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Keine Friedensgespräche ohne die Ukraine – für eine selbstbestimmte Ukraine in den Verhandlungen und im Wiederaufbau des Landes

Heute jährt sich der umfassende Angriffskrieg des russischen Regimes gegen die Ukraine zum dritten Mal. 12’500 Zivilist:innen sind durch die russische Invasion ermordet und 28’400 verletzt worden. Dazu kommen die über 400’000 Ukrainer:innen, die im Kampf um ihre Souveränität verletzt oder getötet worden sind. Denn die Ukraine hat sich diesen Krieg – entgegen Trumps Äusserungen oder Putins Behauptungen – nicht ausgesucht. Putins Regime führt einen zerstörerischen Krieg in der Ukraine, der bewusst zivile Infrastruktur ins Visier nimmt. Auch diesen Winter hat der Kreml die Energieversorgung der Ukraine angegriffen, um die Ukrainer:innen zu zermürben. Täglich kommen weitere Opfer hinzu und mit einer Regierung Trump ist die Zukunft einer souveränen und unabhängigen Ukraine ungewisser denn je.

von BFS Zürich

«If you are not at the table, you are on the table»

Am 18. Februar sind der US-amerikanische und russische Aussenminister in Riadh zusammengekommen, um Verhandlungen vorzubereiten. Dabei konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Regierung Trump einen Diktatfrieden für die überfallene Ukraine anstrebt. Die Ukraine selbst war in die Vorverhandlungen um die Zukunft ihrer eigenen Souveränität und materiellen Sicherheit nicht involviert. Die USA erregten ausserdem damit Aufsehen, dass sie noch vor dem Tauziehen der eigentlichen Verhandlungen medienwirksam Gebietsabtretungen an Russland lauthals und unbekümmert verkündeten. Mit anderen Worten, sie kamen Russland noch vor den eigentlichen Verhandlungen grosszügig entgegen. Doch die Ukraine nicht an den Verhandlungstisch einzuladen, bedeutet, über ihre Interessen hinweg zu verhandeln!

Ähnlich wie das russische Regime um Putin spricht auch die Regierung Trump den Menschen in der Ukraine ihre Agency ab. Die Ukrainer:innen werden zur blossen Verhandlungsmasse zwischen grossherrschaftlichen Weltmächten reduziert. Die Menschen in der Ukraine, ihre Angst um Sicherheit und ihre Hoffnung auf Eigenständigkeit werden ausgeblendet. Es ist dieselbe Mentalität, mit der Trump den Palästinenser:innen in Gaza das Menschsein abspricht; eine Haltung, die in Gaza ethnische Säuberung legitimiert.

Rechtsextreme Lügen und Täter-Opfer-Umkehr

Gegenüber dem nicht-involvierten ukrainischen Präsidenten meinte Trump in der Art eines imperialen Feldherrn spöttisch: «Oh, wir waren nicht eingeladen. Nun, du bist seit drei Jahren dort. Du hättest nie damit anfangen sollen.» Natürlich hat die Ukraine den Krieg nicht begonnen. Russland nimmt seit der Orangen Revolution 2004 wachsenden Einfluss auf die ukrainische Innenpolitik und ging 2014 zu einem imperialistischen Teilkrieg über, der mit der illegalen Annexion der Krim und von Teilen des Donbass endete, ehe der Expansionskrieg 2022 zu einer umfassenden Invasion ausgeweitet wurde. Das erklärte Ziel des russischen Angriffskriegs 2022 war es, Kyiv innert drei Tagen einzunehmen. Und hätte die Ukraine keinen bewaffneten Widerstand geleistet, wären russische Truppen wie die Schlächter von Butscha auch in ein paar Wochen bis nach Kyiv gelangt. Trump bedient hier also eine ganz billige Täter-Opfer-Umkehr und übernimmt so gängige rechtsextreme Narrative, die das Kreml-Regime als Vorbild für Restaurations- und Herrschaftsbestreben bewundern.

Die USA gingen in einer nicht-öffentlichen Unterredung mit Selenskyj dann gar so weit, die Ukraine dazu zu nötigen, Bodenschätze des Landes wie Uran und Lithium in der Höhe von 500 Milliarden US-Dollar abzutreten – quasi als Gegenleistung für die unter Biden geleistete Hilfe. Die USA wollten die Ukraine in diesem Zusammenhang auch drängen, der USA Verfügungsgewalt über ukrainische Infrastruktur wie Häfen zu übertragen. Als sich Selenskyj mit gutem Recht geweigert hatte, wurde die Ukraine vor der Einstellung von Starlink ‘gewarnt’. Das ist das Auftreten eines imperialen Mafiapaten und käme einer direkten und aktiven Sabotage des ukrainischen Widerstandes gegen die russische Invasion gleich.

Heute hat die stellvertretende ukrainische Ministerpräsidentin Olha Stefanischyna überraschend doch erklärt, dass sich die Verhandlungen über ein Rohstoff-Abkommen mit den USA bereits „in der finalen Phase“ befänden. Noch ist nicht absehbar, was die genauen Vertragsinhalte sind. Da der ukrainische Präsident in diesem Zusammenhang jedoch auch auf Sicherheitsgarantien beharrt hatte, ist es gut möglich, dass es einen entsprechenden Tausch geben wird. Weil die Ukraine – mit dem erpresserischen Verhalten der USA unter Trump noch verstärkt – mit dem Rücken zur Wand steht, ist mit einem Kuhhandel zu rechnen. Sprich, die USA werden ihr Schutzgeld aus der angegriffenen Ukraine auspressen.

Natürlich war auch schon davor die Regierung Biden und sind auch die europäischen Regierungen jetzt nicht ausschliesslich altruistisch und solidarisch motiviert. Es ist davon auszugehen, dass die Abhängigkeit der Ukraine, welche durch die ausländische Unterstützung im Widerstand und für den Wiederaufbau entstanden ist, von westlichen Ländern und internationalen Kreditanstalten, wie dem IWF oder der Weltbank, zur Durchsetzung von strukturpolitischen Massnahmen genutzt werden wird. Damit würde die Wirtschaft und das Sozialsystem der Ukraine weiter liberalisiert und ausländische Grossunternehmen erhielten erleichterten Zugang zur ukrainischen Wirtschaft, um die ukrainischen Lohnabhängigen und Ressourcen stärker und einseitiger zu den eigenen Gunsten auszubeuten. Im Kapitalismus ist Solidarität nicht vom Streben nach Profit zu lösen. Und dennoch stellt Trumps Vorstoss eine scharfe Zäsur dar. Seine Ziele kämen praktisch einer direkten Annexion der ukrainischen Infrastruktur und Bodenschätze gleich!

Der Aggressor ist Russland!

Während Trump aus seiner Machtposition heraus einfach behaupten kann, dass Russland Frieden wolle, ist das Kreml-Regime in Wirklichkeit kein Jota von seinen Maximalzielen abgerückt. Ein fauler Frieden, der dem Aggressor Russland nicht nur die annektierten Gebiete überliesse, sondern auch keine verbindliche Sicherheitsarchitektur etablieren würde, würde das Kreml-Regime sowohl darin bestärken, dass sich kriegerische Aggression lohnt, als ihm auch die annektierten ukrainischen Gebiete überlassen, um von dort aus spätere kriegerische Expansion erneut zu beginnen.  

Dabei entspringt das imperialistische Greifen Russlands nach der Ukraine nicht nur dem revanchistischen Selbstverständnis des rechtsextremen Regimes um Putin: Es ist schwierig, einzuschätzen, wie gebeutelt die russische Wirtschaft wirklich ist. Jedoch haben Sanktionen und Kriegsausgaben die russische Wirtschaft durchaus ins Straucheln gebracht. So musste die Nationalbank bspw. den Leitzins auf von 21% anheben. Die russische Wirtschaft hat sich mittlerweile vor allem in Richtung eines Kriegskeynesianismus entwickelt. Der Krieg schafft Nachfrage und Arbeitsplätze, er ist ein essentielles Standbein der russischen Wirtschaft geworden, ohne das die russische Wirtschaft in bodenlose Tiefen stürzen könnte. 40% des Staatsetats sollen per 2025 in den Expansionskrieg nach aussen und die ‘Sicherheit’ nach innen geleitet werden. Aber Russland dürstet es auch nach geostrategisch günstigen Umschlagplätzen wie Häfen oder Rohstoffen wie Lithium. Und nicht zu unterschätzen ist auch die Ressource Mensch. Denn in Russland herrscht praktisch Vollbeschäftigung; der überalterten Gesellschaft gehen die Menschen aus. Interesse an einer Beendigung des Krieges dürfte das Kreml-Regime also keines haben.

Das Kreml-Regime unterdrückt die besetzten Gebiete

Zurzeit befinden sich in russischen Gefängnissen laut der UN über 2’000 russische politische Gefangene, die gegen das Kreml-Regime oder den russischen Angriffskrieg protestiert hatten, einige davon in Arbeitslagern oder Strafkolonien. Doch in den annektierten ukrainischen Gebieten wie dem Donbass tritt die Besatzungsmacht Russland noch erheblich repressiver auf als im eigenen Land: erzwungene Russifizierung als Bedingung für Unterkunft, Arbeit und Sozialleistungen, Zwangsrekrutierung gegen die Ukraine, ein mit dem Kreml gleichgeschaltetes Schein-Zweiparteien-System, eine gleichgeschaltete Presse, Kooptierung zivilgesellschaftlicher Organisationen, Folter und Verschleppung sind an der Tagesordnung. Dies bietet eine düstere Vorahnung, wie das Leben der Ukrainer:innen nach Erreichen der russischen Maximalziele aussehen könnte. Unter russischer Besatzung oder amerikanisch-russischer Aufteilung wird keine Demokratie und Selbstbestimmung in der Ukraine möglich sein!

Deswegen fordern wir:

  • Die massgebliche Beteiligung der Ukraine als der wegweisende Teilnehmer an Friedensverhandlungen
  • Die Rückgabe aller illegal russisch besetzten ukrainischen Gebiete seit 2014
  • Den Abzug aller russischen Truppen aus den freien und annektierten ukrainischen Gebieten
  • Eine Rückführung der mindestens 20’000 entführten ukrainischen Kinder
  • Die Freilassung aller Kriegsgefangenen auf beiden Seiten
  • Reparationszahlungen durch das Kreml-Regime zum Wiederaufbau der Ukraine und für die Demokratisierung Russlands
  • Einen kompletten Schuldenschnitt für die Ukraine; und entschlossene internationale Unterstützung bei der ukrainischen Ablehnung aller US-amerikanischen Erpressungsversuche
  • Eine Intensivierung der Sanktionen gegenüber kriegsrelevanten Branchen oder Firmen, Rohstofffirmen sowie Oligarch:innen und Politiker:innen in Russland oder amerikanischen, europäischen und Schweizer Firmen, die Embargos und Sanktionen umschiffen
  • Sicherheitsgarantien für die Ukraine, die sie sowohl vor einem erneuten Einfall Russlands schützen als auch ausserhalb der Spannungen zwischen Russland und der NATO stehen – inklusive einer Aufrüstung der Ukraine, um verteidigungsfähig zu bleiben
  • Eine konstitutive Beteiligung der ukrainischen Lohnabhängigen und zivilgesellschaftlichen Organisationen beim Wiederaufbau des Landes
  • Einen sozialen und ökologisch nachhaltigen Wiederaufbau der Ukraine, um den ukrainischen Lohnabhängigen allgemein zugängliche und günstige öffentliche Dienstleistungen und einen hohen Lebensstandard zu gewähren
  • Im Falle eines EU-Beitritts eine sofortige Übernahme des EU-Arbeitsrechts und flankierende Massnahmen, damit die ukrainische Wirtschaft nicht zum Niedriglohn- und Zuliefererland für andere europäischen Staaten verkommt oder aufgrund hoher Verschuldung einer extremen Austeritätspolitik unterworfen würde
  • Wiederherstellung und Ausbau der ausgehöhlten Tarifverträge und der Gewerkschaftsbeteiligung in innerbetrieblichen Entscheidungen in der Ukraine
 

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