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Solidarität mit den Besetzungen der Hochschulen für Palästina 

Weltweit haben in den letzten Wochen Studierende und Institutsangestellte an Hochschulen gegen den Genozid Israels an der palästinensischen Bevölkerung in Gaza protestiert. Sie forderten ganz konkret, dass ihre Hochschulen nicht mehr länger Israel direkt oder indirekt unterstützen oder akademische Verbindungen zu israelischen Institutionen unterhalten, die die israelische Politik unterstützen. Seit letzter Woche schlossen sich auch in Lausanne, Genf und Zürich Studierende der Besetzung der Hochschulen an. Die Schweizer Behörden und Medien begegneten dem zivilen Ungehorsam mit Unverständnis, Diffamierung und zuweilen auch mit Repression. Die BFS/MPS stellt sich gegen die Diffamierung und Repression, und auf die Seite der freien Meinungsäusserung und der Solidarisierung mit der palästinensischen Bevölkerung. 

von BFS/MPS

Unis begegnen der studentischen Solidarität mit Repression

Der weltweiten Welle an Hochschulbesetzungen begegneten die jeweiligen Behörden und Medienschaffenden sehr unterschiedlich. Einige zeigten ein höchst antidemokratisches Verhalten. Allein in den USA sind in den vergangenen Wochen ca. 2’000 Studierende vorübergehend inhaftiert worden. 

Auch an Schweizer Hochschulen wurde seit dem Dienstag, 6. Mai die Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung demonstriert. So besetzten Studierende die UniMail-Halle der Uni Genf. In einem Brief ans Rektorat wurde eine unmissverständliche Stellungnahme zum Genozid an der palästinensischen Bevölkerung in Gaza und zur Notwendigkeit eines sofortigen Waffenstillstands gefordert sowie einen sofortigen Stopp der Zusammenarbeit der Universität mit israelischen Hochschulen. Nach relativ erfolgreichen Verhandlungen mit der Uni Genf wurden die Aktivist:innen zur Teilnahem an einem wissenschaftlichen Rat eingeladen, um die Rolle von Bildungs- und Forschungsinstituten in öffentlichen Diskursen zu klären. 

Auch die Universität Lausanne ist seit dem 2. Mai besetzt worden. Die Universität in Lausanne reagierte zuerst diplomatisch. Nach harscheren Tönen, unter anderem der Drohung mit Zwangsräumung, haben sich die Studierenden entschieden, nur noch tagsüber das Géopolis-Gebäude nur noch tagsüber zu besetzen und weiter in Verhandlung mit dem Rektorat zu verbleiben.

Anderswo reagierten die Behörden viel repressiver. Letzte Woche hatte die ETH Lausanne den feministischen Hochschulverein Polyquity suspendieren lassen, weil dieser am 30. April eine Konferenz abhielt, wo die Referentin Paola Salwan Daher, antirassistische Aktivistin und Autorin, Israel als Apartheidstaat anprangerte. Die ETH Lausanne begründet dies damit, dass sie ein Ort der Bildung und Wissenschaft in einem neutralen Land seien und die Forderung nach einem akademischen Boykott inakzeptabel. 

Am 7. Mai besetzten Studierende die ETH Lausanne zwischen 11:45 und 18:00 Uhr kurzfristig die Halle des SG-Gebäudes. Die ETH Lausanne, die extrem harsch gegen die Protestierenden vorging, bedauert die Demonstration.

Am 7. Mai besetzten rund 100 Personen die Eingangshalle der ETH Zürich. Die Aktivist:innen riefen solidarisch: «Free Free Palestine!». Auch in Zürich standen die Besetzungen unter der Prämisse: «No Tech for Genocide!» Die ETH selbst kritisierte die Besetzung unter dem Vorwand, dass sie unbewilligt sei – grundsätzlich sei man ja ein Ort für «unterschiedliche Meinungen und Perspektiven»… So liess die ETH ohne grosses Abwarten die Polizei kommen, um die Hallen räumen zu lassen, und stellte darauf einen Strafantrag.

Schweizer Medienlandschaft diskreditiert und disqualifiziert Solidarität mit der Palästina als Antisemitismus 

Auch einige Schweizer Medien schrecken nicht davor zurück, die Geschehnisse nach einem einfachen Schema einzuordnen, zu verurteilen und schliesslich abzutun: Antisemitismus.

So schrieb bspw. die NZZ, dass es seltsam sei, dass Forderungen nach wirtschaftlichem Boykott an universitäre Einrichtungen gestellt würden. Es handle sich ja um Institutionen, die vor Ort gar nicht über einen entsprechenden Einfluss verfügen würden, sondern sich eher noch regimekritisch äussern. Tatsächlich aber stellen Teile der israelischen Bildungs- und Forschungsinstitutionen ihre Forschung in den Dienst des israelischen Armeekomplexes, befördern den israelischen Militärdienst durch Stipendien für Dienende, diskriminieren ethnische Palästinenser:innen oder umfassen höhere Militärausbildungsgänge. 

In der NZZ wird dies abgestritten, um die Motivation für die Forderung eines akademischen Boykotts stattdessen ganz woanders zu finden: «Was hinter den Studentenprotesten steckt: eine antisemitische Grundhaltung, die sich gegen Israel als Staat richtet. Der Gaza-Krieg dient einfach als Vorwand, um altbekannte Muster zu wiederholen». Nicht unähnlich will der Tages-Anzeiger wissen, was hinter den Uniprotesten steckt: Antisemitismus verirrter Revoluzzer:innen. 

Der Vorwurf des Antisemitismus

Antisemitismus ist ernst zu nehmen – immer und ohne Ausnahme. Kritik an der Handlungsweise Israels ist aber nicht zwingend antisemitisch. Grundsätzlich ist Kritik an der Unterdrückung der palästinensischen Zivilbevölkerung durch den Staat Israel – sei es der gegenwärtige Krieg oder generell die Besatzungs-, Vertreibungs- und Vernichtungspolitik seit 1948 – erst einmal einfach Kritik an der Handlungsweise eines Nationalstaats. Es ist richtig, dass diese Kritik auch die gegenwärtige Verfasstheit des Staats Israel ins Auge fasst, als ein Staat, der seine demokratischen Rechte in einem Apartheidsystem nicht allen Bewohner:innen von Palästina-Israel zukommen lässt und der auf der kolonialen Expansion und Vertreibung entlang ethnischer Zugehörigkeit fusst. Kritik an Nationalstaaten muss auch ihre Verfasstheit und die systeminhärenten Probleme ansprechen können. Auch das ist notwendige und daher legitime Kritik.

Die etablierten bürgerlichen Medien sprechen jedoch den Besetzer:innen der Schweizer Hochschulbetriebe diese Differenzierung zwischen legitimer Kritik am Staat Israel und Antisemitismus ab. Der Aufruf nach palästinensischer nationaler Selbstbestimmung und die Anprangerung Israels als kolonialistischer Apartheidstaat, wo ethnische Palästinenser:innen systemisch anders behandelt werden, wird als grundsätzliche Negierung des Existenzrechts eines Palästina-Israels in jeglicher Form verstanden. Tatsächlich fehlt es hier also den Medienschaffenden an der nötigen Differenzierung. 

Antisemitisch wäre es, Jüd:innen aufgrund ihres Jüdischseins anzugreifen, die Handlungsweise des Staates Israel als jüdisches Handeln zu kritisieren, alle jüdischen Bürger:innen Israels pauschal verantwortlich zu machen oder den jüdischen Israeli das Recht auf ein demokratisches und selbstbestimmtes Leben in Palästina-Israel abzusprechen. Doch das tun die studentischen Protestierenden gerade nicht!

Natürlich haben jüdische Israeli ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben auf dem Boden, auf dem sie geboren wurden und auf dem sie ihr Leben aufgebaut haben. Aber nach demselben Prinzip haben die Palästinenser:innen, die seit der Nakba 1948 vertrieben worden sind, auch ein Recht auf Rückkehr, um dort selbstbestimmt zu leben. Um nichts anderes geht es im Kern. Wie dies in den Dimensionen staatspolitischer Grenzen und Systeme konkret auszusehen hat, lässt sich angesichts der verfahrenen Situation, natürlich nicht einfach beantworten. Aber dass dasselbe Prinzip in beide Richtungen wirkt, steht fest. Nicht die Linke steht hier im Widerspruch, sondern diejenigen, die propalästinensische Solidarität mit einem Angriff auf Jüd:innen oder Israeli gleichsetzen!

Antidemokratische Diffamierung

Aus demokratischer Perspektive ist es aber noch in einer weiteren Sichtweise gefährlich, propalästinensische Bewegungen, Demos und Aktionen als antisemitisch zu brandmarken. Dabei geht es nicht nur um die Marginalisierung oppositioneller Stimmen, sondern auch um die Manipulation des allgemeinen Diskurses durch Meinungsmacher, Kulturträger und die etablierte Politik.

Der Holocaust ist ein einmaliges Ereignis in der Menschheitsgeschichte, das zu Recht den Status als Präzedenzfall eines Genozid innehat. Dass der Holocaust als Referenzrahmen dient, um eine Kultur des «Nie Wieders» zu mahnen – um weiteren Genoziden vorzubeugen oder sie aktiv zu bekämpfen, und auch um das «ständige kollektive Bedrohtsein» von Jüd:innen ernst zu nehmen –, ist ein Teil unserer kollektiven Kultur, der nicht wegzudenken ist, geschweige denn weggedacht werden darf. Das Recht von Jüd:innen auf Sicherheit und das Recht der Palästinenser:innen auf Sicherheit und nationale Selbstbestimmung müssen beide ernstgenommen werden. Und keines der beiden darf zu Lasten des jeweils anderen fallen.

Doch mit der pauschalen Antisemitismusbeschuldigung gegen propalästinensische Solidarität wird das kollektive Gedächtnis instrumentalisiert, um die Komplizenschaft vieler Institutionen und Staaten in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen eine Zivilbevölkerung zu legitimieren, und diejenigen, die darauf ihren Finger legen, als mit den Grundwerten der Gesamtgesellschaft nicht vereinbar zu denunzieren. 

Zudem geht es um die Machtverhältnisse im bürgerlichen System und die Aufrechterhaltung einer Ideologie im Sinne des Kapitals: Schweizer Bildungs- und Forschungsstätten werden nicht müde, sich als neutrale Institutionen darzustellen. So auch, wenn Lehrstühle oder Professuren von Banken oder Pharmaunternehmen gesponsert werden. Wenn aber Ansichten, die am System rütteln, Mitsprache in der Wissenschaft und der Bildung fordern, werden diese ausgebootet. 

Und dass es hier die Studierenden trifft, ist kein Zufall. Umso weniger, als Studierendenbewegungen schon immer ein integraler Teil emanzipatorischer und systembrechender Proteste waren. Sie waren ein wichtiger Pfeiler der Bürgerrechtsbewegung, der 68er-Bewegung etc. Die Diffamierung in den Medien und die Repression durch die Unileitungen und die Behörden sind ein essenzieller Aspekt eines allgemeinen Angriffs auf emanzipatorische Bewegungen.

Die Zürcher Polizei bläut friedlichen Protestierenden die ‚Ehrfurcht der ehrwürdigen ETH-Hallen‘ ein. Am 7. Mai fackelt die ETH Zürich nicht lange rum und rief kurzerhand die Polizei.

Israels Terror gegen palästinensische Zivilbevölkerung erreicht neue Intensitätsstufe

Es ist wichtig, sich darüber klarzuwerden, was der israelische Staat gegenwärtig macht und wer gegenwärtig um internationale Solidarität bangt. Israel hat die Bewohner:innen und Geflüchteten in Rafah am 6. Mai zur Evakuierung aufgerufen und führt gegenwärtig Bodenoffensive in Rafah durch. Rafah lim Süden Gazas war für viele Binnenvertriebene, die zuvor schon mehrmals vor dem israelischen Terror seit dem 8. Oktober geflohen sind, der letzte Zufluchtsort. Internationale Expert:innen warnen davor, dass die Evakuation in einer weiteren Verstärkung der humanitären Katastrophe enden würde und dass die verbleibenden Palästinenser:innen massenhaft den israelischen Angriffen zum Opfer fallen könnten. 

Über 80’000 Menschen sind bereits aus Rafah geflohen. Doch die vertriebenen Menschen wissen gar nicht, wohin sie noch fliehen sollen. Die angeblich moralischste Armee der Welt betont zwar, das Flüchtlingscamp Muwasi bereitgestellt zu haben. Tatsächlich leiden aber die Menschen, die bereits in der von Israel designierten «Sicherheitszone» sind, schon an mangelnden Versorgungsdienstleistungen. Die anderen naheliegenden Städte sind entweder viel zu klein, um auch nur einen Teil der 1,5 Millionen Menschen in Rafah zu beherbergen oder wie im Falle Chan Younis fast komplett zerbombt. Auf der anderen Seite, im Südwesten der Stadt Rafah, liegt die Grenze zu Ägypten. Damit stehen jetzt 1,5 Millionen Menschen, die Mehrheit Zivilist:innen, buchstäblich mit dem Rücken zur Wand. 

Forderungen der BFS

Die BFS kämpft entschieden gegen das koloniale Regime Israels, das Kriegsverbrechen begeht, völkerrechtswidrig handelt und mit seiner rassistischen Apartheidpolitik die Vertreibung und Ermordung der palästinensischen Bevölkerung vorantreibt. Deswegen fordert die BFS: 

  • Einen unverzüglichen und dauerhaften Waffenstillstand 
  • Einen Stopp der Gewalt durch die israelische Armee und Siedler:innen in Gaza und im Westjordanland
  • Die volle Wiederherstellung der Versorgung Gazas mit Hilfsgütern
  • Die Freilassung aller politischen und willkürlichen palästinensischen Gefangenen und aller israelischen Geiseln
  • Ein Palästina-Israel, in dem alle Bewohner:innen unabhängig von Ethnie oder Religion im vollen Besitz aller politischen und bürgerlichen Rechte selbstbestimmt und demokratisch leben können
  • Die generelle Entkriminalisierung propalästinensischer Proteste
  • Dass Hochschulen, Medienschaffende und Politiker:innen in der Schweiz und Welt, Studierenden den Raum zur freien Meinungsäusserung und zur freien Versammlung bieten 
  • Einen akademischen Boykott der Hochschulen und Forschungsinstitute, die Israels Politik unterstützen

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