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Wider den Katastrophen-Kapitalismus

Die neoliberale kapitalistische Ordnung steckt in einer langanhaltenden und umfassenden sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Krise. Kaum ist eine Notlage halbwegs überwunden, kommt die nächste Gefahr auf die Menschen und die Umwelt zu. Und dies alles vor dem Hintergrund der für alle spürbaren Klimakatastrophe. Ein Ende dieser katastrophalen Entwicklungen ist nicht absehbar, da die Regierenden auch keine Anstalten machen, den systemischen Ursachen der zusammenhängenden Krisen auf den Grund zu gehen. Nur die bewusste, selbstorganisierte Intervention der Lohnabhängigen vermag dieser Spirale ein Ende zu bereiten.

von BFS/MPS

Für eine linke Bewegung für höhere Löhne, besseren Umweltschutz und gesellschaftliche Aneignung des Energiesektors

Wir erleben zurzeit eine Zuspitzung der Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft. Der Sommer 2022 führte uns drastisch vor Augen: Die Klimakatastrophe ist Realität. Zusätzlich zur Klimakrise, Pandemie und dem russischen Besatzungskrieg gegen Ukraine wird Europa in diesem Winter eine weitere Krise erleben: Aufgrund der steigenden Energiepreise und der hohen Inflation wird sich die Armut in Europa massiv verschärfen. Die Preissteigerungen fressen auch in der Schweiz den Lohnabhängigen ihre Kaufkraft weg. Gerade für ärmere Lohnabhängige und Armutsbetroffene ist dies zu einer existenziellen Bedrohung geworden. Die ökosozialistische Linke steht vor der Herausforderung, den Krieg gegen die Ukraine, die Klimakatastrophe, die Energiekrise und die massiven Preissteigerungen zusammenzudenken und solidarische Antworten auf diese komplexe Gemengelage zu entwickeln.

Löhne

Vom Teuerungsausgleich zur gleitenden Lohnskala!

Von Dezember 2020 bis Juli 2022 erreichte die Inflation in der Schweiz einen Wert von 4,5%. Inflation bedeutet für die Lohnabhängigen und die Rentenbezüger:innen eine starke Verschlechterung ihrer Kaufkraft und ihres Lebensstandards. Zur Veranschaulichung: Im Jahr 2020 betrug der Bruttomonatslohn (Medianwert) in der Schweiz 6’665 Franken. Von Dezember 2020 bis Juli 2022 hat die Teuerung den direkten Verdienst von Lohabhängigen mit einem solchen Bruttomontaslohn kummuliert um 2’365 Franken verringert. Sollte die Inflation bis Ende 2022 auf dem aktuellen Niveau von 4,5% bleiben, würde sich der Verlust insgesamt auf 3’864 Franken belaufen. Innert zwei Jahren sind also einer arbeitenden Person mit Medianeinkommen 4000 Franken verloren gegangen – beziehungsweise umverteilt worden: Denn die Hauptursache für die aktuelle Inflation ist der gesteigerte Gewinnanspruch der Konzerne (vor allem aus dem fossilen Sektor).

Die Verteidigung der Kaufkraft gegen die Auswirkungen der Inflation gehört zu den seltenen gewerkschaftlichen Fragen, die die Gesamtheit der Lohnabhängigen betrifft. Allerdings haben die Schweizer Gewerkschaften in diesem Jahr nur eine durchschnittliche Lohnerhöhung von 0.8 % durchgesetzt, wie jüngste Berechnungen des Bundesamtes für Statistik zeigen. Bei einer allgemeinen Inflation von mindestens 2.2 % kommt das einer Reallohnsenkung gleich.

Mittels einer „gleitenden Lohnskala“ wäre es möglich, unsere Löhne rückwirkend, kontinuierlich und damit vollständig an die Teuerung anzupassen (differenziert nach Lohnniveau). Das gilt selbstverständlich auch für die Renten. Dafür gilt es eine breite Mobilisierung der Lohnabhängigen aufzubauen, denn freiwillig erhöhen die Unternehmen unsere Löhne nicht.

Unser Lohn besteht allerdings nicht nur aus dem Geldbetrag, der den einzelnen Arbeitenden monatlich aufs Konto überwiesen wird. Hinzu kommen indirekte Lohnanteile (Sozialversicherungen: AHV, ALV etc.) sowie der „Soziallohn“ (öffentliche Leistungen: Sozialhilfe, Kinderbeiträge, Krankenkassen-, und Kitasubventionen usw.). Auch diese Lohnbestandteile gilt es an die Teuerung anzupassen, respektive auszubauen. Gerade aus feministischer Sicht ist dieser Aspekt zentral, da hierdurch ein gewisser finanzieller Ausgleich für unbezahlte Sorgearbeit erfolgen kann.

-> Löhne, Renten und der Soziallohn müssen besonders bei Geringverdienenden automatisch, rückwirkend und umfassend der Teuerung angepasst werden. Eine kostengünstige und hochwertige gesellschaftliche Infrastrukturim Bereich der Bildung, des Verkehrs oder der Gesundheit muss ausgebaut werden, damit der Zugang zu Grundbedürfnissen nicht mehr durch das Einkommen begrenzt wird. Alle haben ein Recht auf Mobilität, gute Bildung und Gesundheitsversorgung!

Umwelt

Klimakrise sozial bekämpfen statt desaströs befeuern!

Die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Konsumniveaus und des damit verbundenen Energie- und Materialverbrauchs sowie des CO2-Ausstosses ist aufgrund der Klimakatastrophe nicht haltbar. Wir sollten die Energiekrise und die Stromspardiskussionen zum Anlass nehmen, um Vorschläge in die Debatte einzubringen, wie wir den Energiehunger des fossilen Kapitalismus zähmen und die Gesellschaft sozial und ökologisch umbauen können.

Eine Überbrückung der Energieknappheit mittels einer Ausweitung der Stromproduktion mit fossilen Energieträgern, wie es der Schweizer Bundesrat aktuell vorantreibt, ist nicht nur aus ökologischen Gründen der falsche Weg. Denn die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern verursacht nicht nur die Klimakatastrophe, sondern ist ebenfalls eine Ursache für die Teuerung und zementiert die Finanzierung von autoritären Regimes, die von der Extraktion dieser Rohstoffe leben (Russland, Iran, Saudi-Arabien, Katar etc.).

Die Entfossilisierung der europäischen Gesellschaften ist also nicht nur aufgrund der Erderwärmung dringend, sondern schadet auch direkt Putins Kriegstreiberei und anderen menschen- und klimafeindlichen Regimes. Der Kampf gegen den fossilen Kapitalismus steckt in allen gegenwärtigen Kämpfen mit drin.

→ Es braucht einen demokratisch kontrollierten Um- und Rückbau der gesamten fossil-kapitalistischen Wirtschaft. Dieser umfasst den Verkehrs-, Gebäude-, Landwirtschafts- und Industriesektor. Dafür bezahlen müssen die Reichsten und die grossen Unternehmen, die mit ihrem Konsum und ihren wirtschaftlichen Aktivitäten die Umweltzerstörung hauptsächlich verantworten. So gilt es zum Beispiel den öffentlichen Verkehr auszubauen, die Gebäude auf Kosten der Immobilienbesitzenden zu renovieren oder den umweltzerstörerischen Machenschaften von Schweizer Finanzinstituten ein Ende zu bereiten, indem sie unter öffentliche Kontrolle gestellt werden.

Energie

Für eine breite Bewegung zur gesellschaftlichen Aneignung des Energiesektors!

Die Antwort der Schweizer Regierung auf die Energiekrise richtet sich darauf aus, die Profite und die Wettbewerbsfähigkeit des Kapitals zu schützen und die Kosten auf die Bevölkerung abzuwälzen. Das Beispiel des grössten Schweizer Energiekonzerns Axpo zeigt, dass die privaten Unternehmen ihre Profite über die Versorgungssicherheit stellen. Axpo profitierte vom liberalisierten europäischen Strommarkt, hat als grosser Player im Energiehandel mitgemischt, bis es sich aufgrund der Verknappung des russischen Gases und der steigenden Energie- und Strompreise verspekuliert hat. Die Politik der Regierung und der Unternehmen führen uns weiter in Richtung Abgrund. Wir müssen auf unsere eigenen Ideen setzen.

Eine Forderung, die eine solidarische Antwort auf die sich überlappenden Krisen darstellt und eine Brücke zwischen sozialen und ökologischen Anliegen macht, ist die gesellschaftliche Aneignung des Energiesektors. Es ist angebracht, die Energieversorgung als Teil der gesellschaftlichen Grundversorgung zu denken, dem Markt zu entziehen, in öffentliches Eigentum zu überführen und unter die Kontrolle der im Sektor Beschäftigten und der Nutzer:innen zu stellen. Der Aufbau einer Bewegung für die Vergesellschaftung des Energiesektors könnte zudem ein Anfang sein, um einen generellen Ausbau der kostenlosen und demokratisch verwalteten gesellschaftlichen Infrastruktur (Bildung, Gesundheit, Pflege, Betreuung, öffentlicher Verkehr usw.) zu fordern, was wiederum die sinnvollste Antwort auf die Verarmungstendenzen in Europa, und andererseits eine Notwendigkeit zur gerechten Verteilung der sozialen Reproduktionsarbeit ist.

Das individualistische Konsumglück könnte so durch eine Vision des guten Lebens für alle ersetzt werden – und zwar nicht trotz, sondern wegen des Um- und Rückbaus der fossilen kapitalistischen Produktion und der Veränderung unseres Konsumverhaltens. Diese Vision kommt allerdings sofort in Widerspruch mit den kapitalistischen Besitzverhältnissen, die es deswegen strategisch ins Visier zu nehmen gilt. Dass die Macht- und die Eigentumsfrage ins Zentrum von linken Interventionen gestellt werden sollte, ist nicht neu, ist oftmals abstrakt und schwer vermittelbar. Es nicht zu tun, hiesse allerdings, die Ursachen der aktuellen Krisen zu verkennen.

Gesellschaftlichen Aneignung des Energiesektors: Wir benötigen eine wirkliche und effiziente Kontrolle über die öffentlichen Energiekonzerne, die Ausarbeitung eines Plans des öffentlichen ökologischen Umbaus derselben, einen Bruch mit dem liberalisierten Strommarkt Europas, sowie eine bedürfnis- und nicht wachstumsorientierte Logik im europäischen Stromsystem.

Die Vergesellschaftung des Energiesektors ermöglicht es zudem, eine niedrigpreisige Basisversorgung mit Strom und Wärmeenergie für alle sicherzustellen. Vermögende, die über diesen Grundbedarf hinaus Strom und Gas verbrauchen, müssen progressiv steigende Energietarife begleichen. Die Energiegrundsicherung ist durch eine Steuer, die überdurchschnittliche Gewinne der Energiekonzerne abschöpft, zu finanzieren.

Diese konkreten Forderungen sind wichtig für einen ökosozialistische Umbau der Wirtschaft. Sie sollen dem Aufbau einer revolutionären Organisation dienen, die die Durchschlagskraft besitzt, die bestehenden Verhältnisse umzukrempeln. Denn von alleine werden diese Massnahmen nicht umgesetzt. Nur durch eine breite Mobilisierung und die Selbstorganisierung von Lohnabhängigen werden die Bedingungen für eine solche Vision geschaffen.

Flyer zum Download

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