bild vor lauter Patriotismus fast übergeben. Es steht Folgendes «Das Schweizerkreuz in unserem Logo steht für mehr als Tradition, es steht für Einheit, Neutralität und Freiheit. Es widerspiegelt die Schweizer Werte Frieden, Unabhängigkeit und Solidarität. Diese Werte tragen wir nicht nur in unseren Herzen, sondern zeigen sie auch in jedem Spiel.» Wenn man das liest und sich die historischen Fakten vor Augen führt, hat man das Gefühl, dass die Geschichte des Söldnerkults nicht verstanden wird und etwas glorifiziert, was nicht so war. Das kommt einem Geschichtsrevisionismus (Geschichtliche Tatsachen verdrehen) schon sehr nahe.
Ich persönlich kenne die politische Ausrichtung der neuen Geschäftsstelle der Mercenaries nicht. Die Art und Weise, wie hier Werte vertreten werden, ist ein schmaler Grat zur Ästhetik und Präsentation der extremen Rechten. Es könnte sich auch direkt um einen Werbespot einer neuen rechtsextremen Gruppierung handeln. Wie gefährlich es ist, rechtsextremes Gedankengut zu fördern, zeigt der jüngste Fall in Dresden, wo ein SPD-Politiker auf offener Strasse zusammengeschlagen wurde. Wie man es auch immer wieder von der Liga zu hören bekommt: Football ist Family. Eine Ideologie zu fördern, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens verachtet, ist nicht Family.
Football hat auch in Amerika verschiedene politische Probleme, wo man Patriotismus, Rassismus, Homophobie und Sexismus reproduziert. Es ist logisch, dass die ELF so nahe wie möglich am Original sein will. Da verwundert es nicht, dass man die Reproduktion der gleichen Probleme gleich mit vorantreibt. Die ELF baut auch kritische Kontakte auf. Sie arbeitet zum Beispiel seit dieser Saison mit der Bundeswehr in Deutschland zusammen. Dass die Bundeswehr damit ihr Image aufbessern und ihre Auslandseinsätze ablenken will, ist ein Missbrauch des Sports und nicht der Werte, die die Liga nach aussen vertreten will.
Meine Hoffnung ist, dass die Fans der ELF dies kritisch betrachten und sich fragen, welche Werte in ihrem Sport vertreten sein sollen. Es ist bereits heute erkennbar, dass im Gegensatz zur NFL ein organisierter Support in den Stadien vorhanden ist, was wahrscheinlich aus dem Fussball kommt. Dieser organisierte Support könnte massgeblich beeinflussen, in welche Richtung sich die Liga entwickeln wird und welche Werte sie repräsentieren möchte. Da die ELF noch nicht so gross wie der Fussball ist, bieten sich hier durch gezielte Interventionen schnelle und wirkungsvolle Möglichkeiten zur Veränderung.
Was der ELF ebenfalls einen Vorsprung gegenüber der NFL verschafft, ist das Thema Rassismus. Dass dieses Thema stärker ins Bewusstsein gerückt ist, liegt wohl auch an Coach Esume. Er betont in seinen TV-Auftritten immer wieder, dass er sich über Rassismus, Sexismus und Homophobie ärgert und dass diese Themen in der heutigen Zeit einfach keinen Platz mehr haben. Ein Beispiel, wo die Liga gut gehandelt hat, ist, dass am ersten Spielwochenende der ersten Saison der Quarterback nach dem ersten Spiel für den Rest der Saison gesperrt wurde, weil er zu einem gegnerischen Spieler «Black Pussy» gesagt hat. Wichtig ist nun, dass dies nicht nur in den Medien erwähnt wird und Spieler sanktioniert werden, sondern dass dies auch konkret in das Ligageschäft einfliesst und keine Deals mit der Bundeswehr gemacht werden, wo es offensichtlich ein Rassismusproblem gibt.
Mein persönlicher Vorschlag für ein neues Team
Man darf nicht nur meckern – das ist eine sehr schweizerische Eigenschaft. Wenn man nach Amerika schaut, sieht man, dass Football oft von Klischees, Übertreibungen und cringen Männlichkeitsbildern lebt. Ein alternatives Team, das ich mir ausgedacht habe, wäre die „Swiss Avalanche“ (Lawine). Ich habe sogar ein Logo dazu, das ich mit einer KI im „mind-verse“ entworfen habe (deshalb auch der komische Text, KI kann nicht mit Text in Bildern umgehen). Mein Beispiel zeigt, dass selbst ein Laie wie ich es schafft, sich bei Klischees zu bedienen, ohne rechtsradikal zu wirken.
Ich hoffe, dass wir Schweizer Footballfans es nicht einfach so hinnehmen, dass sich unsere einzige professionelle Franchise rechtslastig präsentiert. Es ist wichtig, dass wir aktiv werden. Unser Sport soll für Vielfalt, Respekt und Fairness stehen.
Indem wir uns engagieren und uns organisieren, können wir die Entwicklung des Schweizer Footballs beeinflussen. Es liegt an uns, sicherzustellen, dass unser Football nicht in ein fragwürdiges Licht gerückt wird, sondern als positives Beispiel für Integration und Gemeinschaft dient.
The people involved in the naming process are American, German and British citizens. They see Switzerland with different eyes…
They actually wanted to keep the name „Guards“, but this was not possible for legal reasons.
So the Helvetic Guards were renamed „Mercenaries“ because the Papal Guards were mercenaries… that was the whole idea behind it, nothing racist or nationalistic, just a reference to the Papal Guards.
Thank you for the description and for the work that is being done in Switzerland to build a professional football team. Unfortunately, this does not change the possible interpretation of the new version.