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Solidarität statt Spaltung: Gegen Islamophobie und rechte Hetze!

Der 1. Mai ist als internationaler Tag der Arbeiter*innenbewegung immer auch schon der Tag gewesen, an dem die Einigkeit der Arbeiter*innen, egal aus welchem Land sie kommen, welcher Religion sie angehören oder welche Hautfarbe sie haben, im Zentrum stand. Diese Einigkeit ist heute wichtiger denn je. Denn gerade die Hetze gegen Muslim*innen hat in den letzten Jahren in der Schweiz massiv zugenommen.

von BFS Jugend Zürich

Islamophobie in der Schweiz und der „westlichen“ Welt

Mit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 endete der Kalte Krieg und der vermeintliche Kampf der beiden grossen Systeme. In der Folge trat der neoliberale Kapitalismus seinen Siegeszug um die Welt an.
Die kapitalistische Weltordnung wurde als allgemeingültig und die Welt als am Ende der Geschichte angekommen verklärt. Die westlichen Staaten verloren das Feindbild der Sowjetunion, doch ein neues war schnell gefunden: Am 11. September 2001 griff die Al Qaida, welche in den Jahrzehnten zuvor von den USA bewaffnet wurde, die Vereinigten Staaten auf deren eigenem Territorium an. Seither wurden unliebsame Diktaturen zur “Achse des Bösen“ erklärt und ihren Machthabern wurde vorgeworfen, den Terrorismus zu unterstützen. Die “Koalition der Willigen“ unter Führung der USA versprach den Menschen in den rohstoffreichen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens, welche jahrzehntelang von den imperialistischen Mächten ausgebeutet und unterdrückt wurden und werden, Demokratie zu bringen. Was sie erhielten, war eine ethnische und religiöse Verhetzung und Spaltung der Menschen, Kriege mit Millionen Toten und Flüchtenden und die Handelsfreiheit für westliche Konzerne.
Gleichzeitig kam in der sogenannt westlichen Welt ein starker antimuslimischer Rassismus auf. Im Jahre 2009 wurde über die Initiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP) “Gegen den Bau von Minarette“ abgestimmt, denn die vier Minarette in der Schweiz seien ein „Zeichen für die Unmenschlichkeit in der muslimischen Welt“, so die Initiant*innen. Den Menschen mit muslimischem Glauben wird die Invasion und Besatzung des Westens durch “Masseneinwanderung“ und eine hohe Geburtenrate vorgeworfen. Die SVP behauptet, dass Muslim*innen “Vorstellungen über Recht und Ordnung mitbringen, die mit unserem Rechtssystem und unseren demokratischen Spielregeln nicht vereinbar sind.“ Die Minarett-Initiative wurde mit 57.5% angenommen und von der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und anderen Neonaziorganisationen in Europa bejubelt. Doch damit nicht genug. Egal ob bei Asylgesetzrevisionen oder bei der Masseneinwanderungsinitiative: antimuslimische Stimmungsmache schwingt immer zuvorderst mit.
Und während in Deutschland seit einigen Monaten regelmässig tausende „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) hetzen, bombardiert “der Westen“ in Syrien, im Irak, im Jemen und in weiteren Staaten islamistische Organisationen wie beispielsweise den selbsternannten Islamischen Staat, oder den syrischen Al-Qaida-Ableger „Al-Nusra-Front“. So wird der Eindruck geschaffen und von den Medien verbreitet, dass wir uns quasi in einem “Krieg der Kulturen“ befänden. Es scheint, als ob die muslimische Welt den “freien, zivilisierten Westen“ angreifen würde.

Doch was ist überhaupt Islamophobie?

Dieser Eindruck ist von Grund auf falsch. Die Heraufbeschwörung eines Kampfes der Kulturen hilft einzig der herrschenden Klasse. Die globale Arbeiter*innenklasse wird gespalten und gegeneinander aufgehetzt.
Wenn wir heute Zeitungen lesen, scheint es uns, dass die Gefahr durch den “islamistischen Terrorismus“ gerade für uns unmittelbar sei. Die Polizei in den USA erhielt altes Kriegsgerät aus dem Irak und am Hauptbahnhof Zürich patrouilliert die Polizei mit Maschinenpistolen. Der Schweizerische Nachrichtendienst erhielt die Kompetenz, beispielsweise in Privatwohnungen oder Moscheen einzubrechen und diese zu verwanzen und zu durchsuchen. Ängste und Ressentiments werden bewusst geschürt. In Frankreich gingen Millionen aus Solidarität mit dem Satiremagazin Charlie Hebdo auf die Strasse. Von den Angriffen gegen Muslim*innen und Moscheen in Frankreich nach den Attentaten in Paris weiss praktisch niemand. Menschen mit einem muslimischen Hintergrund geraten in Generalverdacht und müssen sich von den Fundamentalist*innen distanzieren. Dass tausende der Toten durch Anschläge fundamentalistischer Gruppen im Nahen Osten und in Nordafrika selbst Muslim*innen sind, wird kaum zur Kenntnis genommen. Hier wird noch immer diese jahrhundertealte Zweiteilung genutzt, die den Eindruck erwecken soll, dass zwischen „hier“ und „dort“, zwischen „uns“ und „denen“, zwischen „christlich“ und „muslimisch“ eine Trennung bestehe, die den unterdrückten Menschen dieser Welt tatsächlich nur Spaltung und Krieg bringt.

Der Islam und die Situation im Nahen Osten

Wenn man dann wiederum in den Nahen Osten und nach Nordafrika blickt, dann hat man das Gefühl, dass im Irak, in Syrien, aber auch in Ägypten, in Libyen oder in Mali eine Koalition von Menschenrechtler*innen gegen böse Islamist*innen kämpfe. Dieses Bild hält einer genaueren Betrachtung nicht. Gerade in Syrien und im Irak erleben wir zurzeit einen medial sehr präsenten Krieg gegen den selbsternannten, sunnitischen „Islamischen Staat“. Dieser Konflikt wird in den Medien immer wieder als klassischer Kampf vom Guten gegen das absolute Böse dargestellt. Dabei ist die Situation unglaublich komplex. Der Abwehrkampf gegen den IS wird am Boden von kurdischen Kräften verschiedenster politischer Couleur, von offiziellen irakischen Sicherheitskräften, von schiitischen Milizen und von vielen Teilen der zersplitterten syrischen Opposition geführt. Mit Luftangriffen kämpft auch eine von den USA angeführte Koalition gegen den IS. Interessant ist hierbei die Kooperation von schiitischen Milizen, meist kontrolliert und bewaffnet durch den Iran, mit den USA. Gerade die schiitischen Milizen im Irak sind für ähnlich brutale Vorgehensweisen berüchtigt, welche oftmals auch dem IS zugeschrieben werden.
Dass die USA mit Saudi-Arabien einen Verbündeten in der Region hat, dessen Auslegung des Islams und die staatlich verankerte Interpretation der Scharia den Vorstellungen des IS zu grossen Teilen bis ins Detail gleichen, geht dabei vergessen. Dass dieses Saudi-Arabien wiederum ein wichtiger Teil der Koalition gegen den IS ist, ebenfalls. Dass dieselben Länder im Jemen in einer anderen Konstellation wieder aufeinandertreffen, ist mehr als nur Zufall oder eine Ironie der Geschichte. Saudi-Arabien bekämpft im Jemen die Houthi-Rebellen, die einer speziellen Auslegung der Schia – der zweitgrössten Konfession des Islams – angehören. Unterstützt werden sie von den USA und vermutlich auch einem Ableger der Al-Qaida im Jemen. Auf der anderen Seite werden die Houthis vom Iran mit Waffen beliefert. „Der Feind meines Feindes ist mein Freund, auch wenn der Feind meines Freundes gerade in einem anderen Land der Freund meines Feindes ist …“, oder so ähnlich.
Bei all diesen Konflikten, das ist aus dieser kurzen und unvollständigen Übersicht klar geworden, geht es nur in zweiter Linie um Religion. Es geht auch nicht um Kulturen oder absolute Werte der Menschlichkeit. In erster Linie geht es um Macht, um politische Einflusssphären und um wirtschaftliche Invesitions- und Absatzmärtke. Dazu gehören auch Waffenlieferungen und da hinein spielen auch geopolitische Auseinandersetzungen zwischen Russland und den USA. Auf regionaler Ebene kämpfen der Iran und Saudi-Arabien um die Vorherrschaft. Das Resultat trifft in erster Linie die Zivilbevölkerung. Sei es im Irak, in Syrien oder seit April 2015 wieder sehr intensiv im Jemen. Überall wird die Bevölkerung massiv in Mitleidenschaft gezogen. Millionen von Menschen sind auf der Flucht, hunderttausende bereits gestorben.

Eine Antwort: Emanzipation und Selbstverwaltung

Doch gibt es denn auch Anzeichen in diesen Konflikten, die zuversichtlich stimmen? Die gibt es tatsächlich. Inmitten der Wirren des syrischen Bürgerkriegs haben die Kurd*innen in Nordsyrien drei so genannte Kantone gegründet, die nach demokratischen Grundsätzen als Alternative zum syrischen Zentralstaat aufgebaut werden sollen, beziehungsweise als solche auch schon existieren. Auch wenn es an diesem Projekt Rojava einige Punkte gibt, die wir kritisieren, wie z.B. die unklare Definition einer mulitehnischen Gemeinschaft, worin soziale Klassen angeblich keine Rolle spielen würden, glauben wir, dass es auch einige wesentliche Merkmale aufweist, die für die ganze Region, ja für ganz Syrien wieder einen Schritt in Richtung Frieden und Stabilität bedeuten könnten. Dabei ist insbesondere wichtig, dass in Rojava die verschiedenen Volks- und Religionsgruppen relativ friedlich zusammenleben. Insbesondere christlichen, assyrischen Minderheiten und jesidischen Kurd*innen, aber auch arabischen Syrer*innen bietet die Region Schutz. Und eine weitere Errungenschaft der Revolution in Rojava sei hier noch hervorgehoben: Die Emanzipation der Frauen. Die Frauen in Rojava sind in Politik und Verwaltung zu mindestens 40% vertreten und kämpfen zusammen mit den Männern in den Volksverteidigungseinheiten YPG.
Diese Formen der Selbstorganisation stellen ein Modell dar, das in ganz Syrien, aber auch im Irak dazu führen könnte, den Krieg zu beenden und das ständige Töten zu unterbinden. Der Islamische Staat ist ein Phänomen, das aus einer – durch jahrzehntelange, westliche Intervention – zerrütteten Gesellschaft hervorgegangen ist. Es kann nur endgültig bekämpft werden, wenn das Wohl der Menschen wieder vor den regionalen und globalen Machtansprüchen steht. Und das geht am besten, wenn die Menschen anfangen, sich selbst zu organisieren.
Zeigen wir also Solidarität mit den Kämpfen in Syrien und insbesondere auch mit der seit Jahren unter dem grausamen Krieg leidenden Zivilbevölkerung. Der 1. Mai als internationaler Tag der Arbeiter*innenklasse ist als solcher auch der Tag, an dem wir unsere Kämpfe verbinden können. Unsere Vorstellung einer solidarischen und gerechten Gesellschaft macht nicht vor Landesgrenzen halt. Egal ob in Südeuropa, in der Schweiz oder in Rojava. Der Kampf ist im Kern derselbe. Hoch die internationale Solidarität!
Am Dienstag, 12. Mai 2015 organisiert die BFS Jugend Zürich eine Veranstaltung zum Thema „Islamfeindlichkeit und Religionskritik“. Mehr Infos gibt’s hier.

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