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Die Party ist vorbei

Vor bald zwei Jahren haben die globalen Kämpfe für Klimagerechtigkeit einen historischen Aufschwung erlebt. Doch die Untätigkeit der politischen Verantwortlichen hat weiter System. Zu Beginn des letzten Jahrzehnts, in dem die Menschheit eine ungebremste Erderwärmung noch verhindern kann, ist die Zeit der freundlichen Appelle an die Mächtigen deshalb vorbei.

von BFS Jugend Zürich

«Wir haben wichtigere Probleme als das Klima»

Seit die Corona-Pandemie über eine weitestgehend unvorbereitete Welt hereingebrochen ist und das Klima von den Titelseiten verdrängt hat, haben die Regierungen der meisten europäischen Staaten ihre Absichtserklärungen zum Klimaschutz mit bedauernden Worten wieder in den Schubladen verschwinden lassen, um stattdessen milliardenschwere Rettungspakete an klimaschädliche Industrien zu verteilen – natürlich ohne Umweltauflagen.

Die Pandemie ist allerdings kein Unglück, das die internationale Politik von einem eigentlich positiven Kurs abgebracht hätte, sondern vielmehr ein Katalysator, der eine sowieso erwartbare Entwicklung stark beschleunigt hat. Sie zeigt recht eindrücklich, was die vollmundigen Versprechen der Parteien und Regierungen wert waren. Es gab nämlich schon vor der Pandemie etwas, das wichtiger war als die Erhaltung eines bewohnbaren Planeten: die Wirtschaft.

Sachzwänge und Standortnachteile

In den aktuellen Verhältnissen hängt die Stellung eines Staates im internationalen Staatengefüge von der Leistungsfähigkeit seiner Wirtschaft ab. Wer auf der internationalen Bühne durch Diplomatie, Sanktionen oder militärische Interventionen eine Rolle spielen möchte, braucht eine starke heimische Wirtschaft. Ebenso hängen Sozialleistungen und öffentliche Einrichtungen wie das Bildungs- und Gesundheitswesen vom Wachstum der inländischen Wirtschaft ab. Eine Regierungspartei, die wiedergewählt werden möchte, tut also gut daran, keine Gesetze zu erlassen, die die Unternehmen im eigenen Staatsgebiet zu sehr beschränken.

Dummerweise bedeuten die meisten Massnahmen, die nötig wären, um auch nur die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, einen massiven Standortnachteil. Beschliesst eine Regierung derartige Massnahmen, stehen Unternehmen vor der Wahl, die Mehrkosten für den Umweltschutz in Kauf zu nehmen und damit gegen Unternehmen aus Staaten ohne entsprechende Regelungen in der Konkurrenz zu verlieren, oder die Produktion ins Ausland zu verlagern.

Die durch die Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise hat die wirtschaftliche Konkurrenz zwischen den USA, der EU, China und Russland verstärkt. In allen beteiligten Staaten sind zur Stärkung der nationalen Wirtschaft Umwelt- und Klimaschutzbeschränkungen gefallen, viele von ihnen greifen wieder verstärkt zu fossilen Energieträgern, um schneller aus der Krise zu kommen. Kurzum: wirkungsvolle Klimapolitik wird es innerhalb des aktuellen Systems nicht geben.

Klimaschutz muss praktisch werden

Es gibt also keinen Grund, auf eine sinnvolle Klimaschutzpolitik der Schweizer Regierung zu hoffen. Die Zeit des freundlichen Bittens und des Aufmerksam-Machens durch Demonstration ist vorbei. Die Geschichte der sozialen Bewegungen und der Anti-Atombewegung zeigt deutlich, dass noch die kleinste Verbesserung durch anhaltenden, ernsthaften und entschlossenen Protest erkämpft werden muss. Der Klimastreik muss zum aufsässigen Widersacher der Schweizer Politik und hiesiger Unternehmen werden: Er muss so unbequem sein, dass keine Entscheidung mehr ohne Angst vor seinem Protest getroffen wird.

Vernetzen wir uns mit den Gewerkschaften und anderen sozialen Bewegungen, schliessen wir uns zu lokalen Klimagruppen zusammen, bilden wir uns, beschäftigen wir uns mit wirtschaftlichen Zusammenhängen, diskutieren wir. Lernen wir aus den Fehlern und Erfolgen der Umweltbewegung der 70er und 80er – die haben auch schon versucht, die internationale Staatenwelt auf die Gefahr des Klimawandels aufmerksam zu machen.

Der Planet ist nicht genug

Es reicht allerdings nicht, den Klimawandel auf ein erträgliches Mass zu begrenzen – die Last des notwendigen gesellschaftlichen Umbaus muss gerecht verteilt werden und das Ergebnis muss eine Welt sein, in der alle Menschen ein gutes Leben führen können. Wir müssen aufhören, das zu produzieren, was sich mit Gewinn verkaufen lässt, und anfangen, unsere Produktion in einem demokratischen Prozess nachhaltig und an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen orientiert zu planen. Dadurch lässt sich nicht nur unser Ressourcenverbrauch und die Produktion von unnützem Schrott verringern, wir gewinnen dadurch auch viel Zeit, die im Moment mit nicht notwendiger Arbeit verbracht wird und die wir dann für kreatives Denken und soziale Beziehungen – Kooperation, Spiel, Liebe, Pflege – verwenden können. Kurz zusammengefasst lautet unsere ökosozialistische Perspektive: Weniger und anders produzieren, gerecht teilen, gemeinsam entscheiden, um besser zu leben! Wir laden alle Menschen herzlich dazu ein, mit uns nach Wegen zu suchen, diese revolutionäre Perspektive zu verwirklichen.

Dieser Text wurde als Flyer an den Klimastreiks am 4. September 2020 verteilt.

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