Die Bewegung für den Sozialismus/Mouvement pour le Socialisme/Movimento per il Socialismo (BFS/MPS) ist eine schweizweit aktive ökosozialistische und feministische Organisation. Wir beteiligen uns an sozialen Bewegungen und fördern dabei die Selbstorganisation der Ausgebeuteten und Unterdrückten mit dem Ziel unserer Selbstemanzipation zur Überwindung des Kapitalismus. Der Aufbau einer revolutionären Organisation dient für uns diesem Zweck.
von BFS/ MPS
1. Das System, das wir kritisieren
Der Kapitalismus basiert auf dem Privateigentum an den grossen Produktions-, Handels- und Kreditmitteln. Dieses System erzeugt immer mehr soziale, wirtschaftliche und ökologische Krisen. Eine Stabilisierung des krisenhaften Zustandes des Kapitalismus ist nicht absehbar. Im Gegenteil müssen wir davon ausgehen, dass sich die Krisen multiplizieren und verschärfen werden. Die zunehmenden imperialistischen Spannungen, der Aufstieg von autoritären Regimen und die weltweiten massiven Aufrüstungskampagnen finden ihre Entsprechung in einer verstärkten Sozialabbaupolitik gegen innen. Dies trägt zur Spaltung und Vereinzelung der Lohnabhängigen bei und schafft den Nährboden für Nationalismus und den hetzerischen Kulturkampf der Rechten gegen die Errungenschaften der Frauenbewegung und queerfeministischen Bewegung.

Die Ursachen dieser Krisen, von Kriegen, neokolonialen Abhängigkeiten, Pandemien, ökologischem Raubbau, sozialen Verwerfungen und der Klimakrise sind mit der Funktionsweise der kapitalistischen Wirtschaft verbunden. Wegen der marktwirtschaftlichen Konkurrenz sucht das Kapital überall auf der Welt nach Möglichkeiten zur Profitakkumulation, indem es Arbeitskräfte und natürliche Ressourcen (über-)ausbeutet. Denn der gesamte Reichtum in kapitalistischen Gesellschaften beruht auf der Ausbeutung der Natur und der Arbeiter:innen. Damit die Arbeiter:innen Tag für Tag arbeiten können, müssen die Arbeiter:innen täglich reproduziert, also ernährt, umsorgt, erzogen und physisch und psychisch wiederhergestellt werden. Die Lasten dieser sozialen Reproduktionsarbeit werden in den patriarchalen Gesellschaften auf Menschen abgewälzt, die innerhalb der binären Geschlechterordnung als Frauen definiert sind. Damit wird deren Un- oder Unterbezahlung gerechtfertigt. Ohne die tägliche Wiederherstellung der Arbeitskraft und die Nutzung der natürlichen Ressourcen würde die kapitalistische Akkumulation nicht funktionieren.
Die hervorgebrachten Risse im „Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur“ (Marx) haben bislang unabsehbare gesellschaftliche Folgen. Allerdings sind Menschen in Ländern des Globalen Südens viel stärker davon betroffen als jene in den westlichen früheren industriellen Zentren. Denn die Entstehung des Kapitalismus ging mit patriarchaler Geschlechterordnung, moderner Sklaverei, kolonialer Unterwerfung, Nationalstaatenbildung, Rassismus und imperialistischer Politik einher. Und darauf baut der Kapitalismus weiterhin auf. Die bürgerliche Gesellschaftsformation und ihre Institutionen dienen dem Erhalt des kapitalistischen Systems. Wie der Kapitalismus sind sie historisch gewachsen – und können demnach auch überwunden werden.
Die aktuelle, neoliberale Variante des Kapitalismus verschärft die ungleiche Verteilung des Reichtums ins Extreme. Der Widerspruch zwischen der global organisierten gesellschaftlichen Produktions- und Distributionsweise und der privaten Aneignung der Profite vergrössert weltweite Ungleichheiten. Die Menschen stehen sich als zwei soziale Klassen gegenüber: die Klasse der Besitzenden des gesellschaftlichen Reichtums (das Bürgertum) und die Klasse der Besitzlosen, die den gesellschaftlichen Reichtum produzieren (die Arbeiter:innenklasse).
In der Klimakrise tritt dieser Klassenwiderspruch besonders krass zutage. Die kapitalistische Ausbeutung der Natur zerstört das Leben auf dem gesamten Planeten. Die Realität des kapitalistischen Akkumulationsprozesses lässt keine Zeit mehr für Reformen und Kompromisse, welche die Klimaerhitzung im besten Falle verlangsamen könnten. Die Klimakrise stellt deshalb einen politischen Scheideweg dar. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die das gegenwärtige System verteidigen, obwohl die Logik dieses Systems nicht nur mit der Erhaltung des Klimas und der biologischen Vielfalt, sondern auch mit der Befriedigung der sozialen Grundbedürfnisse der Menschen unvereinbar ist. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die wie wir für einen grundlegenden System Change eintreten. Aus den heutigen Kämpfen um konkrete wirtschaftliche und soziale Fragen werden politische Bewegungen, die nach einem Gesellschaftsprojekt rufen, das sich radikal von dem gegenwärtigen unterscheidet. Diese weltweiten politischen Bewegungen sind die treibende Kraft für eine lebenswerte Zukunft, weil sie sich an der Perspektive einer anderen, ökosozialistischen Gesellschaft orientieren, die mit dem umweltschädlichen und lebensbedrohlichen kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell bricht. Dies setzt ein antikapitalistisches politisches Projekt voraus. Und ein solches aufzubauen, ist das Ziel, das die Bewegung für den Sozialismus (BFS/MPS) verfolgt.
2. Das Ziel, das wir anstreben
Gesellschaftliche Alternativen lassen sich nicht abstrakt entwerfen. Genauso wie die bürgerlich-kapitalistische wird auch die ökosozialistische Gesellschaft zwangsläufig erst durch die Auseinandersetzung zwischen den sozialen Klassen, im Klassenkampf also, erkennbar werden. Emanzipatorische Visionen sind allerdings wichtig als Orientierungspunkte für soziale Bewegungen und Organisationen. Es ist eine grosse Hürde für die heutige Linke, dass Visionen des guten Lebens für alle in der Gesellschaft nahezu nicht vorhanden sind. Für viele Menschen scheint das Ende der Welt eher vorstellbar als das Ende des Kapitalismus. Es ist deshalb unsere Aufgabe, eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung vorstellbar zu machen und den Weg dahin zu entwickeln.
Die Vergesellschaftung der zentralen Produktions- und Reproduktionssphären, die damit verbundene Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln sowie der Um- und Rückbau umweltschädlicher Industrien sind die Voraussetzungen für eine sozial-ökologische basisdemokratische Planung der Wirtschaft. Damit wollen wir unser Ziel eines nachhaltigen Umgangs mit den natürlichen und menschlichen Ressourcen und der Überwindung der patriarchalen Geschlechterverhältnisse erreichen. Wir streben eine Gesellschaft an, in der der Zweck der wirtschaftlichen Produktion die Befriedigung der gesellschaftlichen Bedürfnisse und nicht der Profit ist. Wohlstand wird dann nicht monetär definiert sein, sondern durch mehr freie Zeit. Ein demokratischer Ökosozialismus bedeutet für uns eine Welt, in der die freie Entfaltung der Einzelnen die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.
Im Ökosozialismus sehen wir das Potential, das verbindende Element zwischen emanzipatorischen Bewegungen und politischen Organisationen zu werden. Die Vielfalt der Bewegungen ist das Fundament und die Selbstorganisierung der Schlüssel dazu, dass der Ökosozialismus zu einer handlungsleitenden Perspektive für die Linke werden kann. Denn die Befreiung der Arbeiter:innenklasse kann nur das Werk der Ausgebeuteten und Unterdrückten selbst sein.
3. Das Erbe, das wir verteidigen
Wir sehen uns in der Tradition der Arbeiter:innenbewegung, der feministischen und ökologischen Bewegungen, aber auch der antikolonialen Befreiungskämpfe des 19. und 20. Jahrhunderts. Der Gründung der BFS/MPS im Jahr 2002 lag die Überzeugung zu Grunde, dass die Sozialdemokratie und kommunistisch-stalinistische Teile der Arbeiter:innenbewegung nicht nur versagt haben, sondern die Misere des kapitalistischen Systems auch mitverantworten. Sowohl die reformerische, heute neoliberale Sozialdemokratie als auch die sogenannten Realsozialismen haben die Vision eines demokratischen, auf individueller und kollektiver Freiheit gründenden Sozialismus diskreditiert. Die BFS/MPS will Teil einer neuen Linken sein, die diese Altlasten überwindet. Den Sozialismus für das 21. Jahrhundert neu zu denken und als politisches Projekt aufzubauen, ist unser Anspruch.

Vorläuferorganisationen der BFS/MPS waren in den 1970er und 1980er Jahren die Revolutionäre Marxistische Liga (RML) und die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP). Wie diese stützt sich die BFS/MPS auf die Grundsätze des revolutionären Marxismus. Wir lehnen autoritäre, bürokratische und repressive Konzeptionen von Sozialismus ab und verstehen uns als Anti-Stalinist:innen. Wir verteidigen eine demokratische, offene und pluralistische Diskussionskultur innerhalb unserer Organisation, die auch die Artikulation von verschiedenen Positionen zulässt. Darüber hinaus lehnen wir das Blockdenken ab, das zur Zeit des Kalten Krieges die Linke geprägt hat und heute mit dem Ukraine-Krieg eine beschämende Renaissance erlebt. Wir stellen uns auf den Standpunkt eines solidarischen Antiimperialismus, der sich an den Bedürfnissen der von Krieg und Ausbeutung betroffenen Arbeiter:innen orientiert und nicht an den Interessen irgendeiner imperialistischen Macht oder einer bürgerlichen Regierung. Wir unterstützen das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerungen und das Recht auf Selbstverteidigung gegen kriegerische Aggression.
Gegen den Klassenkampf von oben, die Angriffe der Unternehmer:innen, den neoliberalen Staatsumbau, den Aufstieg der Rechten und vor allen Dingen gegen die faschistische Gefahr befürworten wir eine breite Aktionseinheit aller Linken. Dieser Ansatz wurde traditionell als Einheitsfrontpolitik bezeichnet. Und das wohl wichtigste Erbe der revolutionär-marxistischen Bewegung, der ausgeprägte und praktische Internationalismus, prägt unser Selbstverständnis.
Obschon wir uns in der Tradition eines revolutionären, anti-autoritären und demokratischen Marxismus verorten, sind wir zugleich überzeugt, dass die von uns angestrebte Erneuerung eines antikapitalistischen Projekts nicht ohne theoretische Weiterentwicklung und praktische Neuerfindung stattfinden kann.
4. Die Strategie, die wir verfolgen
Der politische Horizont der BFS/MPS und ihr grundlegendes Ziel ist der Bruch mit dem Kapitalismus und der Aufbau einer emanzipierten, klassenlosen Gesellschaft. Wir sind revolutionär, wir kämpfen also für die Eroberung der Macht durch die Lohnabhängigen und alle anderen Menschen, die in diesem System auf unterschiedliche Weise unterdrückt und ausgebeutet werden.

Unsere strategische Hypothese ist, dass der Klassenkampf zwischen Arbeit und Kapital und die Kämpfe gegen Unterdrückung und Ausbeutung in ihren verschiedenen Formen – den Verlauf der Geschichte prägen und schliesslich der Hebel für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen sind. Der Klassenkampf ist also das Gravitationszentrum unserer politischen Aktion. Das bedeutet konkret, dass gesellschaftlicher Wandel immer von den Arbeiter:innen, den Ausgebeuteten und Unterdrückten in all ihrer Vielfalt in Gang gesetzt wird, die ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen. Keine Alternative zum kapitalistischen Regime kann entworfen und aufgebaut werden, ohne sich auf die Aktion und die – praktische und theoretische – Intelligenz derjenigen zu stützen, die arbeiten und den gesellschaftlichen Reichtum produzieren.
Die strategische Hypothese der BFS/MPS geht daher davon aus, dass jede revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft nicht ohne die Vervielfältigung und Verstärkung sozialer Kämpfe erfolgen kann. Denn diese Kämpfe tragen die Ansätze einer solidarischen Gesellschaft bereits in sich. Der Zweck unserer politischen Arbeit ist dabei die Förderung der Selbstorganisation der Unterdrückten und Ausgebeuteten sowie die Stimulierung und Radikalisierung ihrer Kämpfe auf Basis von nicht-reformistischen Übergangsforderungen. Solche Forderungen setzen bei den konkreten Bedürfnissen der Unterdrückten und Ausgebeuteten an, weisen aber über den Kapitalismus hinaus. Durch die Selbstaktivität und die Förderung von antikapitalistischen Perspektiven lässt sich das gesellschaftliche Kräfteverhältnis verändern, wodurch Schritt für Schritt eine Gegenmacht zur bürgerlichen Herrschaft aufgebaut werden kann.
Schliesslich müssen die Organisationen der Arbeiter:innen die Stärke erlangen, eine Doppelmacht parallel zur bürgerlichen Staatsmacht zu bilden. Mittels einer massenhaften Streikbewegung müssen wir uns befähigen, die Macht des Kapitals und des Bürgertums herauszufordern und die bürgerlichen Formen der politischen Verwaltung durch eine Arbeiter:innendemokratie zu ersetzen. Die Zerschlagung des bürgerlichen Staates ist die Voraussetzung für den Bruch mit dem Kapitalismus, das heisst für die Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums und den Aufbau einer tatsächlich demokratischen, sozialistischen und nachhaltigen gesellschaftlichen Ordnung.

Wir sind uns bewusst, dass die Lohnabhängigen heute in der Schweiz weit von Selbstorganisierung, antikapitalistischen Perspektiven und erst recht einer Arbeiter:innendemokratie entfernt sind. Wir sind uns ebenfalls bewusst, dass unklar ist, wie diese Situation geändert werden kann. Die Komplexität der wirtschaftlichen und politischen Situation, der unausgeprägte Stand der kollektiven Organisation und des politischen Bewusstseins der Lohnabhängigen sowie die andauernden Angriffe der Unternehmer:innen und rechten Parteien machen diese strategische Aufgabe umso schwieriger. Trotzdem ist es aus unserer Sicht notwendig, für den Ökosozialismus einzustehen. Im Rahmen unserer politischen Tätigkeit sind wir bestrebt, Initiativen zu ergreifen, die es uns Lohnabhängigen erlauben, unsere aktuellen Interessen zu verteidigen sowie uns auf den Weg zur Umsetzung einer ökosozialistischen Alternative zu machen.
5. Die Organisation, die wir aufbauen
Um die oben entwickelte Strategie umzusetzen und den Bruch mit dem Kapitalismus zu erreichen, bedarf es eines politischen Instruments. Für uns bedeutet das eine revolutionäre Organisation. In diesem Sinne handelt die BFS/MPS als Organisation in Bereichen, die ihrem antikapitalistischen Horizont und ihrer strategischen Hypothese entsprechen. Selbstverständlich hängen die Rolle und das Handeln einer antikapitalistischen Organisation aber auch von der historischen Entwicklung der Kräfteverhältnisse, dem allgemeinen Klassenbewusstsein und anderen Faktoren ab.
Das grösste Hindernis für den Aufbau einer revolutionären Organisation in der Schweiz ist die weltweit einzigartige politische und wirtschaftliche Stabilität der hiesigen bürgerlichen Herrschaft. Diese Stabilität basiert auf einem ausgeprägten Föderalismus, dem Konkordanzsystem und der integrativ wirkenden, halbdirekten parlamentarischen Demokratie. Die Kombination erweist sich zusammen mit der Niedrigsteuerpolitik, dem schwach reglementierten Finanz- und Rohstoffhandelsplatz, der guten und von der öffentlichen Hand bezahlten Infrastruktur, der Nähe zwischen privaten Unternehmen und staatlichen Forschungseinrichtungen, der ausgeprägten Sozialpartnerschaft sowie den ungenügend geregelten kollektiven Arbeitsbedingungen (lange Arbeitszeiten, nicht existenter Kündigungsschutz etc.) als Wettbewerbsvorteil für das imperialistische Schweizer Kapital. Die stabilen Verhältnisse fördern zudem die Ansiedlung multinationaler Konzerne, machen die Schweiz so zu einem reichen Land und einem wichtigen Faktor der imperialistisch-kapitalistischen Weltordnung.
Aufgrund der relativen materiellen Privilegien ist ein Grossteil der Lohnabhängigen in der Schweiz weniger geneigt, in Aktion zu treten – auch wenn ihre Arbeitskraft hier ebenso oder sogar noch effizienter ausgebeutet wird als anderswo. Die spezifischen sozio-politischen Verhältnisse in der Schweiz und ihre Verortung im internationalen Kontext zu kennen, ist eine Voraussetzung, um angemessene politische Antworten und Aktivitäten zu entwickeln. Nachdenken, um zu handeln; handeln, um nachzudenken ist unsere revolutionäre Guideline.
Um das politische Instrument für unsere Strategie zu schaffen, also eine revolutionäre Organisation, setzt sich die BFS/MPS im aktuellen und mittelfristigen Kontext das Ziel, ihren schweizweiten Aufbau mit engen Verbindungen auf internationaler Ebene zu stärken, indem sie die bereits bestehenden Sektionen konsolidiert und ausbaut, die Entstehung neuer Sektionen fördert oder neue antikapitalistische Kollektive unterstützt, mit der Perspektive einer unmittelbaren Zusammenarbeit mit dem nationalen Projekt der BFS/MPS. Um dies zu erreichen, konzentriert sich die Arbeit der BFS/MPS auf folgende Aktionsfelder:

Antikapitalistische Übergangsforderungen propagieren
Die BFS/MPS entfaltet eine breite antikapitalistische Propaganda. Eine solche Propagandatätigkeit wird durch die Produktion von politischem Material (Webseiten, Flugblätter, Analysen usw.), aber vor allem durch Aktivist:innen umgesetzt, die in sozialen Bewegungen eine aktive Rolle spielen. Dafür werden alle Kanäle und Gelegenheiten genutzt. In diesem Sinne bekräftigen wir zwar unsere Weigerung, die institutionell-parlamentarische Arbeit als vorrangigen Interventionsbereich zu betrachten. Dennoch können die Instrumente der bürgerlichen Demokratie nützliche Räume für unsere Propagandaarbeit bieten (Beteiligung an der Legislative, Nutzung von Referenden oder lokalen Volksinitiativen). Für uns kann eine parlamentarische Aktivität nur in Form einer Tribüne konzipiert sein, um unsere Propagandarbeit zu verstärken. Ebenso wird ein Referendum nur als Instrument für eine aktive Kampagne zu Themen genutzt, die für die Lohnabhängigen von Interesse sind, sowie um Kontakte zu knüpfen und neue Aktivist:innen in unsere Organisation zu integrieren. Die Gleichsetzung von parlamentarischer Intervention und reformistischem Verrat, wie sie von vielen ausserparlamentarischen Linken gemacht wird, halten wir hingegen für wenig hilfreich bei der Entwicklung einer antikapitalistischen Gegenmacht.
Die Selbstorganisierung und kollektive Mobilisierung stimulieren
Wir arbeiten aktiv in sozialen Bewegungen und Kämpfen mit (Gewerkschaften, Klima- und feministischenBewegungen, Basiskollektiven usw.), sind bereit zu lernen, machen Vorschläge und vermeiden es gleichzeitig, andere Aktivist:innen zu belehren. Wir sehen es allerdings als unsere Aufgabe an, mittels nicht-reformistischer Reformen und antikapitalistischen Übergangsforderungen in die Bewegungen zu intervenieren und diese voranzutreiben – in einer Logik der Konfrontation mit den Unternehmen und den Regierungen, die in ihrem Dienst stehen. Zu diesem Zweck analysiert die BFS/MPS die Entwicklung der Gesellschaft, die Widersprüche und die Anzeichen dafür, dass bestimmte Teile der Bevölkerung bereit sind, die Mobilisierung und den Kampf aufzunehmen. An diesen Mobilisierungen und Kämpfen nimmt die BFS/MPS dann aktiv teil.
Auf der Grundlage dieser Annahmen und einer kollektiven politischen Reflexion unterstützt die BFS/MPS die Beteiligung ihrer Aktivist:innen an den Strukturen der Gewerkschaftsbewegung, auch wenn diese eine Phase der immer weiter fortschreitenden Degeneration und der immer stärkeren Unterordnung unter die Interessen der Unternehmer:innen durchläuft. Diese Position beruht auf der Überlegung, dass die Gewerkschaftsstrukturen derzeit noch immer die Möglichkeit bieten, mit den Lohnabhängigen in Kontakt zu treten und Kämpfe aufzubauen, die Klassenbewusstsein und Selbsttätigkeit wecken können. Für die BFS/MPS gibt es privilegierte Interventionsfelder (u.a. die feministische, ökologische, antirassistische und die Gewerkschaftsbewegung), aber sie schliesst grundsätzlich keines aus, um die Dynamiken der Selbstorganisation und der kollektiven Mobilisierung zu fördern.
Die Entstehung von Avantgardekollektiven fördern und unsere antikapitalistischen Projekte stärken
Die BFS/MPS leistet einen Beitrag zur Organisierung und Koordinierung der fortschrittlichsten Sektoren der verschiedenen sozialen Bewegungen. Wir sprechen hier von Avantgardekollektiven im Sinne von organisierenden Kader der Arbeiter:innenklasse und nicht von selbsternannten Parteiavantgarden. Es geht nicht darum, diese Avantgarden zu dominieren, sondern darum, mit ihnen zusammenzuarbeiten und ihre Aktivitäten in einer antikapitalistischen Perspektive zu fördern. Wir möchten darauf hinwirken, dass die BFS/MPS für die fortgeschrittensten Sektoren dieser Bewegungen zu einer antikapitalistischen Alternative wird, zu einer Alternative zu den Gefässen, die einen abgeschwächten Neoliberalismus oder einen reformierenden sozialdemokratischen Ansatz vertreten. Dies soll dazu dienen, diesen aktivistischen Netzwerken auch in den zyklischen Rückzugsphasen der grossen sozialen Mobilisierungen Kontinuität und eine politische Perspektive zu geben, um so eine Zersplitterung oder gar die Aufgabe der politischen Militanz zu verhindern. Aus diesem Engagement heraus kann die BFS/MPS auch neue Aktivist:innen für ihr politisch-organisatorisches Projekt gewinnen. Wir wollen als Organisation den Anspruch verfolgen, ein Kristallisationspunkt sowie ein kollektives Gedächtnis sozialer Bewegungen zu sein.

Eine Organisation für das 21. Jahrhundert aufbauen
In der Zeit unseres Bestehens haben wir eine Abneigung entwickelt sowohl gegen linke Besserwisser:innen, die den Verlauf der Geschichte schon längst kennen, als auch gegen Organisationen, die sich selbst als Nabel revolutionärer Theorie oder als Avantgarde der proletarischen Bewegung verstehen und daraus einen absoluten Führungsanspruch ableiten. Wir sind bescheidener und anerkennen, dass sich die revolutionäre Linke weltweit im Schlamassel befindet und wir dabei keine Ausnahme bilden. In dieser Situation erachten wir es als ehrlicher zuzugeben, dass wir uns in einem theoretischen und praktischen Suchprozess befinden. Es erscheint uns selbstverständlich, dass auf dieser Suche unterschiedliche Meinungen und Positionen hervortreten, die innerhalb der BFS/MPS auch einen Platz haben dürfen und demokratisch diskutiert werden. Eine monolithische Parteilinie zu entwickeln, ist für uns weder realistisch noch erstrebenswert.

Die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus verlangt von einer revolutionären Organisation nicht nur Prinzipienfestigkeit, sondern gleichzeitig auch die Offenheit, sich neuen Situationen anzupassen, auf Entwicklungen zu reagieren und die Fähigkeit, alte Gewissheiten über Bord werfen zu können. Der Marxismus soll auch in diesem Jahrhundert ein Referenzpunkt für emanzipatorische Bewegungen bleiben. Dafür müssen revolutionäre Marxist:innen die feministische Kritik der patriarchal-kapitalistischen Organisierung der Sozialen Reproduktion, ökologische Einwände gegen produktivistische Vorstellungen innerhalb der Linken sowie antirassistische und antikolonialistische Praktiken in ihre Politik integrieren.
In der Schweiz hat sich die feministische Streikbewegung als die stärkste mobilisierende linke Kraft seit dem Generalstreik 1918 etabliert. Sie beeinflusst sowohl die öffentliche Debatte als auch die politischen und gewerkschaftlichen Organisationen auf nationaler Ebene. Die Bewegung bewirkt zudem einen Mentalitätswandel, eine Politisierung und Radikalisierung bei vielen Menschen. Um eine revolutionäre Organisation im 21. Jahrhundert aufzubauen, ist es unerlässlich, dass wir uns an dieser Bewegung orientieren. Insbesondere sind ihre Funktionsprinzipien wie die interne Demokratie, ihre horizontale Struktur und das gegenseitige Wohlwollen, mit dem sich die Aktivist:innen begegnen, wichtiger Bezugspunkt für uns. Innerhalb unserer Organisation und im Austausch mit anderen Aktivist:innen legen wir grossen Wert auf einen rücksichtsvollen Umgang miteinander. Eine gute, inkludierende Gesprächskultur ist für uns ein unverzichtbares Funktionsprinzip. Die kapitalistischen Alltagszwänge und die gesellschaftlichen Verwerfungen gehen nicht spurlos an uns Aktivist:innen vorbei und führen auch zu psychischen Herausforderungen. Eine Organisation, die dem 21. Jahrhundert gerecht werden will, muss das berücksichtigen. Revolutionäre Disziplin bedeutet heute auch, auf die verschiedenen Befindlichkeiten innerhalb des revolutionären Kollektivs zu achten.
Bewegung für den Sozialismus, Herbst 2023