Im zweiten Teil der Artikelreihe von Klaus Meier wird erneut am Beispiel von Deutschland die Umweltverschmutzung in Form von Verpackungsmüll behandelt. Dabei spielen die Mechanismen der kapitalistischen Weltwirtschaft eine tragende Rolle. (Red.)
von Klaus Meier; aus „die Internationale“
Verpackungswahnsinn: Lohnkosten sparen und Konsument*innen täuschen
Pro Kopf liegt Deutschland europaweit an der Spitze. Kein anderes EU-Land produziert so viel Verpackungsmüll. Wer mit offenen Augen durch deutsche Supermärkte geht kann dies nicht übersehen. In der Lebensmittelabteilung wird z.B. Brokkoli zunehmend in Plastikfolie eingewickelt. Bananen, die eigentlich von Natur aus eine verpackende dicke Schale haben, werden noch einmal mit Plastik umhüllt. Der Grund dafür ist nicht Hygiene, sondern dass z.B. die Bananen vorportioniert sind und mit einem Preisschild versehen an den Kassen schnell verbucht werden können. Das Ziel ist eine durchrationalisierte Einkaufsumgebung, die möglichst wenig Personal bedarf.
Das gleiche Prinzip begegnet einem in der Lebensmittelabteilung. Käse, Wurst und Fleisch wird vorab aufgeschnitten und vorportioniert auf geschäumten Kunststoffunterlagen mit Folie verpackt. Auch hier kann vorab ein Preisschild aufgeklebt werden. Statt die Wünsche der Kunden einzeln entgegenzunehmen, wird so viel wie möglich manufakturmäßig vorverpackt. Das reduziert die Kommunikationszeit und den Arbeitsaufwand und spart so erhebliche Lohnkosten. In den Abteilungen für Kosmetika und Körperpflege wird der Verpackungswahnsinn dann auf neue Höhen getrieben. Die Cremes, Zahnpasten oder Lotionen befinden sich in Tuben, kleinen Flaschen oder Behältern aus Kunststoff. Zusätzlich werden die Produkte noch in Pappschachteln verpackt, die oftmals extra groß und aufwendig sind, um mehr Produkt vorzutäuschen als wirklich drin ist. Man spricht dabei von Umverpackungen. An ein sinnvolles Recycling wird von den Herstellern nicht gedacht, geschweige denn an eine Wiederverwendung der Verpackungsbehälter. Vor der Kasse kommen die Kunden dann üblicherweise noch an palettenweise aufgestellten Bonbons, Schokoladen, Knusperchips und Pralinen vorbei. Auch hier wieder das gleiche Bild: Überdimensionierte Mehrfachverpackungen für ungesunde Produkte, für die es oft das Beste wäre, wenn sie niemals hergestellt worden wären.
Kunststoffmüll: Eine neue globale Umweltkatastrophe
Ein besonderes Augenmerk muss auch auf die Kunststoffproduktion geworfen werden. 2016 wurde weltweit 322 Millionen Tonnen hergestellt [2]. Trotz der wachsendem Probleme mit dem Material steigt die produzierte Menge. Flaschen und Behälter für Shampoo, Farben, Zahnpasta, Getränke, Joghurt werden meist aus Kunststoff hergestellt. Das gilt auch für Autoinneneinrichtungen, Computer- und Fernseheinhausungen sowie tausend andere Anwendungen. Nach der Benutzung werden die Kunststoffprodukte einfach weggeworfen. Weltweit landet ein Großteil des Kunststoffanfalls in der Landschaft und über die Flüsse schließlich im Meer. 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen kommen nach überschlägigen Berechnungen von Wissenschaftlern jedes Jahr zusätzlich in die Ozeane [2]. UV-Strahlung und Wellen zerlegen die Plastikteile in immer kleinere Teilchen, die den Verdauungstrakten von Vögeln und Fischen zusetzen.
Hier bahnt sich mittlerweile eine neue globale Umweltkatastrophe an. Wissenschaftler mahnen, dass 2050 die Plastikmenge im Meer die der Fische übersteigen wird. Deutsche Kunststoffhersteller haben mit ihrer Produktion und ihren weltweiten Exporten eine hohe Mitverantwortung. Bis zum 1. Januar 2018 wurden sogar jedes Jahr 760 000 Tonnen der in Deutschland gesammelten Kunststoffabfälle nach China exportiert [3]. Wo die dann später landeten, interessierte offensichtlich nicht. Piotr Barczak vom europäischen Umweltbüro sagte dazu: „Es ist unklar, was genau mit dem Müll passiert, der nach China exportiert wird.“ [3]
Kunststoffe machen aber noch weitere Probleme: So frisst die chemische Umwandlung von Rohöl zu Kunststoff besonders große Energiemengen. Es ist ein Skandal, dass daraus zu einem Großteil kurzlebige Wegwerfprodukte hergestellt werden, mit steigender Tendenz auch in Deutschland. So wuchs hierzulande von 2003 bis 2013 der Kunststoffanteil am Abfall überproportional um 39 % an. Die deutsche Kunststoffindustrie trägt dafür eine hohe Verantwortung. Sie stellte 2015 18 Millionen Tonnen Kunststoffe her und machte damit 25 Milliarden Euro Umsatz. Abzüglich des Exports verblieben 10,1 Millionen Tonnen im Inland [4, 5]. Im selben Jahr wurden aber nur 5,92 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle wieder eingesammelt [4]. Wo die restlichen 40 % Müll verbleiben ist vielfach unklar.
Trittins Dosenpfand: Ein böses Lehrstück
2003 bemühte sich Bundesumweltminister Jürgen Trittin, der zunehmenden Flut von Getränkedosen Herr zu werden. Eigentlich eine selektive Fragestellung, die lösbar sein sollte. Aber es gab ein endloses Geplänkel mit der Industrie, die den Untergang des Abendlandes an die Wand malte. Getränkedosen wurden zwar nicht verboten, aber es wurde immerhin ein Dosenpfand eingeführt. Tatsächlich gingen danach die Dosenverpackungen von 7 Milliarden Stück auf 100 Millionen in 2005 zurück. Aber diese Verbesserung war nur von kurzer Dauer. Für 2014 meldete der Verband der Getränkedosenhersteller, dass man wieder 1,86 Milliarden Dosen verkauft habe. Und der Sprecher des Branchenverbandes erklärte frech: “Mittelfristig streben wir unseren alten Marktanteil an und das halten wir für realistisch.“ [6] Trittin wollte mit seinem Pfand alle Einweggetränkeverpackungen zurückdrängen. Die Mehrwegquote sollte 80 % erreichen, so der Plan. Doch daraus ist nichts geworden. Vor der Pfandeinführung wurden immerhin noch 66,3 % aller verkauften Getränke in Mehrwegflaschen abgefüllt [7]. 2015 waren es nur noch 44,3 %. Und laut dem Umweltbundesamt werden nur noch knapp 30 % der Erfrischungsgetränke und 40 % des Mineralwassers in Mehrwegflaschen angeboten [7]. Das ist also die Lex Trittin: Ein böses Lehrstück über die Macht von Verpackungsindustrie und Handelskonzernen. Kurzfristige, halbgare Erfolge, die die Machtstrukturen nicht ändern, sind angesichts des herrschenden Kräfteverhältnisses niemals von Dauer. Nach wenigen Jahren werden sie von den kapitalistischen Konzernen und ihren politischen Helfershelfern wieder auf null zurückgefahren.
Warum Mehrweg-Verpackungen ökologischer sind
Die Verpackungs- und Getränkeindustrie hat mittlerweile absichtlich so viel Verwirrung gestiftet, dass viele Kunden nicht mehr beurteilen können, welche Flaschensysteme Mehrweg und welche Einweg sind. Die großen Discounter wie Lidl oder Aldi bieten heute fast ausschließlich Getränke in Einwegflaschen aus PET an. So ersparen sie sich die Rücknahme. PET steht für Polyethylenterephthalat. Discounter und Verpackungsindustrie behaupten, dass PET-Einwegflaschen recycelt würden. Tatsächlich werden sie gesammelt, gewaschen und zu Granulat geschreddert. Dabei kommt es aber zu einer Beschädigung der Kunststoffmoleküle, so dass nur noch etwa die Hälfte des zurückgenommenen Materials für neue PET-Flaschen verwendet werden kann. Dem Prozess muss etwa 50 Prozent fabrikneues PET-Material hinzugesetzt werden [9]. Die andere Hälfte des PET-Granulats kann bestenfalls noch für farbige Textilfasern verwendet werden. Es ist also kein geschlossener Material-Kreislauf, sondern 50 % des Materials endet in einem Downcycling-Prozess. Dazu kommt, dass ein großer Prozentsatz der Einwegflaschen erst gar nicht im Recycling landet, sondern gleich verbrannt wird. Mehrwegsysteme sind dagegen grundsätzlich umweltfreundlicher. Die Flaschen werden gespült und können dann wiederverwendet werden. Das gilt auch für PET-Mehrwegflaschen, die 25 Mal eingesetzt werden können [9]. Glas-Mehrwegflaschen können im Durchschnitt sogar bis zu 50 Mal wieder befüllt werden. Eine sehr gute Ressourcennutzung. Und sie sind zu 100 % in einem Kreislauf recycelbar. Je größer allerdings die Transportentfernungen sind, desto mehr nimmt der ökologische Vorteil von Mehrweg- gegenüber Einwegsystemen ab. Die kritische Grenze liegt zwischen 750 und 1500 Kilometer [8]. Die Schlussfolgerung: Man sollte Mehrwegflaschen verwenden, aber die Getränke und andere Inhaltsstoffe sollten aus der Region stammen. Tatsächlich ist es nicht einsichtig, warum heute in Kiel süddeutsches Mineralwasser und in Nürnberg Milch aus Norddeutschland angeboten wird.
Es ist festzuhalten, dass die Müllmengen deutlich reduziert werden könnten, wenn Mehrwegsysteme generell verpflichtend für den Getränkebereich wären. Es ist nur die Kriecherei der Politik vor den Konzernen, die diese einfache Lösung verhindert. Aber es wäre noch mehr möglich. Mehrwegbehälter aus Glas oder auch aus PET haben ein noch viel größeres Potenzial, wenn sie auch außerhalb des Getränkebereichs eingeführt würden: Warum sollten nicht beispielsweise auch Gemüse, Joghurt, Shampoos oder Reinigungsmittel verpflichtend in vereinheitlichten Mehrwegbehältern angeboten werden? Sie könnten mit Pfand belegt werden und aus Glas oder recycelbarem Kunststoff bestehen. Das Müllproblem könnte dann schnell der Vergangenheit angehören. Es fehlt allein der politische Wille.
Das Märchen vom umweltfreundlichen Getränkekarton
Beim Thema Müll müssen auch die allgegenwärtigen Getränkekartons ins Blickfeld genommen werden. 2012 wurden davon 185 400 Tonnen (Leergewicht) in Deutschland verbraucht [10]. Eine enorme Menge Müll. Diese Verpackungen bestehen aus einem mehrschichtig verklebten Verbund aus Karton, Aluminiumfolie und Kunststoff. Laut der Verpackungsindustrie liegt die Recyclingquote bei 71 %. Das Umweltbundesamt beurteilt die Getränkekartons aufgrund einer ökobilanziellen Untersuchung aus den Jahren 2000 und 2002 als ökologisch vorteilhaft. Die Deutsche Umwelthilfe hat dies angezweifelt und eine eigene Untersuchung dagegengesetzt. Dabei zeigte sich, dass tatsächlich nur 36,5 % der Getränkekartons „recycelt“ werden [10]. Ein großer Anteil landet aufgrund von Fehleinwürfen im Hausmüll und wird mit ihm verbrannt. Ein anderer Teil geht im Sortierprozess verloren, z.B. weil die Tetrapaks nicht erkannt werden oder zu verdreckt und damit für das „Recycling“ unbrauchbar sind. Nur rund 1/3 der Getränkekartons gelangen dann in den weiteren Recyclingprozess, wo sie zunächst mechanisch zerkleinert werden. Anschließend kommen sie in eine Waschanlage, eine sog. „Auflösetrommel“. Hier werden die Fasern des Kartonanteils von den Bestandteilen aus Kunststoff und Aluminium getrennt. Der Faserbrei kann für einfache Altpapierprodukte, wie Pappkartons und Toilettenpapier verwendet werden. Die Bestandteile aus Kunststoff und Aluminium werden verbrannt. Die Asche kann in die Zementproduktion einfließen. Faserbrei und Asche gelten offiziell als „recycelt“. Tatsächlich ist es ein „Downcycling“, denn der Faserbrei kann nicht für neue Tetrapaks verwendet werden, denn dafür bedarf es langer Papierfasern. Das bedeutet, dass für die Getränkekartons immer neue Bäume gefällt werden müssen, vor allem langsam wachsende skandinavische Hölzer mit langen Fasern. Auch aus der in die Zementproduktion eingehenden Aluminiumasche (Bauxit) kann nie wieder Aluminium zurückgewonnen werden. Wenn man den Gesamtprozess der Getränkekartonverwertung betrachtet, grenzt es schon an Betrug, ihn als Recycling auszugeben. Es ist bedauerlich, dass eine eigentlich seriöse Institution, wie das Umweltbundesamt, dieser Rosstäuscherei immer noch ihren Segen gibt.
Immer neue Müllfluten im Kapitalismus
Ein Beispiel dafür, wie schnell im Kapitalismus neue Müllfluten entstehen und alle vorherigen ökologischen Bemühungen zunichtemachen können, zeigen die Coffee-to-go-Becher. Früher unbekannt, werden sie heute an jeder Ecke angeboten. 320 000 Kaffee-Einwegbecher werden in Deutschland weggeworfen – pro Stunde! Im Jahr sind das 3 Milliarden [11]. Die Deutsche Umwelthilfe nannte sie einen wahren Fluch für die Umwelt und berechnete, dass die neuen Coffee-to-go-Becher 2015 für einen Kohlendioxidausstoß von zusätzlichen 110 000 Tonnen allein in Deutschland verantwortlich seien. Für die Herstellung der Becher werde eine Energie benötigt, mit der sich eine Kleinstadt ein ganzes Jahr versorgen ließe. Dazu kämen noch viele tausend Tonnen Holz und Kunststoff.
Ein weiteres Beispiel für eine neu entstandene Müllwelle sind Kaffeekapseln. Sie entstanden mit der Einführung neuer Kapsel- und Pad-Maschinen für private Haushalte, womit die Kaffeemaschinenindustrie einen großen Coup landen konnte. Die durchschnittliche Kapsel besteht aus 2 bis 3 Gramm Verpackung und 6 bis 7 Gramm Kaffee, was ein unglaublich schlechtes Verhältnis von Verpackungsmüll (43 %) zu Inhalt darstellt. Zum Vergleich: Bei einer üblichen 500 Gramm-Packung Kaffee macht die Verpackung nur 15 Gramm aus (3 %) [12]. So macht man gleichzeitig Müll und hohe Profite. Im Jahr 2008 wurden in Deutschland etwa 800 Tonnen Kaffeekapseln verkauft. 2014 waren es bereits 17 750 Tonnen und 2015 dann 20 600 Tonnen. Tendenz steigend. Besonders schlimm sind die Kaffeekapseln der Schweizer Nestle-Tochter Nespresso. Sie enthalten große Mengen Aluminium. 2015 verkaufte Nespresso weltweit 8 Milliarden Kapseln. Das sind 8 Millionen Tonnen Aluminiummüll [13]. Und die Aluminium-Produktion ist ein großer Stromfresser und führt zu erheblichen CO2-Emissionen.
Und es droht schon wieder eine neue Gefahr. Zunehmend lassen sich Karbon- und Glasfasern mit neuen Verarbeitungsmethoden, wie 3D-Druck oder modifiziertem Spritzguss, kostengünstig in Alltagsprodukte integrieren. Diese Verbund-Materialien sind kaum noch recycelbar. Und wenn sie in die Müllverbrennung geraten entstehen krebserregende Bruchstücke. Die Recycling-Unternehmen sind bereits alarmiert. Laut VDI Nachrichten verweigern die Faser-Hersteller aber jeden Dialog [17].
Aus Coffee-to-go-Bechern und Kaffeekapseln lassen sich Lehren ziehen. Sie sind ein warnendes Beispiel für alle, die glauben, dass sie das Müll-Problem lösen können, ohne den Kapitalismus anzutasten. Tatsächlich ist es wie im Kampf gegen die 9-köpfige Hydra der griechischen Mythologie. Für jeden Kopf, den der Held dem Untier abgeschlagen hatte, wuchsen zwei neue nach.
Die Recyclinglüge
Aber gibt es nicht das Recycling? So wurde in Deutschland 1991 der Grüne Punkt eingeführt, der verspricht, dass aus gebrauchten Verpackungen neue Rohstoffe gewonnen werden. Laut der Europäischen Umweltagentur EEA werden mittlerweile in Deutschland zwei Drittel des Haushaltsmülls recycelt. Ein Rekord in Europa. Das Bundesumweltministerium spricht sogar von einer Recycling-Quote von 80 Prozent, gewerblicher Müll und Industrieabfälle eingeschlossen. Also alles gar nicht so schlimm?
Bei näherem Hinsehen erscheint die offizielle deutsche Recyclingquote fragwürdig. Selbst der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Abfallwirtschaft (DGAW), Thomas Obermeier, nennt die Zahlen „Augenwischerei“. Die DGAW spricht von einer realistischen Recyclingquote von 31 bis 41 Prozent [14]. Und der Umweltwissenschaftler Prof. Henning Friege, der den Report des Nachhaltigkeitsrates erarbeitet hat, führt aus: „Der Kreislauf ist bei vielen Abfällen nur Fiktion.“ [11] Was sind die Gründe für diese Kritik? Zunächst einmal ist die Ermittlung der Recyclingquote fragwürdig. Gemessen wird nur die Inputmenge in eine Recyclinganlage [15]. Was diese aus dem Müll macht und wie effizient das funktioniert spielt für die Statistik keine Rolle. Und der eingehende Müll ist nur schwer sortierbar. So landen in den Großstädten in der Gelben Tonne bis zu 50 Prozent „Fehleinwürfe“ [11]. Sie werden in den Recyclinganlagen aussortiert und meist verbrannt. In der Statistik gilt aber dies alles als „recycelt“. Ein weiteres großes Problem: Kunststoffverpackungen bestehen aus kunterbunten Stoffgemischen, denn die Industrie hat alle Freiheiten und kann vorgabefrei produzieren, was sie will. Das sortenrein für eine hochwertige Wiederverwertung aufbereiten zu wollen ist schlicht unmöglich. Im Ergebnis findet für kleinere Mengen ein „Downcycling“ statt: Plastikmüll wird zu Parkbänken oder Blumentöpfen. Der größere Anteil aber wird verbrannt.
Ein anderes Problem resultiert daraus, dass sich die Industrie immer neue Verbundmaterialien einfallen lässt. Gesetzliche Regeln oder Richtlinien gibt es ja nicht. So werden unterschiedliche Kunststoffe miteinander verschweißt oder mit Metall und Pappe fest verbunden. Das lässt sich im Sortierprozess kaum trennen – jedenfalls nicht mit vertretbarem Aufwand. Was sich aber nicht separieren lässt, landet in der Müllverbrennung. Dies wird oft noch euphemistisch als „thermische Verwertung“ oder gar als „thermisches Recycling“ bezeichnet. Doch die aus Müll gewonnene Energie macht nur 1 Prozent der gesamten in Deutschland erzeugten Strommenge aus [18]. Also ein großer Ressourcenverlust ‒ und wenig Energie. Das Fazit: Bei einer genauen Betrachtung bleibt vom deutschen Recyclingweltmeister nicht viel übrig – außer einer gut frisierten Statistik.
Neues Verpackungsgesetz – Gut für neuen Müll
Könnte sich die Situation mit dem neuen Verpackungsgesetz der Großen Koalition verbessern? Leider gibt es keinen Grund zur Hoffnung. Das Gesetz, das am 1. Januar 2019 in Kraft tritt, nimmt die gefakten Recyclingdaten als Basis und sattelt noch drauf: Die Recyclingquote für Kunststoffverpackungen soll bis 2022 auf 63 Prozent steigen. Bei Verbundverpackungen, Glas, Papier und Blech sollen dann jeweils sogar 90 Prozent erreicht werden und bei Getränkeverpackungen 80 % [19]. Das Problem: Die Politik ist auf das „Recycling“ fixiert. Dabei ist der hohe Ressourcenverbrauch das Problem. Und die erzeugte Müllmenge in Deutschland hat über die Jahre immer weiter zugenommen. Eigentlich wird im § 6 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes eine sinnvolle Abfallhierarchie benannt. Danach hat die Vermeidung von Müll die oberste Priorität. Es folgt die Wiederverwendung von Stoffen, also z.B. Glasflaschen. Erst an dritter Stelle folgt das Recycling und danach die Verbrennung. Leider ist die Realität in Deutschland genau anders herum. Für die Müllvermeidung und damit die Senkung der Treibhausgasemissionen müssten Mehrwegverpackungen in den Mittelpunkt gestellt werden. Das neue Verpackungsgesetz leistet dies gerade nicht.
Hoffnung auf die bürgerlichen Politiker?
Könnte die Politik hier nicht eingreifen? Leider ist von den bürgerlichen Politikern keine Änderung des Verpackungswahns zu erwarten. Dafür sind sie zu eng mit den kapitalistischen Konzernen verbandelt und können nur eindimensional denken. Was dabei rauskommt, zeigt die lächerliche Initiative der EU-Kommissionen, die zehn Kunststoffwegwerfartikel aus dem Verkehr ziehen will. Darunter Trinkhalme, Wattestäbchen und Ballonhalter. Angeblich soll das dem Schutz der Meere dienen. Aber was ist mit den Millionen Einwegflaschen, den Verpackungen, Seilen oder Eimern, alles aus Kunststoff, die jedes Jahr vielmillionenfach im Meer landen? [20]
Die deutschen Politiker sind vom selben Schlag wie ihre EU-Kollegen. Typisch ist die Antwort der früheren SPD-Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, die in einer Fernsehsendung auf die Frage, ob man sinnlose Verpackungen denn nicht verbieten könne, antwortete: „Nein, sowas kann man nicht alles per Gesetz verbieten. Wir sind schon ein freiheitliches Land und nicht alles was Menschen ärgert, kann man per Gesetz verbieten“ [21].
Quellen:
[1] Süddeutsche Zeitung, 10.3.2016: Der große Müllberg beim Kaffeekochen
[2] Susanne Donner: Die Plastikfresser, Bild der Wissenschaft, Nr. 6-2018
[3] Die Weltmüllkippe schließt sich, Zeit online, 6.1.2018
[4] Umweltbundesamt: Kunststoffabfälle, umweltbundesamt/de, 10.01.2017
[5] Kunststoff in Zahlen, SWR, www/swr.de/odysso, 16.11.2017
[6] Spiegel online, 19.3.2015: Was wurde eigentlich aus dem Dosenpfand?
[7] Einweg gegen Mehrweg: Ärger um Wegwerf-Flaschen, Die Zeit, 13.6.2017
[8] Der NABU-Mehrweg-Guide: Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Mehrweg und Einweg, www.nabu.de, abgerufen: Mai 2018
[9] Plastik oder Glas? Welche Flaschen sind umweltfreundlicher? www.br.de, 29.5.2013
[10] Das Märchen vom umweltfreundlichen Getränkekarton, Deutsche Umwelthilfe, 24.11.2014
[11] Süddeutsche Zeitung, 12.5.2017: Das Märchen vom Recycling
[12] Spiegel Online, 25.8.2016: Umweltsünde Kaffee
[13] Süddeutsche Zeitung, 21.10. 2016
[14] EU-Recycling: Abfallwirtschaft ist noch längst keine Kreislaufwirtschaft, www.eu-recycling.com, Abruf am 12.5.2018
[15] Statistisches Bundesamt: Umwelt Abfallbilanz 2015, erschienen am 10.07.2017
[17] Fasern in Form, VDI Nachrichten, 11.5.2018
[18] Aus Müll wird Strom und Wärme, Süddeutsche Zeitung, 30.5.2018
[19] https://verpackungsgesetz-info.de/: Die Informationsplattform für Hersteller und Vertreiber zum Verpackungsgesetz
[20] Cocktail ohne Strohhalm, Süddeutsche Zeitung, 29.5.2018
[21] WDR 3-Fernsehen: Der Haushaltscheck mit Yvonne Willicks, Sendung vom 9.11.2015