In Deutschland solidarisieren sich immer grössere Teile der Gewerkschaftsbewegung öffentlich mit der Klimabewegung. Zunächst hat ver.di Vorsitzender Frank Bsirske die Gewerkschafter*innen dazu angeregt, sich während der Freizeit am Klimastreik vom 20. September 2019 zu beteiligen. Nun gehen zahlreiche Gewerkschafter*innen einen Schritt weiter und fordern von ihren Gewerkschaftsführungen, dass sie offiziell zu einem Streik aufrufen. Nachfolgend veröffentlichen wir den Aufruf. (Red.)
Aufruf von Gewerkschafter*innen; aus verdi-aktiv.de
Für den 20. September ruft Fridays for Future (FFF) zu einem “globalen Streik” unter dem Motto #AlleFürsKlima auf. Häufig fällt in dem Zusammenhang das Wort vom “Generalstreik für das Klima”. Als Gewerkschafter*innen begrüßen wir den Aufruf von FFF, dass sich die Gewerkschaften und alle Beschäftigten an den Klimastreiks beteiligen sollen.
- Der menschengemachte Klimawandel geht uns alle an: Wenn die aktuelle Wirtschaftsweise die Natur zerstört und im schlimmsten Fall große Teile der Erde unbewohnbar macht, ist es unsere Pflicht, gegen die Umweltzerstörung zu kämpfen und einen ökologischen Umbau zu fordern.
- Dieser ökologische Umbau darf nicht auf dem Rücken der Arbeiter*innen, der Jugend und der Rentner*innen vollzogen werden. Die größten Klimakiller sind große Industrie- und Handelskonzerne. Sie sollen die Hauptlast tragen. Ökologie und soziale Gerechtigkeit müssen Hand in Hand gehen und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
- Wir begrüßen den Aufruf von FFF an die Gewerkschaften, weil wir der Meinung sind, dass die Arbeiter*innenbewegung ihre wichtigste Waffe – den Streik – in die Waagschale legen sollte, um die Umstrukturierung zu erzwingen.
In dem Sinne finden wir es einen Fortschritt, dass Frank Bsirske, der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, am 5. August in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) angekündigt hat: “Wir werden zur Teilnahme an den Veranstaltungen aufrufen. Es geht darum, Flagge zu zeigen – wir brauchen ein deutlich konsequenteres Handeln der Politik beim Klimaschutz.”
Diese Unterstützung für FFF ist ein wichtiger erster Schritt. Doch das reicht noch lange nicht aus. Bsirske hat – wie viele seiner Kolleg*innen aus anderen Gewerkschaftsführungen – verkündet: “Wir rufen natürlich nicht zu einem ordentlichen Streik auf, das geht nicht. Es wird auch nicht jeder seine Arbeit unterbrechen können. Aber wer kann, sollte ausstempeln und mitmachen.”
Wir halten diese Aussage für falsch:
- Denn wer kann tatsächlich ausstempeln oder Urlaub nehmen? Sicher nur eine kleine Minderheit aller Beschäftigten und sicher nicht die große Masse.
- Gewerkschaften haben in der Vergangenheit immer wieder politisch gestreikt: gegen die Rente mit 67 und erfolgreich für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
- Nur eine aktive Haltung der Gewerkschaften kann die Trennung zwischen Umwelt- und Gewerkschaftsbewegung aufheben.
Initiativen wie die #fairwandel-Demonstration der IG Metall Ende Juni, die 50.000 Beschäftigte auf die Straße brachte, zeigen: Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit können verbunden werden. Doch nur bei Streiks zeigen wir unsere gesamte Kraft als Beschäftigte.
Aus diesem Grund wenden wir, die Unterzeichner*innen, uns mit diesem Statement an die Spitzen von ver.di, IG Metall und allen Gewerkschaften, auch außerhalb des DGB: Ruft offiziell zu einem ordentlichen Streik auf! Die Zukunft aller Arbeiter*innen ist vom Klimawandel betroffen!
Gleichzeitig wenden wir uns auch an alle Kolleg*innen in den Betrieben und in gewerkschaftlichen Basisstrukturen: Lasst uns gemeinsam nach Lösungen suchen, wie wir uns am 20.9. kollektiv am Klimaprotest beteiligen. Betriebs- und Personalräte können zu Betriebs- und Personalversammlungen aufrufen, gewerkschaftliche Betriebsgruppen und Vertrauensleutekörper können Betriebsgruppentreffen und offene Versammlungen einberufen, um eine gemeinsame Beteiligung zu diskutieren und zu organisieren. Zugleich können diese Versammlungen – genauso wie gewerkschaftliche Ehrenamtlichen-Strukturen auf Bezirks-, Landes- und Bundesebene – ebenfalls Aufrufe an die Gewerkschaftsspitzen richten, zu einem ordentlichen Streik aufzurufen.
Lasst uns gemeinsam nach Mitteln und Wegen suchen, am 20.9. ein möglichst starkes gewerkschaftliches Zeichen zu setzen!
Zugleich ist klar: Auch wenn es am 20.9. zu großen Streiks kommen sollte, ist die Klimakatastrophe noch lange nicht abgewendet. Deshalb muss der 20.9. uns als Auftakt dienen, um Kolleg*innen zu sammeln und eine Debatte über eine konkrete Kampfstrategie der Arbeiter*innenbewegung zu beginnen.
Wir rufen all diejenigen gewerkschaftlichen und betrieblichen Strukturen und Einzelpersonen, die dieses Statement für richtig halten, zur Mitunterzeichnung und Weiterverbreitung auf.
Die Liste der Unterzeichner*innen ist auf der Webseite von ver.di einsehbar.