In München soll eine Stadtautobahn gebaut werden, die das BMW-Werk besser erschliesst. Wir haben ein Interview geführt mit Philipp Duschinger, er ist aktiv beim Antikapitalistischen Klimatreffen München. Mit ihm haben wir über seine Erfahrungen im Kampf gegen das Autobahnprojekt gesprochen. Er ist im Quartier Hasenbergl, wo der Tunnel entstehen soll, aufgewachsen und ist Pressesprecher der Kampagne Hasenbergl verteidigen.
Interview mit Philipp Duschinger (Antikapitalistisches Klimatreffen München) von Ben Huber (BFS Basel); aus antikap
Ben: Ihr habt 2022 angefangen, euch gegen einen geplanten Autobahnbau zu organisieren. Kannst du kurz erklären, worum es geht?
Philipp Duschinger: In München soll ein Autobahnanschluss mit Tunnel durch das Hasenbergl gebaut werden. Das geschieht auf Druck von BMW. Der Konzern hätte gerne einen direkten Anschluss an sein Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ). Darüber hinaus geht es vermeintlich darum, eine Haupt strasse zu entlasten. Politisch wurde das Projekt im Koalitionsvertrag zwischen der SPD und den Grünen in München ursprünglich auf Eis gelegt. Und dann wurde es doch wieder ausgegraben. Hierbei würden zahlreiche Spielplätze und einer der letzten Grünflächen im Stadtviertel weichen müssen. Zusätzlich würde sich abgesehen von jahrelangem Baulärm und einer Belastung direkt angrenzender Naturschutzgebiete das Verkehrsaufkommen im Hasenbergl um 80% steigern. Von der neuen Anbindung in die Stadt hinein würden aber die Anwohner:innen nicht einmal profitieren, da die meisten gar kein Auto besitzen
Das tönt ähnlich wie in Basel. Auch hier gehen mit dem geplanten Autobahnausbau Grünflächen und Kleingärten verloren. Eine weitere Parallele sehe ich in den Klimazielen. München hat, wie Basel auch, ein Netto Null Ziel bis Mitte 2030. Inwiefern habt ihr damit in eurer Kampagne argumentiert?
Wir haben die Klimaziele der Stadt genutzt, um aufzuzeigen, dass der Stadtrat seine eigenen Versprechen bricht und sich weniger um die Münchner:innen oder die Umwelt schert als um die Interessen der Kapitalist:innen wie Susanne Klatten und Stephan Quandt. Hierbei war uns aber wichtig zu betonen, dass im Kapitalismus der Staat sich zwangsläufig an die Seite der Konzerne stellen muss für seine eigene wirtschaftliche Stellung in der Welt. Soziale Gerechtigkeit und echter Klimaschutz in einem System mit Wettbewerb und Wachstumszwang, wo fortwährend nach einer Möglichkeit gesucht wird, die Produktionskosten zu senken und die Profite zu erhöhen, sind nicht möglich.
Wie habt ihr euch (damals) organisiert, mit wem habt ihr zusammengearbeitet?
Wir haben ein Bündnis zusammen mit dem Antikapitalistischen Klappradkollektiv gegründet und begonnen, die Anwohner:innen über das Vorhaben zu informieren. Wir haben auch Infostände, Kundgebungen und Demos organisiert und uns mit anderen Organisationen und NGOs ausgetauscht (Greenpeace und Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland [BUND] zum Beispiel). Allerdings haben wir uns nicht aktiv als breites Bündnis aufgestellt, aus der Befürchtung heraus, dass unsere Positionen durch bürgerliche Gruppen verwaschen werden könnten. Für einige stellt bereits das «antikapitalistisch» im Namen ein Problem dar.
Habt ihr es geschafft mit den Anwohner:innen in Kontakt zu kommen? Gab es eine gemeinsame Organisierung und eine breitere Mobilisierung?
2022 haben wir im Quartier geflyert und Haustürgespräche geführt. Dadurch sind wir schon in Kontakt mit den Anwohner:innen gekommen. Die Leute waren grösstenteils überrascht und ziemlich wütend, da der Tunnel ja eigentlich mit dem Koalitionsvertrag vom Tisch war und sie niemand nach ihrer Meinung gefragt hat. Ich kann mich an niemanden erinnern, der sich in den Gesprächen im Quartier für den BMW-Tunnel ausgesprochen hat. Naja, bis auf zwei Menschen im Supermarkt, die von auswärts kamen und sich über eine schnellere Anfahrt freuten. Wir haben nach unserer ersten Demon stration entlang der geplanten Trasse auch eine Chatgruppe erstellt für interessierte Anwohner:innen. Einige haben unsere Flyer in ihren Bekanntenkreisen verteilt und für unsere Aktionen mobilisiert. Wirklich zusammen Demonstrationen zu organisieren oder die Kampagne zu entwickeln, haben wir aber leider nicht geschafft. Die Einbindung von Stimmen aus der Gegend fand hauptsächlich durch Anwohner:innen statt, die bereits in einem unserer Kollektive aktiv waren.
Das Bauprojekt ist ja jetzt immer noch hängig. Gegenwärtig wird ein Gutachten zur Machbarkeit erstellt. Das ist ja typisch für so grosse Bauprojekte. Wie geht ihr mit diesem Problem der Verzögerung und Langfristigkeit in eurer Organisierung um?
Genau, gerade ist ein Planfeststellungsverfahren im Gange und im November 2023 wurden dafür weitere Gelder bewilligt. Ein Änderungsantrag der Opposition wurde abgelehnt.
Zur Zeit sind das Bündnis und die Kampagne inaktiv. Wir warten das Planfeststellungsverfahren ab, das ursprünglich im Sommer 2024 im Stadtrat vorgestellt werden sollte. Aktuell scheint es aber aufgrund von Verzögerungen eher unwahrscheinlich zu sein, dass wir dieses Jahr schon Ergebnisse präsentiert bekommen. Scheinbar fehlt dem Baureferat das Personal und es wurde eine Neubausiedlung vergessen zu berücksichtigen.
Sobald sich aber abzeichnet, dass es Neuigkeiten geben könnte, wird es unsererseits potenziell in die nächste Runde gehen. Vereinzelt greifen wir in anderen Aktionen des anti kapitalistischen Klimatreffens das Thema auf. Einmal wurden auch Updateflyer verteilt, mit denen wir den Hasenbergler:innen zeigen wollten, dass wir sie nicht vergessen haben.
Was war die Stärke eurer Kampagne? Gibt es Lehren, von denen wir für unsere Mobilisierung in Basel profitieren können?
Ich würde sagen, der grösste Erfolg war für uns, dass wir es geschafft haben, das Bauvorhaben als BMW-Tunnel zu branden. Wir haben auch eine sehr grosse Öffentlichkeit für dieses Thema erreicht. Der Stadtrat wollte das ganze Projekt still und heimlich durchbringen ohne mit den Menschen vor Ort zu sprechen. Da haben wir der Politik einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das hat auch provoziert. Dieter Reiter, Münchner Oberbürgermeister von der SPD, hat die Kampagne sogar am 1.Mai verbal angegriffen, so sehr haben wir ihn verärgert.
Leider haben wir es aber bis auf eine Hand voll Leute nicht so richtig geschafft, die Anwohner:innen im Hasenbergl in unsere Arbeit einzubinden. Wie man vor allem unpolitische Menschen dafür begeistern kann, sich aktiv einzubringen, Reden zu schreiben oder Demos mit zu organisieren, ist auf jeden Fall eine Frage, die sich lohnt zu stellen bei weiteren Aktionen dieser Art.
Einen ganz konkreten Tipp hätte ich noch: Als vorteilhaft für die Pressearbeit hat sich erwiesen, Anwohner:innen oder Personen, die sich dem betroffenen Ort verbunden fühlen als Pressesprecher:innen einzusetzen. Die Kampagne gewinnt an Glaubwürdigkeit, die Menschen vor Ort fühlen sich nicht bevormundet und die Presse schreibt auch gerne über lokale Personen, die sich gegen so ein Bauvorhaben aussprechen.