Der «Rheintunnel» ist das grösste der sechs Autobahn-Projekte, über das die Schweizer Stimmbevölkerung am 24. November 2024 abstimmt. Geplant ist, die A2-Autobahn rund um Basel zwischen 2029-2040 massiv auszubauen. Dagegen kämpft die Basis-Kampagne «Jetzt wenden!», die Personen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung und aus den Quartieren Basels vernetzt. «Jetzt wenden!» kämpft dabei nicht nur gegen den Rheintunnel, sondern auch ganz allgemein für ein lebenswertes Basel. Doch was genau wünschen sich die Menschen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung und aus den Quartieren statt des Rheintunnels? Für welche Alternativen zur fossilen Mobilität kämpfen sie? Ein Workshop am «No Borders Klimacamp» im August 2024 in Basel ging diesen Fragen nach und skizzierte Visionen und Forderungen für ein Basel ohne Rheintunnel. (Red.)
von der Kampagne «Jetzt wenden!», aus jetztwenden.ch
Mitten in der Klimakrise eine fossile Infrastruktur, wie eine Autobahn, aus- statt rückzubauen, ist kriminell. Schon das Bauen des Rheintunnels – also schon bevor ein einziges Auto durch den Tunnel rollt – verschlimmert die Lage der Lohnabhängigen in Basel. So soll die Dreirosenmatte, die einzige Grünfläche im Basler Matthäus-Quartier, für rund 10 Jahre in eine Baustelle verwandelt werden. Und in Birsfelden müssen über 150 Familiengärten dem Monsterprojekt weichen.

Die Basis-Kampagne «Jetzt wenden!» organisiert seit einem halben Jahr Haustürgespräche mit Anwohner:innen und führt Kennenlerntreffen und Veranstaltungen durch, um widerständige Strukturen im Quartier aufzubauen. Ein Element dieser Arbeit bestand in der Durchführung eines Workshop am «No Borders Klimacamp» im August 2024 mit Klimaaktivist:innen und weiteren Bewohner:innen aus den Quartieren Basels. Auch Aktivist:innen der Bewegung für den Sozialismus (BFS) haben am Workshop teilgenommen. Dabei wurde uns rasch klar, dass wir ein «Basel für alle» wollen – also eine Stadt, in der alle gut und gerne leben können, unabhängig von Aufenthaltsstatus, Einkommen und sozialem Hintergrund. Auf diese Weise haben wir wichtige Visionen und Forderungen formuliert. Sie lassen sich in vier Kategorien unterteilen: Mobilität, Wohnen, Recht auf Stadt und globale Klimagerechtigkeit. Wir publizieren die Visionen in dieser Rheinfolge.
Mobilität
- Kostenloser öffentlicher Verkehr für alle
- Bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne für die Arbeiter:innen des öffentlichen Verkehrs
- schrittweise Vergesellschaftung der beiden Basler Verkehrsunternehmen BVB und BLT durch Bildung von Betriebsräten und Fahrgastvertretungen, die Betrieb, Ausbau und Unterhalt demokratisch regeln
- Basel autofrei: bis auf wenige Hauptstrassen mit Tempo 30 sollen alle Strassen autofrei werden (Ausnahmebewilligungen erhalten: Handwerker:innen, Lieferant:innen, Taxis, Ambulanz, Feuerwehr, Menschen mit eingeschränkter Mobilität, Transport grösserer Dinge)
- Stadt der kurzen Wege: Zugang und Erreichbarkeit zu gesellschaftlichen Infrastrukturen des Alltags mit ÖV und zu Fuss, die in ihrer Planung und Umsetzung die unterschiedliche Mobilität von Menschen berücksichtigt (Geh- und Mobilitätsbehinderung, etc.)
- Ausrichtung der Mobilitätsangebote an den Orten und den Tagesabläufen von Menschen, die Care-Arbeit leisten
- Geschlechtsspezifische Sicherheitsmassnahmen im öffentlichen Verkehr: Gut beleuchtete Wartebereiche, häufigere Verbindungen auch in den Abend- und Nachtstunden, sowie spezielle Schulungen für das Personal zur Erkennung und Reaktion auf Belästigungen und Übergriffe
- Ökologischer Betrieb von Tram und Bus: bestehende Flotte renovieren statt Neuanschaffungen und Export abgewrackter Fahrzeuge; Betrieb nur mit Öko-Strom ohne Bio-Diesel oder E-Fuels; sparsamer Einsatz von Air Conditioning
Wohnen
- Enteignung von Immobilienbesitzer:innen mit mehr als 5 Mietobjekten. Übergang der Mietobjekte in selbstverwaltete und demokratisch organisierte Genossenschaften, um Wohnen zur Kostenmiete zu ermöglichen (Beispiel: Mietshäusersynidkat Freiburg)
- Abrissverbot von Häusern: Abrisse nur in klar definierten Fällen, z.B. bei Einsturzgefahr oder gesundheitlichen Risiken (z.B. Asbest)
- Pflicht zu sanften Sanierungen statt Rauswürfen bei Totalsanierungen
- Staatlich umgesetzte Rekrutierungswelle, höhere Löhne sowie bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen für Handwerker:innen, Solarinstallateur:innen, etc., um die vielen Isolierungs- und Renovierungsarbeiten zu bewerkstelligen
- Begegnungsräume statt Parkplätze: Flächen entsiegeln, Begrünung, Sitzbänke, etc. auf Grundlage der demokratischen Entscheide der Nachbar:innenschaft
- Grosser Ausbau der Solarenergie auf allen Dächern
- Weg von Beton als meist verwendetes Baumaterial
- Wohnraum für alle als Priorität, unabhängig von Aufenthaltsstatus und Geld
- Wohn- und Obdachlosigkeit bekämpfen, Notschlafstellen schaffen
Stadt für alle
- Einführung Basel City Card: bedingungsloser Stadtausweis für alle Bewohner:innen Basels
- aufsuchende Sozialarbeit ohne Wegweisungsbefugnisse statt polizeilicher Repression
- Priorisierung von Sorge-Arbeit durch den Ausbau und der Schaffung zentral gelegener Einrichtungen und Institutionen, die für alle zugänglich sind; dazu gehören nebst Bildungs-, Pflege- und Gesundheitseinrichtungen nicht-kommerzielle Begegnungs- und Unterstützungsräume wie Jugendzentren, Kinderbetreuung, Spielplätze, Parkanlagen, Quartiertreffpunkte, Drogenabgabestellen, Konsumräume, etc.
- Menschenwürdige Umgang mit Geflüchteten, der den Zugang zu alltäglichen Vorsorgeeinrichtungen, öffentlicher Infrastruktur sowie sozialer und kultureller Teilhabe sicherstellt
- Erhalt und Schaffung von grünen Flächen/Naherholungsgebieten statt Pflästerlipolitik mit einzelnen Pflanzentöpfen
- Küfas (= Küche für alle) und Quartierküchen um Care Arbeit stärker kollektiv zu tragen und dadurch Altersarmut, geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und häusliche Gewalt, etc. vorzubeugen.
- Vereine wiederbeleben
- Gesundheits- und Sportanlagen öffentlich und staatlich subventionieren
- Kulturräume (billig, zugänglich, sicher) für verschiedene Communities schaffen, um kulturellen Austausch zu stärken
- Infrastrukturen und Räume schaffen, die mehr als jetzt soziale Begegnungen fördern und fordern und die Selbstorganisation der Bewohner:innen ermöglichen
Globale Klimagerechtigkeit
- Schaffung eines Fonds mit Mitteln aus erhöhten Vermögens- und Unternehmensgewinnsteuern, um Reparationen an Orte zu zahlen, an denen Basler Familien, Politiker:innen, Unternehmen und Kirchen (post-)kolonial tätig waren und sind
- Ausarbeitung eines Plans, um bis 2100 die historischen Treibhausgas-Emissionen Basels seit 1750 auszugleichen
- Drastische Reduktion des Imports klimaschädlicher Produkte und Baumaterialien wie Zement, Gold, Öl, etc.
- Lebensmittelproduktion so lokal wie möglich gestalten, unterstützt durch ein bedingungsloses Grundeinkommen für Bäuer:innen
- Lokale Klimagerechtigkeitsfinanzierung durch Umverteilungsmassnahmen wie Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, etc.
Du vermisst eine Vision oder eine Forderung? Reiche sie über das Formular auf www.jetztwenden.ch nach!